Florian Semle Florian Semle ist Blogger und Unternehmensberater bei Digitale Klarheit. Der ehemalige Journalist und Teamleiter für internationale Agenturen berät Unternehmen zu digitalen Strategien und coacht bei deren Umsetzung. Seine digitalen Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Grimme-Online-Award. Er unterrichtet an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und schreibt zu Social Media und Digitaler Wirtschaft auf verschiedenen Blogs.

Banken und Social Media (Teil 4): Das Social-Media-Dilemma

2 Minuten Lesedauer

Die Intransparenz und Informations-Asymmetrie im Finanzsektor sind ein impliziter Teil des Geschäftskonzepts vieler Banken. Offene Vergleichsmöglichkeiten, öffentliche Feedback-Systeme oder direkte Vergleiche machen viele Bereiche der klassischen Bankberatung, des Finanzmarketings und der Kundenbindung überflüssig. Deshalb besteht wenig Interesse, durch Transparenz der Leistungsprozesse Terrain aufzugeben.

Social Media und die Generation der Digital Natives schaffen für viele Banken ein grundsätzliches Dilemma: Die neue Kundengeneration verlangt nach Bankdienstleistungen, die wie das Gegenteil des Bestehenden anmuten.

Gleichzeitig wandelt sich das digitale und kulturelle Umfeld der Banken. Die Standards in der Kundenbeziehung werden längst außerhalb des Bankwesens gesetzt. Sie stehen für Kunden, die Unkompliziertheit voraussetzen, Verfügbarkeit verlangen, Intransparenz nicht tolerieren und die vor allem schnell wieder weg sind, wenn Leistungen nicht den Erwartungen entsprechen.

Social Media sind also nicht nur nette Marketing-Gimmicks, sondern Instrumente einer neuen Kundenkultur. Dieser Kultur werden auch klassische Banken begegnen. Im Netz, aber auch am Schalter oder am Telefon. Die nachwachsende Generation der „Digital Natives“ erwartet technologische Führung, digitale Präsenz und Bequemlichkeit.

Intransparenz und Verschlossenheit wird zu einem Ausschlusskriterium. Banken müssen sich daher mit diesen Veränderungen strategisch genauso auseinandersetzen wie mit neuen Regulierungsanforderungen. Wer glaubt, dies aussitzen zu können oder die Facebook-Präsenz mal eben einem Praktikanten überlassen zu können, der zahlt später deutlich drauf

Das Banking-Dilemma ist das Ergebnis einer lang anhaltenden Abschottung, in der Banken durch die starke Regulierung und durch hohe Eintrittshürden die einzige Möglichkeit für die meisten Geldgeschäfte waren. Doch der Finanzsektor wird kein „Tal der digitalen Ahnungslosen“ bleiben.

Google Banking: Wie neue Akteure den Markt verändern werden

Möglicherweise haben die Banken zu sehr auf die Abschottung der Branche vertraut, denn mit Google – das nach Recherchen des BankBlogs tatsächlich über eine Banklizenz verfügt – und die ebenfalls mit Banklizenzen ausgestatteten Telekommunikationskonzerne formieren sich mächtige Allianzen. Sie zielen zunächst auf den Zahlungsverkehr. Google, Facebook, Apple oder Amazon haben in den letzten Jahren ausgereifte Shop- und Zahlungs-Infrastrukturen entwickelt. An deren Schnittstellen steht zwar am Ende immer noch der Saldenausgleich über eine klassische Bankverbindung, dies könnte sich aber bald ändern.

Der Link von Googles Banklizenz auf eine entsprechende Seite der britischen Finanzaufsicht offenbart, dass Googles Lizenz auch Online-Konten umfasst. Und was sollte Google davon abhalten, darauf eingezahlte Guthaben zu verzinsen und Kunden dazu zu bewegen, ihr Gehalt dort einzahlen zu lassen? Wenn die Autobranche erfolgreich eigene Bankinstitute aufbauen kann, warum sollten wir nicht in Zukunft über die Google-, Facebook- oder Apple-Bank bezahlen? Für die kommende Generation der digital Natives wären das viel eher die „Banken ihres Vertrauens“ – vor allem angesichts des massiven Vertrauensverlusts, den die Bankbranche in den vergangenen vier Jahren erlitten hat.

Neue Leistungsprozesse stellen traditionelle Organisationsstrukturen in Frage

Die Dienstleister punkten nicht nur mit neuen Angeboten, sondern sie generieren neue Leistungsprozesse, mit denen sie alte, überkommene Strukturen neu entwerfen. So kann man etwa Kreditbörsen mit der App mytaxi vergleichen. So wie diese App Taxizentralen als Intermediär überflüssig machen könnte (siehe dazu FAZ: Taxizentralen: Schäumend vor Wut), schalten Dienste wie Auxmoney und Smava die zwischen Kreditnehmern und Geldgebern sitzende Bank aus.

Prozesse werden also vollkommen neu definiert. Neben dem Bankwesen wächst eine Nischenwirtschaft heran, die Finanzdienstleistungen an neue digitale Technologien koppelt und damit die Funktion von Banken übernimmt.

Die geplanten Banking-Konzepte der Internet-Ökonomie machen sich die Social-Media-Schwäche der meisten Banken zunutze. Sie zeigen, wie leicht es ist, bei den neuen digitalen Kunden mit einer anderen Kultur des Umgangs zu punkten. Sie besetzen die Nischen, die ihnen die Banken in ihrem Markt überlassen. Sobald sich diese Nischen zu einem lukrativen Massengeschäft entwickelt haben, wird auch im Banksektor ein Umdenken einsetzen.

Neben dieser kritischen Bestandsaufnahme sehen wir aber auch viele Perspektiven für ein neues Kundenverständnis und neue Geschäftsmodelle. Next Banking und Social Media sind ein Chancenmarkt – und zwar gerade weil der Mainstream der Banken noch keinen substantiellen Einstieg gefunden hat. Für Institute, die bereit sind, sich auf die Kultur hinter Facebook und Wikipedia einzulassen, ist es relativ leicht, sich von Mitbewerbern abzuheben oder Innovationen zu präsentieren, die Banking und Social Media intelligent verbinden.

Gegenwärtig sind die Innovationstreiber im New Banking jedoch vor allem die kleineren Newcomer wie Fidor oder Smava, nicht die großen Institute. Der Gründer eines Garagen-Start-ups hat einmal gesagt, nicht die Großen würden die Kleinen schlagen, sondern die Schnellen die Langsamen. Er heißt Bill Gates. Sein Wort in Bankers Ohr!

Dirk Elsner ist Ökonom, arbeitet für die Unternehmensberatung Innovecs. Er ist mit seinem privaten Blog Blick Log einer der einflussreichsten Wirtschaftsblogger im deutschsprachigen Internet. Dirk und unser Autor Florian Semle werfen in einer vierteiligen Blogreihe gemeinsam einen Blick auf den Stand der Social Media im Bankwesen und den Perspektiven für die Zukunft. Im zweiten Teil der Reihe zeigen sie die neuralgischen Punkte klassischer Banken im Umgang mit Social Media.

Florian Semle Florian Semle ist Blogger und Unternehmensberater bei Digitale Klarheit. Der ehemalige Journalist und Teamleiter für internationale Agenturen berät Unternehmen zu digitalen Strategien und coacht bei deren Umsetzung. Seine digitalen Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Grimme-Online-Award. Er unterrichtet an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und schreibt zu Social Media und Digitaler Wirtschaft auf verschiedenen Blogs.

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Klaus Eck
3 Minuten Lesedauer

11 Replies to “Banken und Social Media (Teil 4): Das Social-Media-Dilemma”

  1. Bisher versteckten sich die Banken immer in eher komplexen Beschreibungen ihrer Dienstleistungen und zum Teil recht undurchsichtigen Produkten zur Geldanlage. Gerade der Finanzsektor profitiert sehr gut daraus, dass niemand hier eine Übersicht hat. Dazu trägt Social Media nicht bei.

    Weiter haben die klassischen Banken zumindest in Österreich (und ich vermute es ist in DE auch so) große Konkurrenz von den Direktbanken. Gerade bei den Direktbanken würde ich mehr Social Media Aktivität wünschen, denn diese leben ja ohnehin sehr transparent.

    In AT ist für mich die easybank.at wirklich eine gute Direktbank mit hervorragenden Konditionen und daher auch immer wieder Testsieger. Es gibt dazu eine Facebook-Page mit 224 Fans (und keiner Aktivität) da diese nicht gewartet wird (womöglich eine Community-Page – ich habe nur mal grad einen kurzen Blick darauf geworfen). Wäre ich ein Social Media Berater, würde ich hier mal einen Blick drauf werfen: http://www.facebook.com/easybank (auch auf Twitter gibts dazu noch nichts).

    1. Ich habe mir auch die Facebook-Präsenz angesehen (Danke für den Link) und kann nur zustimmen. Ich verstehe auch nicht, warum eine Direktbank, die sich über Social Media von den „klassischen Banken“ differenzieren könnte, diese Chance nicht nutzt. Die Seite ohne Kommentarfunktion und sinnvolle Inhalte ist schlicht ein Platzhalter. Doch es besteht Hoffnung. Wenn die easybank vernünftiges Monitoring betreibt, wird sie den Link von diesem Kommentarthread registrieren – und findet dann unsere Blogserie mit hoffentlich sinnvollen Anregungen 😉 

      Den ersten Punkt verstehe ich allerdings nicht ganz und wäre dankbar für eine Erläuterung: Yeb, viele Banken verdienen gut an der Intransparenz. Social Media als unmittelbare öffentliche Schnittstelle sind unseres Erachtens ein Weg für mehr Transparenz – und tragen natürlich nicht zur Intransparenz des geschlossenen Systems bei – oder wie war das gemeint?

      1. Aus meiner Sicht sind die meisten Geldanlageprodukte zu komplex für die breite Masse, viele sind auch nicht wirklich gut. Die breite Masse versteht diese nicht und der Bankberater kann diese oft auch nicht ausreichend erklären bzw. will das nicht (mit allen Risiken und Nebenwirkungen). So wollen viele Banken vermutlich auch gar nicht, dass User auf ihren Social Media Präsenzen (zB auf der Facebook-Fanpage) darüber diskutieren. Damit haben sie dann den „Transparenzbringer“ vor der Haustüre.

        Nun könnte man meinen, dass das ein schlechtes Argument ist, denn wenn die Banken nicht selbst den Platz bereitstellen, dann diskutieren die Kunden eben woanders am Web. Aber:

        Spannend ist, dass auch auf anderen Web-Seiten mit user generated content (und ohne direkte Involvierung von Banken) sehr wenig mit inhaltlicher Tiefe über konkrete Geldthemen wie zB. in meinem Fall Kredit-Konditionen gesprochen wurde.
        So habe ich beispielsweise vor 5 Monaten bei meinem Wohnungskauf auf keiner einzigen Community-Seite gelesen, welchen Zinsaufschlag bei variablen Darlehen österr. Banken derzeit bei guter Verhandlung und Bonität geben. Einzig hier http://www.energiesparhaus.at wurde ich zumindest „etwas“ fündig. Darüber sprechen die Menschen womöglich gar (noch) nicht.

      2. Guter Punkt in Sachen Komplexität. Die „sozialen Massenmedien“ wie Facebook und Twitter sind sicher für Fachfragen wenig geeignet, eher z.B. Wikipedia fürs grundsätzliche. Facebook und Twitter können Fachberatung sicher nicht ersetzen. Sie machen aber eine Bewertung von Beratung durch Kunden möglich und schaffen auf diese Weise Transparenz. Ich zum Beispiel nehme eigentlich gar keine Beratung mehr in Anspruch, die nicht durch eine persönliche Empfehlung „validiert“ worden ist und fahre gut damit. 

        Auch bzgl. „breiter Masse“ stimme ich zu. Sicher ist der Umgang mit Social Media noch nicht ausreichend verbreitet und intensiv, um den Markt hier und jetzt zu verändern. Aber genau das erwarten wir für die nähere Zukunft. Ganz interessant dazu ein Debattenbeitrag über die Vernetzte Generation in der Zeit: 
        http://www.zeit.de/digital/internet/2012-02/wir-die-netz-kinder

      3. Noch eine Ergänzung zum Thema Komplexität, weil ich das Argument von Alexander Stocker auch häufiger aus Banken höre. Ich denke, die Banken müssen hier umdenken und ihre Produkte klarer strukturieren für ihre Kunden.

        Ein schlauer CEO hat mal gesagt: “Wir  glauben,  dass  wir Nein  zu  einer sinnlosen  Produktvielfalt  sagen  sollten,  um uns  auf die  wenigen  Produkte  zu  konzentrieren,  die  uns wirklich  etwas  bedeuten.” Sein Vorgänger hat gesagt: „Einfachheit ist die höchste Form der Raffinesse“. Das erste Zitat stammt von Tim Cook, das zweite von Steve Jobs.

        Nebenbei bemerkt, ist die klarere Struktur auch für die Banken selbst von Vorteil. Sie haben ja gezeigt, dass die wenigsten Institute die Komplexität ihrer Produkte beherrschen.

      4.  Diesen Hinweis von Alexander Stocker finde ich wichtig. Zwar werden an verschiedenen Stellen Fachfragen zu Finanzthemen diskutiert, aber nicht, wenn es ans Eingemachte geht.
        Unternehmen etwa, deren Kreditantrag z.B. abgelehnt wird, werden darüber nicht offen im Netz berichten. Dabei wäre es gerade in diesen Zeiten hoch interessant zu lesen, welche Bank welche Kreditanträge aus welchen Gründen ablehnt. Es sind nämlich längst nicht immer die Gründe beim Kunden, sondern oft bei den Banken zu suchen.

    1. @alexander stocker: Schön, wenn sich die Debatte entfaltet. Eine Bitte bzgl. des neuen Blogbeitrags noch: Die Artikelserie ist eine Gemeinschaftsproduktion von Dirk Elsner und mir (siehe letzten Absatz im Artikel oben). Ich wäre dankbar, wenn wir beide im Artikel als Autoren genannt würden, weil Dirk der Banking Experte ist. Ginge das? Wir können hier als technischen Gründen nur einen Autor im Autorenfeature nennen…

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