In der Verlagswelt gibt es viele Urgesteine, die man einfach kennen muss. Aber es gibt auch einige Youngster, die sich ebenfalls einen Namen gemacht haben. Zu diesen zählt Leander Wattig, der als Berater längst etabliert ist. Seine spannenden Ideen wasmitbuechern.de und der Virenschleuder-Preis und sein neues Projekt Orbanism Space (gemeinsam mit Christiane Frohmann) in Kooperation mit der Frankfurter Buchmesse haben sicherlich dazu beigetragen. Sein Messestand Orbanism Space soll ein beweglicher Zeit-Raum für die digitale Contentwirtschaft sein. Im Mittelpunkt steht die Begegnung von Menschen und digitalen Themen in neuen, unerwarteten Konstellationen. Der Orbanism Space ist ein Angebot für digitale Inhalte-Marken, die nicht die Ressourcen für eine physische Präsenz während der Messezeit haben. Außerdem ist der Orbanism Space ein Angebot für Unternehmen, die schon einen Stand haben und sich als Teil der digitalen Community präsentieren möchten. Ich halte am Donnerstag, dem 15. Oktober um 14 Uhr, auf dem Orbanism Space einen Vortrag darüber, was Content-Marketing im Unternehmen verändert.
Du vergibst seit einigen Jahren auf der Frankfurter Buchmesse einen Virenschleuderpreis. Wie sind die Reaktionen auf eine solche Preisverleihung im Marketingumfeld?
In einer Vorlesungsreihe der HTWK Leipzig hat einer der Verleger seine Social Media Managerin liebevoll als „Virenschleuder“ bezeichnet. Das hat mich 2011 dazu inspiriert, unseren Marketing-Award Virenschleuderpreis zu nennen. Es ist ein Name mit Augenzwinkern, aber ein mit Bedacht gewählter. Der Virenschleuder-Preis soll Hemmungen abbauen, sein Wissen und seine Erfahrungen preiszugeben, weil ja jede Nominierung bei uns veröffentlicht wird. Natürlich überwogen zuerst die verwunderten Reaktionen, aber je länger der Preis existiert, desto mehr tritt das in den Hintergrund.
Seltsame Namen scheinst Du zu mögen: Wie kam es denn zu einem Orbanism Space auf der Frankfurter Buchmesse?
Der Neologismus „Orbanism“ setzt sich zusammen aus „orbis“ und „urbanism“ und soll diesen durch das Internet erzeugten Mischraum gezielt mit Leben füllen. Wir bieten mit unseren Veranstaltungen Plattformen, die die integrierte digitale Medienbranche von morgen abbilden und so die digitale Transformation befördern. Genau das wird der Orbanism Space auf der Frankfurter Buchmesse tun, indem er der Anlaufpunkt für digitale Leute und Themen sein wird. Er ist aber nicht an die Buchmesse gebunden, sondern kann auch sonst im Rahmen von größeren Veranstaltungen eingesetzt werden.
Auf Twitter nutzt Du häufiger den Hashtag #pubnpub im Networking. Das verwirrt bestimmt in der Publishingbranche einige? Wir ist die Resonanz darauf?
Den Namen Pub ’n‘ Pub finden eigentlich alle super. #pubnpub steht für Publishing im Pub und damit schon für das Konzept, das darauf beruht, die Leute in einem entspannten Rahmen zusammen kommen und Interessantes erfahren zu lassen. Das führt dazu, dass sich die Teilnehmer noch leichter kennen lernen, was ja mit das Wertvollste bei solchen Anlässen ist. #pubnpub ist die vielleicht erste Veranstaltungsreihe im Buchmarktumfeld, die einen Hashtag als Namen nutzt.
Welche Verlage machen Deiner Ansicht nach gutes Content-Marketing?
So ein typischer größerer Verlag wie KiWi oder S.Fischer macht alles von Romanen über Krimis und Sachbücher bis hin zu historischen Werken. Jedes Buch spricht dabei eine andere Community an. Verlage wie Ullstein gehen den richtigen Weg und etablieren Themen-Imprints wie Midnight für Spannungsliteratur oder Forever für romantische Stoffe, wo sie Zielgruppen und hausinterne Kräfte nachhaltig bündeln können. Zudem lassen sich dort auch Mischformen von Selfpublishing und Crowdfunding gut integrieren. Zudem gibt es zunehmend Beispiele von themengetriebenen verlagsübergreifenden Kampagnen wie die „Herzenstage„, die auch auf der Shortlist des Virenschleuder-Preis 2015 stehen.
In der Verlagswelt kennen Dich sehr viele Menschen. Oft wird der Wert der Selbstvermarktung unterschätzt. Welche Tipps kannst Du anderen für Ihr Personal Branding geben? Worauf sollte man achten?
Der Wert der Selbstvermarktung wird meist von denen infrage gestellt, die es selbst nicht gut machen oder denen sie einfach nicht liegt. Das beste Beispiel ist ja Sascha Lobo, dem jahrelang immer wieder Substanzlosigkeit nachgesagt wurde, der sich aber nur deshalb so lange schon im Diskurs hält, weil er stetig Qualität liefert.
Es gibt viele Leute, die tolle Sachen machen. Aber nur wenige erreichen eine gewissen Öffentlichkeit. Da kann es helfen, den gelieferten Mehrwert möglichst greifbar zu verpacken in Form eines einfach runtergebrochenen Claims oder kommunizierten eigenen Werten als Antrieb. Zudem helfen wiedererkennbare optische Zeichen, die man mit der Botschaft verbindet. Das kann eine Frisur sein, ein besonderer Kleidungsstil oder andere Aufmerksamkeitsfänger wie die Pose von Cristiano Ronaldo vor jedem Freistoß. Schließlich müssen die Kunden im geschäftlichen Umfeld, aber auch die Nutzer bei jedem Share die betreffende Person auch immer intern im Netzwerk verkaufen und da sollte man es ihnen möglichst leicht machen, weil wir alle keine Zeit für Details haben.
Die guten Selbstvermarkter bspw. im Medienumfeld wie Sascha Pallenberg, Teresa Bücker, Tilo Jung, Zoë Beck, Richard Gutjahr, Karla Paul, Rooz Lee, Carline Mohr oder auch Du, Klaus, sind eben keine Luftikusse, sondern echte Arbeitstiere. Am Ende zählt aber vor allem der Fleiß, weil langfristig eben die Substanz entscheidet, sofern der Rahmen wie beschrieben stimmt und man sich nicht da schon selbst ausbremst. Wenn es so einfach wäre, würden wir nicht so oft dieselben Referenten auf Konferenzen sehen.
Es ist heißt immer, Content ist King. Dennoch scheinen Kunden nicht unbedingt bereit zu sein, viel Geld für E-Books auszugeben. Stagniert der Markt für digitale Bücher oder auf welche Trends müssen wir uns einstellen?
Zunächst einmal wächst der Markt stark, nur nicht mehr ganz so dynamisch wie in den Vorjahren. Daraus wird schnell ein Abgesang gemacht. Eine solche Entwicklung braucht immer auch Zeit, weil sie mit Änderungen in der Mediennutzung und der technischen Ausrüstung einher geht. Gerade der extrem gut entwickelte klassische Buchmarkt und die hohe Buchhandelsdichte in Deutschland führen dazu, dass das digitale Wachstum langsamer vonstatten geht als in Ländern wie den USA oder Russland, wo die Versorgung viel schlechter ist.
Außerdem muss man die kommunizierten Zahlen auch immer kritisch hinterfragen. Es gibt noch immer genug Akteure, denen die überspitzte Botschaft „E-Book-Markt bricht ein“ sehr gelegen kommt.
Im Vergleich zu anderen Medienbereichen finde ich eher erstaunlich, wie wirksam der Buchnimbus auch im Digitalen ist. Mit E-Books Geld zu verdienen ist vergleichsweise viel leichter als mit Filmen oder Musik.
Langfristig finde ich eher die Frage spannend, wo künftig das gefragt sein wird, was wir heute als E-Book bezeichnen, und wo andere Gestaltungsformen. Vieles war früher ja nur ein Buch, weil die anderen Aufbereitungsformen nicht existierten oder zu teuer waren. Der Ratgeber von früher ist heute vielleicht ein Videoblog, weil das die fürs Nutzerbedürfnis passendste Form ist, und eine reine Textkopie als E-Book mag sich deshalb schlecht verkaufen.
Was war Dein erfolgreichster Content?
Einer meiner erfolgreichsten Blogbeiträge war auch mein kürzester jemals: „… bitte … danke …“ Der stammt von Anfang 2010 und der Titel lautet „Erfolgsfaktoren im Social Web“. Content ist natürlich immer vor allem dann erfolgreich, wenn er einen Nerv trifft. Dafür ein Gefühl zu haben, ist heute eine wertvolle Kernkompetenz. Kleine Medienhäuser wie Buzzfeed oder die Social-Media-Trupps von Bild.de, Spiegel Online & Co. gehen ja inzwischen recht methodisch daran, wie man bspw. über welche Emotion welche Wirkung triggern kann.
Welche Bücher haben Dir zuletzt sehr gut gefallen?
Das letzte Buch, das mich tief beeindruckt hat, ist „Tausend Tode schreiben“ (Frohmann Verlag). Darin schildern am Ende 1.000 Menschen ihre Ansichten auf den Tod und erzeugen so ein Bild dessen, wie der Tod in der heutigen Gesellschaft wahrgenommen wird, welche Realität er hat, wie und was er ist.
Ich mag generell Bücher, die uns etwas über das Leben lehren und die nicht beschönigen. Das gilt auch für Kathrin Weßlings neues Buch „Morgen ist es vorbei“ (Luchterhand), in dem das Thema Ver- und Entlieben mal unromantisiert angepackt wird, sodass der Kummer nicht nur erzählerisch als Weg zu mehr Glück dient, sondern tief blicken lässt.
Welche besonderen Tipps hast Du für die Besucher der diesjährigen Frankfurter Buchmesse? Was sollten diese tun?
Für mich ist aber der größte Wert, spannende Menschen zu treffen und Verbindungen aufzubauen. Wo das besonders gut geht, steht hier im Networking & Party Kalender #fbm15. Ansonsten empfehle ich als Einstieg das Buchmesse-Alphabet von Kiepenheuer & Witsch, das adäquat auf die Besonderheiten vor Ort einstimmt. Wer aber auch Spannendes hören möchte, kann gern bei uns im Orbanism Space vorbei kommen, dem offiziellen Digitaltreffpunkt.