Denn alle, die ihren Vorschlag mitgehen sollen, werden sich als erstes fragen:
- Wer ist das? Wer kennt ihn? Wofür steht er? Wer schätzt seine Arbeit?
- Was hat er bisher gebracht? Kann man mit ihm Projekte stemmen?
- Macht er daraus einen Erfolg, so dass ich ebenfalls glänze?
- Oder kriegt er das womöglich nicht hin, so dass mir das Nachteile bringt?
Sichtbarkeit und ein guter Ruf sind vor allem dann überaus wichtig, wenn es um Initiativen geht, die vor ein Entscheidungsgremium müssen. Wer Großes bewegen will, tut sich wesentlich leichter, wenn man ihn als jemanden wahrnimmt, der für etwas steht, der Einfluss hat, der etwas bewirkt und den man dafür kennt. Im besten Fall sprechen wir von einer internen Influencer-Markenpersönlichkeit.
In vier Schritten zur internen „Human Brand“
Die Frage ist demnach die: Wie wird man zu so einer Marke, zu einer Human Brand? Markenentwickler Jon Christoph Berndt nennt mir dazu vier entscheidende Punkte:
1. Eine Marken-Persönlichkeit entwickeln: Zunächst geht es darum, die eigene Wertewelt zu definieren: Wofür tritt man an? Was ist das Anliegen, der Anspruch an sich selbst? Wichtig ist, dass es kein selbstzentrierter, sondern ein dienender Anspruch ist. Er manifestiert sich in einem zu formulierenden relevanten eigenen „Gesellschaftsbeitrag“ (man sagt neuerdings „Purpose“ dazu). Dazu gehört auch die formulierte Herausstellung (was hebt einen aus der Masse aller anderen Menschen heraus?) und die klare Vision und Mission (was ist der Idealzustand in der Zukunft, und wie kommt man dorthin?). Was tut der Influencer einerseits jeden Tag sehr gezielt dafür, dass er seinem formulierten wert(e)vollen Anspruch gerecht wird? Und, noch wichtiger: Was lässt er dafür alles ganz bewusst bleiben, was tut er nicht?
2. Emotionalisieren: Ist die „Human Brand“ definiert, geht es darum, sie mit einer bildstarken Vorstellung zu verbinden: Die „Leitidee“ ist das, womit man diesen einen Menschen schon bald immer und überall ganz unmissverständlich verbindet. Das kann ein markantes Accessoire sein, ein Ausspruch, ein Motto – oder ein „Spleen“. Sowas ist charmant, regt zum Lächeln an und bewirkt, dass man sich näher mit diesem Menschen, seinen Anliegen und Aktivitäten beschäftigen möchte. Die Leitidee, sozusagen das Markenzeichen von Angela Merkel ist die Raute, das von Ex-Daimler Chef Dieter Zetsche der Schnauzer, das von Ulrich Wickert in den Tagesthemen der Schlusssatz „Ich wünsche Ihnen eine geruhsame Nacht!“
3. Geschichten erzählen: Zahlen, Daten, Fakten locken – außer den Zahlenknechten – niemanden hinterm Ofen vor. Wer aber einnehmend und begeisternd erzählt, dem hört man zu und dem folgt man gern. Am besten machen diese Geschichten das, wofür man als Human Brand steht, erlebbar. Das klappt besonders gut, wenn sie „kindlich“ erzählt werden: Wir alle hören Kindern gerne zu, wenn sie munter von ihren Erlebnissen berichten und dabei große Augen machen. Bei Erwachsenen ist das meistens anders: zu langatmig, zu langweilig, zu uninspiriert. Der markenstarke Influencer hingegen weiß genau, was er will und was er tut – und wie er es mit feinen Storys so verpackt, dass man ihm gern zuhört – und vor allem dann folgt.
4. Konsequent umsetzen: Wahres und mehrwertiges Influencing wird vor allem dann sichtbar, wenn es nicht mehr aufhört – und durch fortwährende, miteinander verzahnte und aufeinander aufbauende Aktivitäten in echtes, nachvollziehbares Handeln mündet. Es macht nämlich nur Arbeit und führt zu nichts, wenn man heute dies sagt und morgen das, planlos zu Aktivitäten einlädt und wahllos Ideen postuliert oder kunterbunt mal dies postet und dann jenes. Die profilierte Human Brand wirkt stringent, und sie ist sich immer bewusst, was sie mit ihrem Handeln bewirkt. Pinnen Sie zudem den Fortgang Ihrer Aktionen an ein Board in Ihrem Büro. Die Arbeit eines Corporate Influencers sollte so öffentlich wie möglich sein.
Brauchen Influencer einen bestimmten Persönlichkeitstyp?
„Den“ Influencer gibt es nicht. Dieses Persönlichkeitsmerkmal ist – so wie alle anderen auch – bei den Menschen unterschiedlich ausgeprägt. Wie wird man aber zu dem, der man ist? Manches hat mit Erziehung zu tun, anderes mit dem gesellschaftlichen oder kulturellen Umfeld, das einen sozialisiert. Auch in der eigenen Verantwortung liegt vieles, was uns als Persönlichkeit ausmacht. Und ja, wir können uns ändern, wenn wir das wollen, zumindest im Rahmen einer Bandbreite und bis zu einem gewissen Punkt.
„Use it or lose it“, so funktioniert unser Gehirn, dieses Wunderwerk von knapp anderthalb Kilo. Was wir wiederholt tun, erzeugt zerebrale „Trampelpfade“, die vorzugsweise begangen werden. So verfestigt sich Denken und Handeln. Neuronale Verbindungen hingegen, die nicht regelmäßig stimuliert werden, verwildern, das heißt, sie entwickeln sich zurück, was bei Fremdsprachen gut zu beobachten ist. Ergo: Auch das Influencing kann, soll und muss man üben, um zu brillieren.
Allerdings gibt es eine genetische Basisdisposition. So sehen manche in jedem „Neu“ eine Verheißung. Andere sehen darin nicht Chance, sondern Gefahr. Derartige Grundeinstellungen werden im Wesentlichen durch Neurochemie dirigiert. Zudem wird mit fortschreitendem Alter die Ausschüttung des aktivierenden Botenstoffs Dopamin reduziert, wohingegen die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol steigt. Dies sorgt für mehr Vorsicht, begünstigt Routinen und mildert in späten Jahren jedes Rebellentum.
Sind Influencer eher extravertiert oder introvertiert?
Jeder Mensch hat Intro- und Extro-Anteile. Die, bei denen diese Anteile in etwa gleich verteilt sind, nennen wir ambivertiert oder Zentros. Meist ist jedoch die eine oder andere Seite (sehr viel) stärker ausgeprägt. Viele glauben, dass Extravertierte als Influencer besser geeignet sind. Doch das stimmt nicht unbedingt. Sylvia Löhken, die sich als Expertin für die „leisen“ Menschen einen Namen gemacht hat, schreibt mir dazu:
„Es gibt verschiedene Gründe dafür, warum auch Introvertierte oft begnadete Influencer sind. Viele Intros denken und handeln sehr unabhängig von anderen Menschen – nicht, weil sie unsozial sind, sondern weil sie Eigenschaften haben, die sie sehr autonom machen. Sie sind weniger als Extros auf die direkte Resonanz anderer Menschen angewiesen. Viel wichtiger ist ihnen, sich in einer Umgebung sicher zu fühlen.
Das ist auch eine Aufforderung an Führungskräfte: Sorgen Sie dafür, dass die Intros in Ihrem Team sich sicher fühlen, wenn sie Änderungen vorschlagen, neue Ideen präsentieren und sich als Influencer einbringen wollen. Das geht erstens durch eine faire Kommunikationskultur. Zweitens helfen Rituale, die gefühlte Sicherheit zu erhöhen: etwa durch schriftliche Vorschläge, die den/die Intro nicht ins Rampenlicht stellen.
Intros neigen auch mehr als Extros zu sehr substanzreichem Denken. Wahrscheinlich gibt es deshalb so viele introvertierte Nobelpreisträger. Last but not least bleiben Intros meistens beharrlich bei einer Sache, der sie sich verschrieben haben, und das ist überaus wichtig. Gute Ideen brauchen oft Zeit und Geduld, um Früchte zu tragen.“
Wesentliche Unterschiede zwischen Intros und Extros
Extros sind nach außen gewandt, sie schätzen neue Erfahrungen und brauchen Aktivität. Sie lassen sich von attraktiven Zielen und dem Reiz des Ungewissen locken. Optimismus und Unbekümmertheit sind ihre Markenzeichen. Ihr Hirn arbeitet schnell. Sie suchen nach Abwechslung und nehmen das Leben leicht. Ihre Disposition sorgt für Pioniergeist, aber auch für unkalkulierbare Risikobereitschaft – und bisweilen für Chaos.
Extros sind ungeduldig, oft auch flatterhaft, rastlos und unzuverlässig. Sie haben ein hohes Mitteilungsbedürfnis und hauen ihre bisweilen nicht ganz ausgegorenen Ideen oft einfach so raus. Solche Lautsprecheraktionen machen sie fragwürdig und wirken sich auf ihr Influencing-Potenzial nachteilig aus. Andererseits wirken sie oft charismatisch, was es ihnen leicht macht, schnell eine große Follower-Schar für sich zu gewinnen.
Intros sind nach innen gewandt, sie schätzen Ruhe und Berechenbarkeit. Sie lassen sich eine Sache sorgfältig durch den Kopf gehen und spielen die möglichen Varianten ausführlich durch. Sie sind zuverlässig, beharrlich und gründlich. Doch sie neigen zur Vorsicht und sind zögerlich, machen sich eher Sorgen und werden bisweilen von Zweifeln geplagt. Aus einem Harmoniebedürfnis heraus halten sie leider oft auch lieber den Mund. So können sie nicht immer zeigen, wie wertvoll sie in Wirklichkeit sind.
Ein vertrautes Umfeld ist für Intros perfekt. Sie mögen Schritt-für-Schritt-Aufgaben – und leisere Varianten der Anerkennung. Bei aufgesetzten Lobattacken werden sie misstrauisch. Öffentlicher Beifall ist ihnen eher peinlich. Dosierter Zuspruch ist das Elixier, das gerade stille, zurückhaltende Menschen beseelt, Mut zu fassen und vollen Einsatz zu bringen. Weil sie fundiert argumentieren und hierdurch sehr glaubhaft wirken, ist ihre sanftere Art und Weise des Influencing vielfach sehr effizient.
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Mehr zum Thema in: Querdenker verzweifelt gesucht. Warum die Zukunft der Unternehmen in den Händen unkonventioneller Ideengeber liegt (Mit einem Vorwort von Gunter Dueck).
Darin geht es nicht um die „Sogenannten“ auf der Straße, sondern um die wahren, echten, konstruktiven Ideengeber und Zukunftsgestalter, die der Menschheit zu allen Zeiten den Fortschritt brachten.