Florian Semle Florian Semle ist Blogger und Unternehmensberater bei Digitale Klarheit. Der ehemalige Journalist und Teamleiter für internationale Agenturen berät Unternehmen zu digitalen Strategien und coacht bei deren Umsetzung. Seine digitalen Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Grimme-Online-Award. Er unterrichtet an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und schreibt zu Social Media und Digitaler Wirtschaft auf verschiedenen Blogs.

Banken und Social Media (2): Transparenz und Dialog als Geschäftsmodell

2 Minuten Lesedauer

Facebook und Twitter gelten bei vielen Banken bereits als Türöffner für das „Next Banking“, der neuen Generation transparenter Finanzdienstleistungen. Doch das ist ein großer Irrtum. Social Media sind „Alter Wein in neuen Schläuchen“, solange die Produkte und Dienstleistungen dahinter weiterhin intransparent, nicht nachvollziehbar und marketinglastig bleiben. Ein echter Paradigmenwechsel steht bei den meisten Bankhäusern nicht hinter der Twitter- und Facebook-Kulisse. Außerhalb der traditionellen Banken hat dieser Wandel längst begonnen.

Banking in der digitalen Gesellschaft geht anders

Die Deutsche Bank hat eine interessante Studie zum Thema digitale Gesellschaft erstellt. Die Untersuchung ist eine faszinierende Zukunftsvision und ein verheerendes Gegenwartszeugnis für die Banken zugleich. Überträgt man die Thesen der Studie – die leider den Finanzbereich ausgespart hat – und weitere Untersuchungen (siehe dazu Literaturhinweise am Ende dieses Beitrags) auf den Bankensektor, dann kristallisieren sich daraus die Erfolgskriterien für Banking in der digitalen Gesellschaft heraus:

1.   Die Machtverlagerung von der Bank zum Kunden: Der Kunde agiert als „souveräner Internet-Bürger“, dessen Zufriedenheit oder Kritik unmittelbar öffentlich wirkt. Die Bank dieser Kunden muss vielmehr Dienstleister sein als reiner Anbieter von Finanzprodukten.

2.   Technik als Service: Die Kunden der digitalen Gesellschaft erwarten auch von Banken eine umfassende und unkomplizierte Durchführung von Finanzgeschäften auf verschiedenen Endgeräten und anhand neuer Netztechnologien. Wer diese Optionen nicht liefert, scheidet als Dienstleister aus.

3.    Kollektives Finanzwissen: Digitale Kunden sind fähig, sich selbst komplexe finanzielle Sachverhalte durch ausgefeilte Such-Tools und soziale Netzwerke zu erschließen. Das Bankgeschäft wird gleichsam „wikipediatisiert“. Banken werden lernen müssen, sich von dem Paradigma der Intransparenz zu verabschieden und mit kompetenten Kunden umzugehen, die besser Bescheid wissen könnten als der Berater vor Ort.

4.   Der Kunde als aktiver Teil des Wertschöpfungsprozesses: Kunden erfahren schon heute in vielen Branchen eine neue, höhere Wertschätzung, sie erhalten mehr Transparenz und Möglichkeiten zur Einflussnahme. Der vernetzte Kunde kann sich im digitalen Zeitalter interaktiv und kooperativ an Wertschöpfungsprozessen beteiligen. Dadurch entstehen neue Wertschöpfungsmuster und neue Geschäftsmodelle.

Der Autor der zitierten Studie, Thomas Dapp, sieht auch, dass die traditionellen Banken die Veränderungen mitgehen müssen, wenn sie nicht den technologischen Anschluss verpassen wollen. Die momentane Haltung der Banken, teilte Dapp uns mit, sei auch Ausdruck großer Vorsicht insbesondere bei sicherheitskritischen Anwendungen. Bislang seien keine Vorreiter aus der Bankenbranche in Sicht. Dapp ist aber überzeugt, dass die Banken die Entwicklungen sehr genau beobachten. Er könne sich auch vorstellen, dass einzelne Häuser bereits an Dienstleistungen arbeiten, üblicherweise wird darüber erst gesprochen, wenn die Leistungen marktreif sind.“

Viele Banken, so erfährt man aus Gesprächen mit der Finanzbranche, rechtfertigen ihr Fernbleiben aus der neuen digitalen Welt damit, dass die Risiken für die Reputation sehr hoch seien. Das ist jedoch bei näherer Betrachtung ein Scheinargument: Banken und ihre Geschäftspraktiken sind bereits jetzt Thema im Social Web und werden es in Zukunft noch viel stärker sein. Eine Vogel-Strauss-Taktik ist extrem riskant, weil Banken damit auf jede Einflussmöglichkeit verzichten und die user-generierte Reputation einfach hinnehmen muss.

Das „Problem“ mit der Kritik aus der Netzgemeinde ist unseres Erachtens mehr eine Frage der Perspektive – kein wirkliches Risiko. Über Social Media werden Probleme sichtbar und veränderbar, die schon bisher existierten aber nicht sichtbar wurden. Social Media sind wie Seismographen, mit denen bisher unkontrollierte Risiken gemanagt werden könnten. Wird jedoch Kritik der Kunden nur als Belastung gesehen, nicht als Chance zur Identifikation und Beseitigung von Missständen, sind Banken geradezu dazu verurteilt, im klassischen Einweg-Marketing zu verharren und von neuen Medien und Kommunikationsmitteln abgehängt zu werden.

Die Bankbranche befindet sich im Frühstadium des offenen Kundendialoges. Wichtig ist es jetzt, aus den Pilotversuchen die richtigen Schlüsse zu ziehen und mit der Gestaltungsmacht von Social Media Veränderungen in der Dialogkultur herbeizuführen – nicht nur im Marketing.

Dieser Wandel hat die klassischen Bankhäuser bisher nicht erreicht. Die digitale Gesellschaft findet im traditionellen Finanzwesen nicht statt. Oder doch? Am kommenden Montag werden wir die beginnende Revolution der Bankwelt beleuchten.

Die Autoren: Dirk Elsner ist Ökonom, arbeitet für die Unternehmensberatung Innovecs. Er ist mit seinem privaten Blog Blick Log einer der einflussreichsten Wirtschaftsblogger im deutschsprachigen Internet. Dirk und unser Autor Florian Semle werfen in einer vierteiligen Blogreihe gemeinsam einen Blick auf den Stand der Social Media im Bankwesen und den Perspektiven für die Zukunft. Im zweiten Teil der Reihe zeigen sie die neuralgischen Punkte klassischer Banken im Umgang mit Social Media.

Florian Semle Florian Semle ist Blogger und Unternehmensberater bei Digitale Klarheit. Der ehemalige Journalist und Teamleiter für internationale Agenturen berät Unternehmen zu digitalen Strategien und coacht bei deren Umsetzung. Seine digitalen Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Grimme-Online-Award. Er unterrichtet an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und schreibt zu Social Media und Digitaler Wirtschaft auf verschiedenen Blogs.

8 Replies to “Banken und Social Media (2): Transparenz und Dialog als…”

  1. Eine gute Zusammenfassung der aktuellen Geschehnisse, die sich mit Blick auf die Mitte der Banken eher nach innen geschlossen abspielt. Das ist schade, der Dialog mit neuen Stakeholdern wird nicht offen geführt, offebar befürchtet man, dass die eigene Produktphilosophie ins Erodieren kommen könnte. Angesichts der existenten Zielkonflikte zwischen Kunde und Bank freilich nachvollziehbar. Untermauert wird diese Einschätzung auch dadurch, dass die Banken noch stärker als früher auf exklusiv auf „Hausprodukte“ setzen, wie soll da der Dialog via Social Media gelinge, wo doch dort die Nutzer mit am Regiepult sitzen. Hier wird noch mancher Stein den Berg heraufrollen, und mancher Prophet im eigenen Land auf Granit beißen, bis die Philosophie: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold ein Auslaufmodell darstellt. Aber das Internet ist in der Lage, hier nicht nur als Korrektiv in Richtung Kundenorientierung zu fungieren, sondern auch neue Geschäftsmodelle bottom-up zu kreieren, die die Top Downs dieser Welt zum Nachdenken anregen.    

    1. Genau. Die Konflikte und Schwierigkeiten der Institute mit
      dem Social Web sind nicht nur eine Folge des Internet, sondern vor allem der
      langen Abschottung der Branche. Deshalb kann es auch gar keine Lösung sein,
      sich weiter gegen den digitalen Wandel einzuigeln, weil sich der Konflikt damit
      nur weiter verschärft.  
      Allerdings sind Innovationen hier meiner Meinung nach alles andere als trivial: Für New
      Banking muss man genau genommen mehrere Kompetenzen intern und extern zusammen
      führen und die notwendigen Veränderungen sind ziemlich substantiell, weil sie in meinem Verständnis nicht nur Kommunikation, sondern mittelfristig Geschäftskonzepte;
      Kultur, interne Prozesse etc. betreffen. 

      1. Stimme den beiden Vorrednern, sagt man so im kollaborativen 4. Industriezeitalter, gerne zu. Aber auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt, nobody is perfekt, weder die Nutzer noch die Bank. Aber der damit verbundene Kulturwandel ist gravierend, ich werde demnächst auf T3N (Ausg. 27, ET 29.02.) die personalseitigen Voraussetzungen dazu beschreiben, wie ich also die neuen Qualifikationsprofile sehe.

        Denn eines ist klar, nur Leute mit betriebswirtschaftlich glatt gebürsteten Lebensläufen einzustellen, die sich nicht trauen, auch nur einen kleinen Schritt zur Seite zu machen, werden das kommunikative Zeitalter nicht erfolgreich bewältigen. Oder anders ausgedrückt: Wer hier mit klassischen ROI-Kennzahlen operiert, der sollte den spitzen Bleistift lieber in der eigenen Mentalität ansetzen. Die Banken sind hier sicherlich nciht anders als viele andere Unternehmen, jedoch haben sie durch Öffnung mehr zu verlieren (Margenschrumpfung, darum sollte man nicht herum reden) als andere. Genau da liegt der Hase im digitalen Pfeffer begraben…       

      2. Sehr spannendes Thema. Silo-Denker werden niemals effektiv im Social Web arbeiten können. Bin gespannt!

  2. @Lothar Lochmaier

    Es ist in der Tat so, dass sich viel hinter verschlossenen Türen bei den
    Instituten abspielt. Aber vielleicht passiert hier sogar mehr als wir denken.
    Dies jedenfalls könnte eine optimistische Interpretation der Aussagen von Thomas
    Dapp sein. der ja sagt, Banken sprechen erst über Neuigkeiten, wenn diese
    marktreif sind. Dieses Vorgehen liegt damit ganz klar in der Tradition des
    klassischen Paradigmas. Kunden in den Leistungserstellungsprozess oder gar in
    die Produktentwicklung einzubeziehen ist (noch?) zu revolutionär für das
    Banking.
     

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