Anika Geisel Anika Geisel arbeitet im Policy Team von Facebook in Berlin. Zuvor war sie als Senior Consultant bei der Eck Consulting Group für die Konzeption und Betreuung integrierter Onlinemaßnahmen zuständig. Anika Geisel besitzt einen Master in „Medien und Kommunikation“ und schreibt im PR-Blogger über Themen wie Online-Kommunikation, Organisation, Krisenkommunikation sowie Blogger Relations. Privat bloggt sie über die Formel 1 aus Frauensicht.

Setzen 6! Krisenkommunikation im Social Web

4 Minuten Lesedauer

Wer die Krise online vermeiden und nicht den Kopf in den Sand stecken will, sollte sich aktiv um seine Issues kümmern und über ein Social Media Monitoring, intensiv seinen Kunden zuhören. Im Social Web kann bereits eine einzige Aussage die Reputation eines Unternehmens beeinflussen. Mit einem kurzen Facebook Statusupdate hat beispielsweise TelDaFax vergangene Woche ein klassisches Eigentor gelandet und versucht, Kommunikation zu vermeiden: „Leute, die Seite ist echt nicht der geeignete Platz für Beschwerden und Kundenanliegen“. Das war ein netter Versuch, aber überhaupt nicht zielführend. Das Unternehmen hatte wohl nicht mit der Macht der Onliner gerechnet, die sich keinesfalls vorschreiben lassen, über was – oder besser gesagt, über was nicht – gesprochen werden darf.  Noch aggressiver hat sich Euroweb im Fall Nerdcore gegenüber Influencern verhalten:

„Euroweb Group: Neue Erfahrung für Blogger: Blogbetreiber verliert seine Domain nerdcore.de“ (siehe PR-Blogger)

Das ist keine Krisenkommunikation, sondern trägt sogar zur Eskalation des Issues bei.

Wer in Social Media kommuniziert, muss damit umgehen können, dass er die Kontrolle über die eigenen Inhalte ein Stück weit verliert. Das gilt für Unternehmen wie Privatpersonen gleichermaßen. Plötzlich ist jede meiner Aussagen für ein Millionenpublikum nur einen Mausklick entfernt. Nur mit einem entsprechenden Notfallplan kann es gelingen, einer Krise im Netz souverän zu begegnen und am Ende sogar gestärkt in der Öffentlichkeit zu stehen.

Neue Kommunikationskanäle sorgen für Transparenz

Fast zu bedauern sind Unternehmen, die in letzter Zeit die Macht des Social Webs gespürt haben. Ob nun Euroweb, die Deutsche Post, Nestle oder nun TelDaFax, sie alle haben beim Krisenmanagement Schwächen gezeigt. Auch das Beispiel Stuttgart 21 zeigt sehr deutlich, wie wichtig es ist, Projekte, Themen und Unternehmensnachrichten kommunikativ zu begleiten und dabei nicht nur die klassischen Medien zu bedienen. Das Bauprojekt rund um den Stuttgarter Bahnhof rief die Menschen auf die Barrikaden; selten war die wahrgenommene Distanz zwischen Bürgern und Politik so groß wie jetzt. Oder auch der Fall Guttenberg, den letztlich die Netzgemeinde zum Rücktritt brachte. Die Geschwindigkeit des Internets offenbart sich vor allem durch neue Kommunikationsmedien wie Twitter, Facebook und YouTube, die eine Krise befeuern, Bilder liefern und letztlich Transparenz herstellen.

Ist der Ruf erst ruiniert…

Krisenkommunikation ist mit Sicherheit eine der schwierigsten Kommunikationsdisziplinen überhaupt. Denn es steht viel auf dem Spiel: der gute Ruf, die Reputation und letztlich bares Geld. Unternehmen, die falsch reagieren, drohen fatale Folgen. Im schlimmsten Fall können sie dadurch in den Ruin getrieben werden.

Allerdings gibt es Kommunikationskrisen nicht erst, seitdem es Social Media gibt. Unternehmen machen Fehler, es gibt Unfälle und unvorhergesehene Entwicklungen – nichts davon ist neu. Verändert haben sich nicht die Anlässe. Vielmehr ändert sich die Art und Weise, wie sich Krisen verbreiten – der Faktor Zeit gewinnt enorm an Bedeutung.

Die Onliner sind in der Überzahl

Das Internet ist ein Durchlauferhitzer für Gerüchte, Risiko- und Krisenthemen. Im Social Web kann jeder seine subjektive Sicht der Dinge publizieren, Meinungen und Emotionen stehen oftmals dabei im Vordergrund. Plötzlich bekommt jeder eine Öffentlichkeit. Konsumenten sind mündig, sie haben eine öffentliche Stimme und hohe Erwartungen an Unternehmen. Sie wollen ernst genommen und gehört werden. Über neue Social Media Kanäle können sie sich vernetzen; Erfahrungen und Meinungen austauschen – und dadurch können brisante Issues für Marken entstehen.

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen?

Die neue Transparenz stellt Unternehmen vor eine große Herausforderung. Die Vogel-Strauß-Taktik, den Kopf in den Sand zu stecken, also abwarten, wegschauen und nichts kommentieren, funktioniert nur noch selten. Früher konnte man Missstände ignorieren, Probleme einzelner unter der Hand klären. Durch Social Media bekommt jeder eine Stimme (auch wenn nicht alle gleichermaßen gehört werden).

Zuhören als neue Aufgabe der Kommunikation

In Unternehmen kommt vor allem der Rolle des Kommunikators eine entscheidende Rolle zu. Denn es ist eigentlich die Aufgabe der Kommunikation, solche Krisenherde im Netz aufzuspüren und adäquat zu reagieren. In der Theorie wohl gemerkt. Konzepte für eine Krisen PR 2.0 haben leider die wenigsten in der Schublade versteckt. Ziemlich fahrlässig möchte man meinen, doch die meisten erklären dies mit dem Argument: „Social Media ist doch sowieso nur so ein Hype“. In Anbetracht der Masse an Onlinern und der zahlreichen Beispiele, in denen Krisen aus dem Social Web in die klassischen Medien übergesprungen sind, lässt diese Aussage ein wenig den Bezug zur Realität vermissen.

Viel wichtiger als die Diskussion um die Bedeutung von Tools, ist es jedoch zu begreifen, dass Social Media ganz grundsätzlich einen Veränderungsprozess angestoßen hat. Weg von der 1:many Kommunikation, hin zu 1:1 Online-Kommunikation. Menschen wollen nicht mehr mit anonymen Marken kommunizieren, anstatt mit Maschinen wollen sie mit Menschen in Dialog treten.

Am Kundenmanagement trennt sich die Spreu vom Weizen

Der Blick in die Bewertungsportale für Hotels, Lehrer, Ärzte oder die Gastronomie gehört heutzutage zur Normalität. Doch die wenigsten Unternehmen erahnen, was das für sie bedeutet. Persönliche und positive Empfehlungen sind wichtig, genauso wie individuelle Ansprechpartner und unmittelbare Reaktionen. Das Kundenmanagement 2.0 von Unternehmen wird in Zukunft in allen Branchen ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg sein. Dazu gehört, Kunden zu Befürwortern zu machen – im Gegenzug aber auch auf Kritik und negatives Feedback unmittelbar zu reagieren. Vertrauen ist die wichtigste Basis für Krisenarbeit. Vertrauen muss hart erarbeitet werden, genauso schnell wird es jedoch leichtsinnig verspielt. Unternehmen, die sich dabei aktiv und souverän im digitalen Netz bewegen, haben einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Eine Krise bedeutet im Grunde genommen zunächst einmal nichts anderes, als den Verlust von Kontrolle aufgrund von öffentlichen Reaktionen. Diese öffentlichen Reaktionen sind heute mehr denn je sichtbar. Deswegen zählt in erster Linie, dass Kommunikatoren gut vernetzt sind – sowohl in der Offline- als auch in der Online-Welt. Wobei letzterem natürlich eine ganz besondere Rolle zukommt. Früher pflegte man als Pressesprecher die Kontakte zu den wichtigsten Journalisten. Heute hat sich die Liste spürbar verlängert. So genannte Influencer, also Menschen, die in ihrem jeweiligen Fachgebiet eine relevante Reichweite erreichen, gewinnen an Bedeutung. Als Unternehmenskommunikation muss ich diese Menschen kennen, denn durch sie bekommen Nachrichten erst Gewicht und Reichweite.

Im richtigen Moment angemessen reagieren

Krisenkommunikation bedeutet vor allem eines: schnell zu reagieren. Gleichsam ist es wichtig, im richtigen Kontext zu antworten, den richtigen Ton zu treffen und auf Augenhöhe zu kommunizieren. In erster Linie gilt es, möglichst schnell präsent zu sein und sich an der Diskussion zu beteiligen – um nicht anderen die Meinungs- und Beurteilungshoheit zu überlassen. Konsumenten und Onliner wissen, Probleme passieren überall. Es geht nun vielmehr darum, sie als Menschen ernst zu nehmen und Ihnen Antworten zu liefern.

Es geht schneller als früher um die Reputation eines Unternehmens und um Transparenz und Offenheit bei der Bewältigung des Problems. Ziel von Unternehmen muss es sein, ihr Profil in der Öffentlichkeit zu schärfen und klare Positionen zu verfolgen; sowohl intern als auch extern. Dies gelingt durch den Einsatz von Personen, die als Markenbotschafter für das Unternehmen in Interaktion treten. Und dies geschieht durch Begeisterung – Begeisterung von Mitarbeitern, die diese nach außen tragen und weitergeben.

Strategie(los)?

In Zukunft wird entscheidend sein, dass Unternehmen nicht kopf- und planlos im Social Web agieren, sondern integriert mit allen Bereichen und auf allen Kanälen. Das impliziert einen Change Prozess im Unternehmen, um alle Mitarbeiter für einen souveränen Umgang im Social Web zu sensibilisieren und die Chancen und Risiken aufzuzeigen. Dazu gehört aber auch, dass Verantwortlichkeiten und Strukturen im Unternehmen geschafften werden, um im Falle einer Krisensituation überhaupt reagieren zu können. Ein typischer Krisenauslöser ist der zu sorglose Umgang von Arbeitnehmern in der digitalen Öffentlichkeit. Wenn Unternehmen nach innen gut aufgestellt sind, haben sie einen ganzen Chor an zufriedenen Mitarbeitern, der ein aktives Monitoring für die Marke oder das Unternehmen betreibt. Eine Social Media (Unternehmens)-Strategie, die vom Top-Management abgesegnet und befürwortet wird, ist ein erster Schritt, um nicht in digitales Fahrwasser zu geraten und in den virtuellen Fluten zu ertrinken.

Bildquellen: Shutterstock

Anika Geisel Anika Geisel arbeitet im Policy Team von Facebook in Berlin. Zuvor war sie als Senior Consultant bei der Eck Consulting Group für die Konzeption und Betreuung integrierter Onlinemaßnahmen zuständig. Anika Geisel besitzt einen Master in „Medien und Kommunikation“ und schreibt im PR-Blogger über Themen wie Online-Kommunikation, Organisation, Krisenkommunikation sowie Blogger Relations. Privat bloggt sie über die Formel 1 aus Frauensicht.

16 Replies to “Setzen 6! Krisenkommunikation im Social Web”

    1. Issues sind natürlich Themen, mit denen sich Unternehmen konfrontiert sehen. Aber Themen können positiv oder negativ sein, während ich finde, dass der Begriff Issue mit einem Problem oder Kritikpunkt gleichgesetzt wird.

      1. Vielleicht sollte man dann immer gleich die individuelle Interpretation von Begriffen mitteilen? Deine Definition ist jedenfalls alles andere als zwingend. Wer „Problem“, „Thema“, „Aspekt“ etc. meint, kann ja auch „Problem“, „Thema“, „Aspekt“ etc. schreiben. Das Deutsche ist hier viel differenzierter.

  1. Schöner Beitrag, Anika! Zu TelDaFax allerdings noch eine Anmerkung: Das ist ein wunderbar abschreckendes Beispiel, wie Social Media-Kommunikation nicht geht. Einfach dichtmachen, weghören und Probleme aussitzen wollen klappt nicht, dafür sind die Nutzer zu emanzipiert, zu kritisch. Mittlerweile hat sich TelDaFax für die Arroganz des Posts entschuldigt und nach dieser Ignoranz Besserung gelobt. Allerdings zeigt sich hier, ohne eine Strategie geht es nicht. Und zur Strategie gehört nun einfach mal zu überlegen, ob die Marke fit für die sozialen Netzwerke ist. TelDaFax`s Produkte haben Mängel, zweifelsohne. Und die lassen sich einfach nicht gut vermitteln, erst gar nicht mit mustergültiger Social Media-Kommunikation wettmachen. Hier heißt es also: zurück auf Anfang und das Engagement überdenken. Die Marketingexperten sollten zuerst noch mal an die Produktpolitik ran und die Mängel beseitigen. Es reicht nicht, den Nutzern jetzt erweiterte Kontaktmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Produkte müssen sich vermitteln lassen.

    Mein kurzer Beitrag dazu:

    http://www.medientrainerblog.de/2011/02/der-heldenhafte-pr-gag-und-der-social-media-gau.html

  2. Eine gute Zusammenfassung. Doch fehlt es wirklich an Tiefe. Das Thema ist nicht neu. Derlei Artikel finden sich zuhauf. Geändert hat sich noch nicht viel in den Unternehmen. Nur die Social Media-Praktiker klopfen sich immer wieder auf die Schulter und beglückwünschen sich jahrelang zu den selben Erkenntnissen: Dialog! Transparenz! Vernetzte und abgestimmte Kommunikationsstrukturen, etc. Ein Buch jagt das andere…und in den meisten steht unter dem Strich das Selbe.

    Wieso hat sich noch keiner gefragt, warum es bis heute bei der unternehmerischen Masse nicht angekommen ist? Ich bin selbst operativ wie auch in meiner Promotion zu dem Thema tätig und ich glaube, hier sollte man ansetzen. Es wird Zeit, einen Schritt weiter zu gehen. Sonst brauchen all die Social Media-Experten auf dieser Welt bald ihre eigene Krisenkommunikation.

    „Nihil novi sub sole“ – Nichts Neues unter der Sonne. Leider.

  3. Hallo Anika, „dass er die Kontrolle über die eigenen Inhalte ein Stück weit verliert“ – klingt, als würdest du als Ausgangspunkt der Gedanken „Magazin“ nehmen, was ja weder normale Webseiten noch Kommuniktionsplatformen sind.

  4. Ein Problem in der SM-Kommunikation hat der Text nicht ganz richtig dargestellt: Der Wechsel von der 1:many-Kommunikation geht nicht zur 1:1-Kommunikation, sondern zur many:many-Kommunikation. Das macht vielen Angst, weil viel weniger kontrollierbar.
    Ich meine damit nicht, dass Unternehmen unbedingt einen Kontrollzwang haben (sicher auch), sondern dass Kommunikation auch zwischen Kunden/Konsumenten läuft, dann nicht mehr mit, sondern über ein Unternehmen. Im besten Fall arbeitet diese Kommunikation für ein Unternehmen (im Falle von Empfehlungen), im schlimmsten Falle dagegen – nur: dazwischen ist nicht viel. Kaum jemand twittert: „Das Produkt xy ist so lala“. Entweder jemand ist begeistert und will das mitteilen, oder er/sie ist enttäuscht und will das mitteilen. Das macht diese „neue“ Form von Kommunikation so problematisch.

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