Jenseits der Wortartistik bewegt sich meiner Ansicht nach Detlef Guertler, der in seinem Taz-Blog "Wortistik" CEO-Blogs verteufelt und dabei in die unterste Schublade greift:
"Und wenn Siemens-Chef Klaus Kleinfeld seit seinem Amtsantritt vor 18 Monaten ein CEO-Blog im Intranet führt, dann will er damit den Kulturwandel (Scheiß auf Deutschland, her mit der Rendite) und den neuen Führungsstil (Leistungsdruck und Prangersystem) transportieren.Für dieses Bezugssystem ist das auch nichts anderes als vor siebzig Jahren eine via Volksempfänger übertragene Führerrede." (CEO-Blog)
Am liebsten würde Guertler so manche CEO-Blogs umbenennen in "Leaderbuch", "CEO-Bibel" oder "Blopaganda". Er traut den Unternehmen und ihren Entscheidern nicht zu, sich wirklich auf eine offene Kommunikation jenseits eines starren Führungsstils einzulassen und sieht in den CEO-Blogs letztlich nur wieder alten Wein in neuen (Blog-)Schläuchen. Dabei bieten Blogs die Chance, eine andere Form der Kommunikation zu wählen. Das zeigt nicht zuletzt gerade das Beispiel Siemens:
So berichtet Klaus Kleinfeld, der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, seit Ende Februar 2005 einmal in der Woche in seinem internen Blog CEO Corner über neue Technologien, Trends und Innovationen. Sein Intranet-Blog stößt auf sehr positive Resonanz. Laut Unternehmensangaben wird das CEO Corner von bis zu 30.000 Mitarbeitern im Monat besucht. Es erzielt rund 1.000 Visits pro Tag. Damit erreicht Kleinfeld mehr Leser als viele externe Business Blogs. Beinahe jeder Blog-Artikel wird von den Mitarbeitern bis zu 70-mal kommentiert. Kleinfeld reagiert darauf mit direkten Blog-Kommentaren, die deutlich machen, wie ernst er die neue Kommunikationsform nimmt. Von einem Prangersystem kann also keine Rede sein…
Klaus Eck
technorati tags:CEO, Blogs, Unternehmensblogs, Business, Corporate, Siemens
Werter Kollege,
nicht Kleinfelds CEO-Blog ist das Pranger-System (wobei es schnell dazu werden kann, wenn sich tatsächlich ein Siemensianer trauen würde, dem Chef via Blog-Kommentar eins überzubraten). Der Begriff „Pranger“ bezieht sich Kleinfelds berüchtigtes Ampelsystem und ist in diesem Zusammenhang auch schon mehrfach verwendet worden.
Wichtig war mir festzuhalten, dass es zwar möglich ist, mit einem CEO-Blog eine offene Kommunikation von oben nach unten zu schaffen, aber prinzpiell unmöglich, diese Offenheit auch umgekehrt zu erreichen. Dass es sich deshalb grundsätzlich darum handelt, irgendwelche Positionen von nach unten zu vermitteln – und dafür ist das Weblog heute ein genauso geeignetes Mittel, wie es früher der Volksempfänger war.
Das Bild eines Volksempfängers halte ich dennoch nicht für besonders geeignet und sogar ein wenig problematisch, um CEO-Blogs zu kennzeichnen. Im Unterschied zur damaligen Einbahnstraßenkommunikation ermöglichen Blogs nun einmal die direkte Antwort via Kommentar oder eigenen Blog-Beitrag. Ob sie tatsächlich immer so in den Unternehmen genutzt werden, das steht natürlich auf einem anderen Blatt.
Inzwischen hat Siemens auch einen Versuch mit einer Corporate-Blog-Plattform gestartet, auf der nicht nur der CEO, sondern auch andere Mitarbeiter bloggen. Insofern tut sich in der Unternehmenskommunikation durchaus etwas.
Ich weiss nicht ob Du Zugang hast zum Kleinfeld-Blog und vielleicht ist es auch schwer über etwas zu schreiben, was man nie gesehen hat…
Die Fakten die hier stehen stimmen nicht. Die Mehrheit der Einträge sind unkommentiert, eine wöchentliche Aktualisierung findet nicht statt. Es gibt einen Eintrag mit 62 Kommentaren und ein paar aktuellere mit einmal 20 und zwei mal 10 Kommentaren. Ansonsten einstellig bis nicht kommentiert.
Die stark kommentierten Einträge sind Themen, die stark und kritisch durch die Presse gehen.
Detlef Guertler hat mit dem was er schreibt schon recht…
Natürlich ist ein Blog von oben zunächst mal „Blopaganda“ (der Begriff gefällt mir sehr gut!). Das liegt aber weniger an der Technologie als an eingefahrenen Denkstrukturen. Und dabei meine ich nicht nur die Denker der Vorstandsetagen, sondern genauso auch jeden anderen Mitarbeiter, der genauso in bestimmten Denkstrukturen gefangen ist. Nichtsdestotrotz bieten Blogs immerhin eine Chance zur Aufweichung altbekannter Grenzen.
Einen möglichen Durchbruch könnten Blogs erreichen, die „von aussen“ über eine Firma berichten und kommentieren. Man kann sich zwar auch gut hinter der dort vorhandenen Anonymität verstecken (Feigheit vor dem Feind?), aber man kann eben auch einigermaßen offen und ohne feudale Hemmungen Meinungen kundtun. Solange da Nichts unter die Gürtellinie geht, sollten kritische Blogbeiträge eher als Chance aufgefasst werden, endlich verkrustete Kommunikationsstrukturen sozusagen durch die Hintertür zu umgehen. Leider zeigen Fälle wie der der „Petite Anglaise“ eher, daß Kritik oder auch nur harmloses Geplauder als Gefährdung der Hierarchie begriffen wird.
Im Vergleich dazu ist ein Siemens Chefblog schon ein Fortschritt.
„Einen möglichen Durchbruch könnten Blogs erreichen, die „von aussen“ über eine Firma berichten und kommentieren.“
… so wie die Seite http://www.nci-net.de ? Sie berichtet kritisch über Siemens und kann aus dem Siemens-Netz nicht (mehr) erreicht werden.
Es gibt international inzwischen zahlreiche Beispiele für Corporate Blogs, die von Mitarbeitern anonym verfasst werden. Meistens reagieren Unternehmen darauf allergisch. Allerdings zeigt Beispiele von nci-net, dass es ein großes Bedürfnis nach mehr Kommunikation in den Unternehmen gibt.
Bei den Zahlen habe ich mich an Medienberichten orientiert. Deshalb kann ich nicht behaupten, dass sie besonders valide sind. Andererseits gibt es keine bislang nachvollziehbare Darstellung anderer Statistiken. Für den internen Erfolg spricht zumindest die lange Betriebsdauer des Siemens-CEO-Blogs sowie die Ausweitung der Blog-Aktivitäten bei Siemens. Natürlich würde ich mich freuen, wenn ich offizielle Zahlen von Siemens direkt erhalten würde…
… ja, stimmt. Etwas wie NCI-Net ist in Zeiten von starken Veränderungen sehr wichtig. Intern hört man nur Chancen, keine Risiken. Eine ausgewogene Berichterstattung wäre meiner Meinung nach insgesamt förderlicher und würde mehr Vertrauen schaffen (wenn man das überhaupt will).
Und es gibt so was wie ein Siemens-internes blogger.de. Es ist international und man kann auch schon das ein oder andere Blog finden.
Das ist eine schöne Sache. Aber Kritik wird im Konzern trotzdem nur dann gesprochen bzw. gepostet, wenn man sich unbeobachtet fühlt und ich denke, dass ist in jedem Unternehmen so und auch nachvollziehbar. „Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing…“
Es ist übrigens offen, ob der Siemens-Chef wirklich selbst bloggt. Man kann es nämlich nicht wirklich glauben.
Naja, wie gesagt, solche Blogs von Außen (Mitarbeiterblogs) sind eine _Chance_, mehr nicht. Viel zu viele Unternehmen und Manager begreifen Sowas eher als Gefährdung ihrer Allmacht. Witzigerweise ist da sogar was dran. Aber das würde der Gemeinschaft (Firma) eher gut tun.
Womit wir beim Thema „Vertrauen“ wären. Das Unternehmen, dass seinen Mitarbeitern Vertrauen entgegenbringt, wird auch Vertrauen ernten. Gegenbeispiele gibt es genug, aber auch einige auf der Positivliste. Keine Ahnung, wie das interne Netz bei Siemens aussieht, aber technische Möglichkeiten ließen eine Rückverfolgung der Kommentatoren sicher zu (Achtung: Paranoia;) ) Insofern wird der kritische Mitarbeiter, der seiner Führung Selbstkritik und moderne Mitarbeiterführung nicht zutraut, wohl eher seine Anmerkungen zurückhalten und lediglich bei mutmaßlich ungefährlichen Themen mitmachen.
Namensfindung für CEO-Blogs erwünscht? Suchen Sie sich was aus:
1. Führerbunker
2. Bossa Nova
3. Chefsessel
4. Mir nach!
5. Read my Lips
6. OO = Oben Ohne
… usw.
Vorschlag zur Versachlichung: der CEO eines Weltunternehmens wie Siemens kann natürlich eine neue Kommunikationsmöglichkeit auch einfach ignorieren, dann wären ihm allerdings ebenfalls negative Kommentare gewiss. Das er dieses Tool nutzt ist absolut begrüssenswert, nur kann eine neue Technik nichts an bestimmten Kommunikations-Strukturen ändern: eine „basisdemokratische“ Diskussion zwischen 1 CEO und 200.000 Mitarbeitern ???? Wie bitte sollte denn das gehen ? Mit einer 50köpfigen Stabsabteilung aus „CEO-Ghost-Bloggern“ ? Sollte der CEO vielleicht einfach nur noch Kommentare schreiben und die Konzernführung jemand anders überlassen? Sorry, aber es gibt auch ganz banale zeitliche Restriktionen in der Position, an der kann auch das allerneueste Kommunikationsinstrument nichts ändern. Das schmälert doch nicht den Verdienst, mit einem solchen CEO-Blog a. viele Mitarbeiter überhaupt an diese Kommunikationsform heranzuführen (nein, nicht jeder weiß heute schon was „bloggen“ ist) und b. ist das was dieser CEO-Blog macht mehr als bei vielen anderen vergleichbaren Unternehmen, die nämlich – nichts machen.
Die Zahlen, die Insider genannt hat, kann ich bestätigen, die Beiträge von Klaus Kleinfeld werden nicht wöchentlich aktualisiert, auch die Zahl der Kommentare zu den einzelnen Blog-Beiträgen ist für gewöhnlich gering. Die Themen, die Kleinfeld anreißt sind meist harmlos und daher kaum kontrovers zu diskutieren.
Eine offene Kommunikation kann in diesem Blog schon allein deswegen nicht stattfinden, weil die Mitarbeiter nur unter Angabe ihres vollen Namens und ihrer E-Mail-Adresse posten können, und dieses Posting auch noch per E-Mail bestätigen müssen, um ganz sicher zu gehen, dass hier keine falschen Angaben gemacht werden.
Wenn man sich die Kommentare dann ansieht, wird man natürlich feststellen, dass die meisten Kleinfelds Theorien begeistert bestätigen. Über ihre Motive kann man nur spekulieren.
Kritische Antworten auf seine Blogs mag Herr Kleinfeld nicht besonders. Auf eine kritische Stellungnahme zu seinem Beitrag über den Nokia-Deal hat er prompt mit einem weiteren Blog-Eintrag reagiert: „Ein solch großer Schritt für unser Unternehmen und unsere Mitarbeiter muss in seiner positiven Auswirkung erklärt werden, denn er lädt auch zu negativen Interpretationen ein, vor allem bei denjenigen, die nicht verstehen (wollen), dass dies eine herausragende Gelegenheit ist, uns für die Zukunft zu stärken und Erfolg sicherzustellen.“ Auf gut Deutsch: wenn man sich kritisch äußert, wird man als jemand abqualifiziert, der nicht verstehen kann (oder will).
Wenn man sich also nur positiv äußern soll, was ist dann der Sinn eines solchen Blogs?
Siemens gegen Siemens
Irgendwie passts zum aktuellen Thema hier im Blog: Klaus Kleinfeld ist einer von ganz wenigen deutschsprachigen Konzernchefs mit eigenem Blog – weil er mit seinen Mitarbeitern reden wollte. Stellt sich nun die Frage wie lange noch?
Gerade Sie, H…
Hallo,
typisch Googlability: nach „blogpaganda“ und „blopaganda“ (ohne g) gesucht, dann hier gelandet. Das konkrete Thema mag seit 08/2006 zumindest hier in dieser Kommentarleiste durch sein, aber das Prinzip ist nach wie vor aktuell: Wie aufrichtig/fair/offen/authentisch ist die Weblog-Kommunikation von Organisationen, top-down und bottom-up, intern wie extern? Eine spannende Frage, die hier leider nicht final geklärt werden konnte. Eine Fragestellung für ganze Dissertationen, mindestens. Aber der CEO-Blog allgemein abgestempelt als Volksempfänger? Der Vergleich hinkt doch sehr. Kleinfeld (oder sein Chief Blogging Officer?) bloggt mit aktiver Kommentarfunktion. Im Gegensatz dazu waren sowohl die Technik als auch die Ideologie hinter dem Volksempfänger nicht auf Dialog ausgerichtet. Zudem wird wohl kein Siemensianer erschossen werden, wenn er einen „Feind-Blog“ liest … Von der ach-so-linken taz, die ihre Kunden p.c.-konform als „LeserInnen“ anschreibt, hätte ich mehr political correctness und vor allem political knowledge erwartet.
-Stefan Kirsch-