"Jeder Mensch ist kreativ“ –
darin waren sich alle vier Teilnehmer der gestrigen Podiumsdiskussion zum Thema
„Kreativität – gewichtig oder ganz nett,
gottgegeben oder gelernt?“ einig. Mit einem sehr kreativen Einstieg der Moderatorin, Diana Michnay vom kressreport, wurde das Thema auf der gestrigen Mediennetzwerkveranstaltung in München recht theoretisch diskutiert.
Jörg Reiman, Bereichsleiter Marketing Innovations- bei BMW, erklärte kurz die Methoden des kreativen Prozesses in seiner Abteilung. Durch klassische
Kreativitäts-Techniken, aber auch individuell angepasste Strategien entwickelt
sein Team innovative Ideen, mit denen eingefahrene Strukturen im Unternehmen
aufgebrochen werden sollen. „ Ein Unternehmen muss immer versuchen auch über
den Tellerrand zu schauen“, lautete die Kernbotschaft, die er als einziger Vertreter der Agentur-Kunden in der Diskussionsrunde einnahm. Die Geschäftsführerin von Büro Gelb Angelika
Schmid stimmte seiner Meinung im Bezug auf Kreativitätsentwicklung nicht zu. „Ich halte
prinzipiell nichts von Techniken“, so Schmidt. Für sie
bedeutet Kreativität komplett freies Arbeiten. Ihre Mitarbeiter zeigten sich
deshalb auch von ihrer kreativen Seite und fuhren leere Tüten, Dosen und Pakete mit dem Aufdruck „Nichts“ herum. Dabei sorgten die gelben Damen und Herren mit der
Frage „ Sie möchten bestimmt Nichts kaufen, oder?“ zwar für einiges Schmunzeln der Besucher, allerdings erklärten sich nur
wenige bereit für Nichts mal eben schnell 2 Euro locker zu machen.
Am Beispiel des Kunden Burger King erklärte der Geschäftsführer der
Werbeagentur Start Advertising Thomas Pakull, wie wichtig es ist, dass
die
Ideen für Kampagnen bereits im Ideenfindungsprozess mit den Vorstellung
des
Kunden abgeglichen werden. Seiner Meinung nach machen viele Agenturen
den
Fehler, Ideen zu entwickeln, mit der sich der Kunde nicht
identifizieren kann.
Pakull, der gleichzeitig im Vorstand des Art Directors Cup ist,
forderte jeden
Einzelnen im Raum und somit auch die Unternehmen auf mehr Mut zum Mut
zu
entwickeln. Er merkte jedoch gleichzeitig an, dass die heutigen
Arbeitsbedingungen oft keine Kreativitätsentwicklung zulassen. Dafür
führte er das Beispiel eines Kunden an, der eine komplette Kampagne für
eine
Markeneinführung in nur zwei Wochen von seinem Team verlangt, während
die
Testphase auf vier Wochen
angesetzt ist. Diese verschobenen Zeitfenster und der damit verbundene
Druck,
der auf Seiten der Agentur entsteht, lassen somit nur eine
Standardlösung zu,
die die Kreativität der Kampagne von vorne herein eingrenzt. Die
erstbeste Idee
ist laut Meinung der Kreativitätstrainerin Anja Ebertz nicht
zwangsläufig die Beste. In ihren Seminaren verlangt
sie deshalb von ihren Teilnehmern, dass diese mindestens so lange nach
weiteren
Ideen suchen, bis eine zweite mindestens gleichwertig gute Idee,
gefunden
wurde. Angelika Schmid widersprach dieser Aussage und forderte
Agenturen
auf, mutiger zu werden und manches Mal auch die erste Idee an den
Kunden heranzutragen, die nach
ihrer eigenen Erfahrung meistens auch die Beste ist.
Die
Diskussion verlief relativ ohne polarisierende Thesen, weshalb am Ende
auch nur wenige
Fragen aus dem Publikum kamen. Heike Bedrich von Talisman PR sprach die
kritische
Situation für die Ausbildung des Nachwuchs in der Kommunikationsbranche
an. Die zunehmend projektbezogene
Auftragspolitik vieler Firmen und der Trend der Bezahlung auf
Erfolgsbasis bedeutet für viele junge Kommunikationsleute, dass sie
unterbezahlt arbeiten müssen.
Das anschließende Networking im Palais Leopold blieb überschaubar, so
verteilten sich die ca. 200 Teilnehmer auf dem Balkon oder in den
großen Räumen der Location.
Fazit:
Netzwerken lohnt sich auf jeden Fall seine eigene Kreativität zu
schulen. So gilt der Austausch mit anderen Menschen als
Grundvoraussetzung sich über die Werte und Denkweisen der anderen
inspirieren zu lassen.
Eine relativ gute Einweisung in das Thema Kreativitäts-Techniken findet man auch unter Wegweiser-Bürgergesellschaft.de
Verena Schmunk
Hi,
mir scheinen diese Diskussionen immer wieder wie der Streit um des Kaisers Bart. Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Kreativität entsteht aus der Kombination zweier Faktoren: 1)persönliche Assoziationen und 2)Kommunikation. Beides ist erforderlich.
Das menschliche Gehirn arbeitet überwiegend assoziativ. Diese Art zu denken kann man ganz bewusst einsetzen. Für sich alleine genommen bringt das aber noch nicht besonders viel. Die daraus entstehenden Ideen sind i.d.R. noch ziemlich wirr und unkoordiniert. Gedanken und Ideen werden konkret, indem man sie formuliert. Und zwar möglichst konkret formuliert, also laut ausgesprochen oder schriftlich. Da gehört sicher eine gewisse Menge Mut oder vielleicht besser Selbstvertrauen dazu. Wenn sich daraus Kommunikation ergibt, erhält man zu seinen Gedanken Feedback, der entweder zu weiterer Konkretisierung oder zu neuen Gedanken führen kann.
Wirkliche Kreativität ist also in den seltensten Fällen das Werk eines Einzelnen, sondern das Ergebnis eines Teams. Techniken können nützlich sein, um Ideen zu konkretisieren, aber welche Techniken von wem wie eingesetzt werden sollten, das ist individuell grundverschieden und sollte Jedem selbst überlassen werden.
Die Idee mit „Nichts in Dosen“ ist eine nette Assoziation, aber nicht ganz neu. Mein Bruder hatte früher in seiner Bar immer eine Flasche „Egal“ rumstehen. Warum? Immer wenn seine Gäste auf die Frage nach ihren Trinkwünschen mit „Egal“ antworteten…
Kreativität kommt auch von Können. Kreativ kann nur derjenige sein, der die Werkzeuge in der Kommunikation beherrscht, der weiß, wie die Medien funktionieren und der die Sehnsucht hat, bessere und kreativere Kampagnen zu machen. Deshalb müssen wir gut ausbilden, damit wir den kreativen Geist in die richtige Richtung lenken können. D.h.: wir müssen zeigen was geht, was up-to-date ist und wir müssen Visionen aufzeigen. Wir müssen dem Nachwuchs auch Zeit geben, seine Ideen zu prüfen. Ganz sicher ist die erste Idee nicht die beste. Eine Idee muss vielen Faktoren Stand halten und diese Faktoren kennt man erst nach einigen Berufsjahren.