Wir leben immer mehr in einer Bewertungs- und Empfehlungsgesellschaft. Studien bestätigen, dass sich Verbraucher durch Meinungen und Empfehlungen anderer Nutzer beeinflussen lassen. Laut einer Untersuchung von Fittkau & Maaß greifen knapp 90 Prozent zumindest gelegentlich auf nutzergenerierte Produktrezensionen zurück, fast jeder zweite hat aufgrund einer Rezension schon einmal einen bestimmten Kauf getätigt – und mehr als jeder zweite Nutzer wurde durch sie schon vom Kauf eines konkreten Produkts abgehalten. Gute Rezensionen und Empfehlungen haben deswegen für Unternehmen enorm an Bedeutung gewonnen.
Und wohl nicht ohne Grund häufen sich momentan die Meldungen von gefälschten Bewertungen auf Amazon & Co. So musste der Geschäftsführer der WeTab GmbH, Helmut Hoffer von Ankershoffen, nach gefälschten Amazon-Bewertungen vom Amt zurücktreten. Kürzlich bekannt wurde außerdem, dass das Internet-Shopping-Portal der Deutschen Telekom Hunderte Kundenbewertungen von einer Textagentur erstellen ließ. Offenbar um angeregte Debatten über Produkte vorzutäuschen, wie Spiegel Online berichtete. Eine Liste von weiteren Fälschungen durch Unternehmen gibt es übrigens bei avatter im Blog.
Und gestern auch auf Twitter entdeckt:
Vorangegangen war ein Artikel von Thomas Cloer in der Computerwoche, in der er die fehlende Authentifizierung von E-Mail Adressen bei AutoScout24 bemängelt, durch das er Opfer von zahlreichen Anrufern geworden ist, die Interesse an einem angeblich von ihm inseriertes Auto hatten. Wer der Kommentator „Maxl“ ist, bleibt unklar.
Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen funktioniert nicht mehr …
Für Unternehmen bedeutet diese Entwicklung, dass es für ihre eigene Geschäftsentwicklung wichtiger denn je wird, diese Empfehlungen und Bewertungen in Foren, Blogs und auf den entsprechenden Bewertungsportalen zu beobachten. Ein solches Social Media Monitoring hilft, um das Feedback der Konsumenten aufzugreifen und direkt in die Produkt- und Serviceentwicklung einzuspeisen. Durch Social Media-Kanäle ist es einfacher denn je, den direkten Draht zwischen Unternehmen und seinen Stakeholdern aufzubauen und dadurch auf beiden Seiten zu profitieren.
Märkte sind Gespräche. In der digitalen Öffentlichkeit hat jeder Konsument eine Stimme und kann seine Meinung publizieren. An diese neue Umweltbedingung müssen sich auch Unternehmen gewöhnen. Denn sie können es sich nicht mehr leisten, wegzuschauen und zu ignorieren, was im Social Web über sie geredet wird.
Tue Gutes und rede darüber
Meckern, motzen und mies machen sind Eigenschaften, die in unserer heutigen Gesellschaft alltäglich sind. Durch die Vernetzung und Verbreitung des Internets – immerhin sind 70 Prozent der Deutschen online – verbreiten sich negative Erfahrungen nicht mehr allein durch persönliche Gespräche. Sie werden online publiziert und sind somit für alle, die sich für ein Produkt oder eine Marke interessieren, nur einen Mausklick entfernt. Aufgrund des Umstands, dass die Google-Suche solche aktuellen und dynamischen Inhalte favorisiert, erscheinen kritische Stimmen sehr weit oben bei den Suchtreffern. Somit ist die Reputation eines Unternehmens sehr viel stärker von den Online-Bewertungen abhängig.
1:1 Kommunikation im Social Web
Unternehmen müssen sich verabschieden von der one-to-many Kommunikation, wie Robert Basic in einem Blogbeitrag treffend feststellt. Menschen wollen nicht mit Maschinen kommunizieren, sondern echte und persönliche Ansprechpartner für ihre Anliegen. Was wir damit haben, ist eine 1:1 Kommunikation im Social Web. Ein Ergebnis dieser Entwicklung ist, dass Unternehmenskommunikation immer mehr zur Kundenkommunikation 2.0 wird.
Viele Unternehmen bertreiben heute ein (einfaches) Social Media Monitoring. Fahrlässig wären sie, würden sie es nicht tun. Doch auf ein aktives Agieren im Social Web verzichten viele noch immer. Vor allem der Kundensupport wird klassisch über Call-Center und die Webseite bedient. Nachfolgend einige Beispiele, wie man es anders (besser) machen kann …
Best-Practices der Kundenkommunikation 2.0 von Unternehmen
1) Telekom hilft
Nachdem die Deutsche Telekom schon sehr lange mit einem eigenen Team an Kundenberatern auf Twitter aktiv ist, hat sie nun einen weiteren Kanal für den Kundensupport geöffnet. Seit etwas mehr als einer Woche ist sie auch auf Facebook aktiv und kümmert sich dort aktiv um das Beschwerdemanagement. Dieser zusätzliche Kanal wird ebenfalls sehr gut von den Facebook-Mitgliedern angenommen wird, wie der rege Austausch auf der Fanpage zeigt.
Die Telekom schätzt den Aufwand durchaus realistisch ein und macht Facebook nebenbei. Das Team der Telekom hilft besteht aus zwölf Mitarbeitern, die namentlich auf der Facebook Seite vorgestellt werden. Auf jede der Anfragen wird offenbar zeitnah reagiert, entweder durch weiterführende Links, direkte Antworten auf der Pinnwand oder Facebook-Nachrichten, die durch das Team verschickt werden.
2) Opel Service
Opel & Social Media? Eigentlich hat die Automobilmarke eher ein verstaubtes Image. Was den Kundensupport 2.0 betrifft, ist Opel jedoch Vorreiter. So gehört Opel zu einem der ersten Hersteller, die als Pilotprojekt den Kundenservice auf die Social Media-Kanäle ausgeweitet hat. Das Customer Care Team durchforstet das Web nach Nutzern, die nach Informationen suchen oder Probleme mit ihrem Auto haben. Gestartet wurde mit dem Service im Juli 2010 auf Twitter. "Wir wollen noch näher am Puls des Kunden sein. Deshalb sind wir dort präsent, wo die Menschen miteinander reden – und das ist heute vor allem die Netz-Gemeinde, die sich in Blogs, bei Twitter oder auf Facebook findet" sagt Alain Visser, Vice President Vertrieb, Marketing und Aftersales bei Opel. Opel profitiert beim neuen Service von den Erfahrungen, die der Mutterkonzern GM damit in Nordamerika gemacht hat. Ohnehin hat Opel sehr früh auf ein Opel Astra Blog und den Dialog mit seinen Kunden gesetzt.
3) Lufthansa
Vor allem die Aschewolke hat gezeigt, wie wichtig es heutzutage ist, auf aktuelle Gegebenheiten und Entwicklungen schnell zu reagieren. Lufthansa hat dies getan und innerhalb von Minuten auf Facebook und Twitter reagiert.
Die Reisenden wurden von Lufthansa laufend über den aktuellen Stand des Flugverbots informiert. Das Wachstum bei Twitter zeigt, dass sehr viele Onliner die aktuellen News verfolgt haben.
Von vielen Unternehmen wird Facebook auch zum Employer Branding eingesetzt, um die Arbeitgebermarke auch im Social Web aufzubauen bzw. weiterzuentwickeln, wie zum Beispiel von Be Lufthansa. Dort werden aktuelle Stellenausschreibungen veröffentlicht, Einblicke in den Konzern gegeben und auf Anfragen und Probleme reagiert. Oftmals handelt es sich dabei um aktuelle und zukünftige Bewerber, die Fragen zum Bewerbungsprozess haben. Auch hierbei ist positiv zu bemerken, dass das Team hinter Be Lufthansa sehr schnell auf Anfragen reagiert und somit die Nutzer ernst nimmt. Fehler passieren überall, wichtig ist einfach, wie damit umgegangen wird. Ein schnelles Feedback nach dem Motto „Danke für den Hinweis. Wir kümmern uns um dein Problem und werden dich informieren, sobald es Neuigkeiten dazu gibt“ nimmt in den meisten Fällen allen Kritikern den Wind aus den Segeln. Noch besser ist es, persönlich mit Namen zu reagieren. Denn die Erfahrung zeigt, dass Menschen sehr viel seltener angegriffen werden als anonyme Marken.
4) Telekommunikation allgemein
Nicht zu vernachlässigen sind sicherlich auch die anderen Anbieter der Telekommunikationsbranche, die sich vor allem auf Facebook und Twitter tummeln und einen scheinbar guten Support dort leisten. Um nur einige auf Twitter zu nennen: @o2business, @Mein_Base bzw. base_service, @fonic_de, Vodafone_de, uvm. Diese Beispiele zeigen, dass der Druck unter den Wettbewerbern offenbar so stark war, dass nunmehr fast alle Unternehmen der Branche zumindest auf Twitter aktiv zu finden sind.
5) Microsoft
Mit @MicrosoftHilft hat der IT-Konzern einen Twitterkanal für den Support eingerichtet, um bei Problemen mit Windows 7, IE8, IE9 und Office 2010 für Abhilfe zu sorgen. Das Team ist von 9-17 Uhr zu erreichen. Was mir gut gefällt, ist das auf der direkten Support-Webseite von Microsoft auf diesen Kanal hingewiesen wird. Diese Top-Level-Integration auf der Webseite und die Verknüpfung mit den Social Media Aktivitäten wird von Unternehmen leider Gottes viel zu oft vernachlässigt.
Oftmals mit dem Argument, man wolle den Kanal nur nicht „zu publik machen“, weil man einem Ansturm eventuell nicht gewachsen wäre… Das ist schade, denn was bringt ein zusätzlicher Kanal für die Kunden, wenn er nicht bekannt ist bzw. nicht bekannt gemacht wird. Für spezielle Themen wie beispielsweise die Xbox wurde ein eigener Twitterkanal eingerichtet, der mit knapp 46.000 Followern wohl rege gelesen wird und offenbar, mag man der Biographie glauben mag, sogar als Best-Practice ausgezeichnet wurde: Guinness World Record Holder: Most Responsive Brand on Twitter!
6) MyMuesli
Vorbildlich kann man durchaus auch die Aktivitäten von MyMuesli bezeichnen, die bereits sehr lange im Social Web aktiv sind und immer wieder gerne als Best-Practice hinzugezogen werden. Denn dieses Start-up wurde vor allem durch das Blog und die verschiedenen Aktivitäten auf Twitter und Facebook bekannt. Auf meine Frage auf Twitter nach guten Beispielen für den Kundensupport 2.0 wurde auch @mymuesli aufmerksam und hat sich ebenfalls an der Diskussion beteiligt. Dass Unternehmen solche Twitter-Konversationen durchaus im Auge behalten sollten und nichts dagegen spricht, sich auch einmal aktiv daran zu beteiligen, zeigt dieses kurze Beispiel.
Ganz wichtig ist der Punkt: „Wir bemühen uns sehr“. Denn darum geht es, den Trend zu erkennen und jeden Tag von Neuem versuchen, das Beste zu geben. Denn schließlich ist der Kunde ja bekanntlich immer noch der König – offline wie online. Und gerade deswegen sollten Unternehmen nicht warten, bis sie vollkommen die Meinungsführerschaft im Social Web verloren haben. Die Experimentierphase neigt sich dem Ende zu, die Zahlen über Social Media lassen den Unternehmen keine Chance mehr, Ausreden zu finden. Nun heißt es vor allem eines: Aufwachen und mitmachen!
Anika Geisel (@anikageisel)
Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen funktioniert z.B. bei der Deutschen Bahn wunderbar.
Auf die folgenden Tweets gab es überhaupt gar keine Reaktion:
http://twitter.com/#!/DerLangeFrank/status/26535713549
http://twitter.com/#!/DerLangeFrank/status/26549608686
http://twitter.com/#!/DerLangeFrank/status/27044714573
Die Twitterkanäle der Deutschen Bahn werden als reine Push-Infokanäle genutzt. Das sieht man daran, dass keinerlei Replies oder Retweets in der Twittertimeline zu sehen sind – und auch die Following/Follower-Ratio sehr unausgewogen ist. Das könnte man so interpretieren, dass die Deutsche Bahn wohl wenig Interesse an einem Austausch oder Dialog hat. Schade eigentlich…
Sehr schöne Darstellung und dazu gut gewählte praktische Beispiele, dass macht es deutlich verständlicher. Das die Deutsche Bahn nicht einen Dialog führen will überrascht mich kaum, direkte Kommunikation würde wohl das eh schon ramponierte Image völlig zerlegen.
Sehr gut geschrieben! Mir ist gerade selbst wieder leidvoll aufgefallen, wie schwach viele Mittelständler die Kommunikation über elektronische Medien beherrschen. Selbst Mails stellen viele vor enorme Probleme: Fragen werden ignoriert oder von 3 Fragen wird nur eine beantwortet.
Hab mich dazu mal in blog.luthardt.de/mails-sind-auch-social-media/ ausgelassen und könnte mich immer wieder aufregen, wie rückständig viele Unternehmen mit diesem Thema umgehen …
Interessante Beispiele. Von manchen dieser Unternehmen, zum Beispiel Opel, hätte ich dieses Engagement nicht erwartet. Wenn selbst solche Unternehmen Social Media nutzen, zeigt sich, dass sich gewaltig etwas bewegt im Markt. Mittelständler sollten nicht zu lange warten.
Danke für den Überblick über den deutschen Markt.
Gibt es Infos bzw. Erfahrungswerte, ob die deutschen Mobilfunker einen Ausfallsinfodienst auf Twitter betreiben?
Ich habe meine persönlichen Erfahrungen mit einem österr. Mobilfunker auf meinem Blog veröffentlicht:
http://www.myway-rocknroll.at/2010/10/kundenkommunikation-auf-facebook/
Interessante Zusammenstellung aber:
Im Alltag nützt das hier als Vorbild dargestellte Lufthansa-Twitter Engagement eher wenig. Wer selbst schon mal auf dem Weg zum Flughafen die Information bekommen hat dass der Flug annuliert wurde (etwa auch per „good old SMS“) kennt das. Selbst die Vielfliegerhotline weiss in solchen Fällen nicht wirklich was zu tun ist (da irgendwo auf einem anderen Kontinent und mit lokalen Besonderheiten nicht vertraut). Es klemmt daher nicht an der Verteilung der vordergründig wichtigen Information sondern irgendwo dahinter, nämlich bei der Kernfrage: wie dem zahlenden Kunden nun letztendlich geholfen wird.
Zum Twitter-Engagement von Opel gibt es hier übrigens auch ein interessantes Interview:
http://www.kundenkunde.de/2010/09/opel-im-web-2-0-interview-mit-dem-social-media-manager-vielsprachigkeit-ist-grose-herausforderung/
guter Artikel , anregung: gerade vor dem abfliegen wäre es jedoch oft hilfreich wenn der AirPort ebenfalls Infos publizieren würde. (checkin Infos , Terminal, pplatzsituationen usw.