Anika Geisel Anika Geisel arbeitet im Policy Team von Facebook in Berlin. Zuvor war sie als Senior Consultant bei der Eck Consulting Group für die Konzeption und Betreuung integrierter Onlinemaßnahmen zuständig. Anika Geisel besitzt einen Master in „Medien und Kommunikation“ und schreibt im PR-Blogger über Themen wie Online-Kommunikation, Organisation, Krisenkommunikation sowie Blogger Relations. Privat bloggt sie über die Formel 1 aus Frauensicht.

Marketing und PR: das Ende des Silodenkens

4 Minuten Lesedauer

Die meisten Unternehmen sind heute in Abteilungen und Funktionen strukturiert. Marketing und Sales sind für die Kundenansprache verantwortlich, die Kommunikation platziert Unternehmensbotschaften bei Journalisten und Investoren und der Personalbereich kümmert sich um das Arbeitgeberimage  und Bewerberansprache. Was lange Zeit so wunderbar funktioniert hat, wird nun durch die Digitalisierung komplett in Frage gestellt. Wer kommuniziert eigentlich online mit der Zielgruppe? Wer bestimmt, was online und in Social Media publiziert wird? Wo ist das Thema in Unternehmen verankert? Alte Denkweisen sind mit vielen Defiziten verbunden, die unnötig sind – Neues muss her.

Auf dem diesjährigen Kommunikationskongress besuchte ich den Vortrag von Patrick Kammerer, Director Public Affairs and Communications von Coca-Cola. Der Titel seines Vortrags lautete „Mit Storytelling zum Community-Building“. Wie schaffen wir es , Geschichten auf der digitalen Klaviatur so zu erzählen, dass sie positive Momente in den Kontext mit meiner Marke bringen? In meinen Augen braucht es dazu Kompetenzen, die in Unternehmen insgesamt verfügbar sind, nur nicht gebündelt an einem Ort zur Verfügung stehen.

Die Wände zwischen PR und Marketing müssen eingerissen werdenUm in der Online-Kommunikation erfolgreich zu sein, müssen Marketing und PR zunehmend miteinander verschmelzen. Es ist an der Zeit, dass die Silos zwischen den Funktionsbereichen im digitalen Zeitalter endlich eingerissen werden.

Beide Bereiche haben ihre Daseinsberechtigung. Mit ihren spezifischen Kompetenzen sind sie maßgeblich daran beteiligt, Unternehmen zum Erfolg zu führen. Doch eine stärkere Verquickung von Know-how, ein besserer Austausch, ein aufeinander abgestimmtes Auftreten bringt enorme Vorteile.

Für das Marketing ist der Kunde König

Auf der einen Seite steht das Marketing, das genau weiß, wie Kunden von heute ‚ticken’. Sie begegnen der Emanzipierung ihrer Kunden, indem sie ihre Servicetätigkeiten auf die Onlinewelt übertragen. Kundenzufriedenheit ist das Ergebnis von schnellen Reaktionen und persönlichen Ansprechpartnern gepaart mit einer Multikanalstrategie. Das heißt: Kunden können sich heute aussuchen, ob sie ihr Feedback lieber via Telefon-Hotline oder Facebook Pinnwand loswerden wollen.

Marketiers haben aber auch erkannt, dass Kunden immer auf der Suche nach einem guten Deal sind, und sie wollen begeistert werden. 08/15 Kommunikation langweilt schnell. Kunden wollen Rabatte, etwas umsonst und nehmen gerne an Gewinnspielen teil. Wer sich einen Tag auf Facebook tummelt, der nimmt in seinem Newsfeed zahlreiche Kampagnen oder Aktionen wahr.

Die Herausforderung besteht darin, noch stärkere Effekte aus den Online-Aktivitäten zu ziehen. Dazu bedarf es einer besseren Vernetzung aller Touchpoints, dem Aufsetzen von schnellen Prozessen sowie einer noch effizienteren Nutzung der Community für die eigenen Belange.

Kommunikatoren entwickeln Themen und schaffen Vertrauen

Im Gegensatz dazu können Kommunikatoren vor allem eines: Geschichten erzählen. Sie haben ein Gespür für interessante Einblicke und wissen, welchen Aufhänger sie für eine Story wählen müssen. Sie schaffen es, einen authentischen Augenblick einzufangen. Oder die Persönlichkeit einer Person besonders hervorzuheben. Tagtäglich arbeiten sie mit Sprache und können damit viel bewegen.

Storytelling

Statt kurzfristig in Kampagnen zu denken, entwickelt die Unternehmenskommunikation Themen, mit denen das Unternehmen identifiziert werden soll. Eine dialogische, offene und zugleich transparente Kommunikation trägt wesentlich dazu bei, Vertrauen herzustellen. Kommunikation, die auf einer reinen Übermittlung von Informationen besteht, kann langfristig nicht erfolgreich sein – und ist wahrscheinlich nicht einmal möglich – da Vertrauen stets Ziel und Voraussetzung der Kommunikation ist.

Entscheidend für Unternehmen ist es, eine vertrauensvolle Basis des Zusammenspiels mit internen wie externen Stakeholdern zu finden. Mitarbeiter benötigen das Vertrauen in das eigene Unternehmen, um ihre tägliche Arbeit möglichst effizient und effektiv zu erledigen. Das Vertrauen der Kunden ist entscheidend, um eine Geschäftsbeziehung einzugehen. Auch Investoren benötigen Vertrauen, um ihr Geld in ein Unternehmen zu investieren.

Marketing hat die Oberhand im Social Web

Häufig ist es die Marketingabteilung, die als erstes den Zugang ins Social Web gefunden hat. Denn es ist ihre Zielgruppe, die sich im Internet austauscht, Bewertungen abgibt oder sich kritisch über ein Produkt bzw. eine Dienstleistung äußert.

Doch auch die Kommunikation sucht ihren Weg in die Onlinewelt. Ziel ist es, Themen zu platzieren, Agenda Setting zu betreiben und das Unternehmen zu positionieren. Auch Journalisten nutzen immer häufiger Social Media für die Recherche, so der Social Media Trendmonitor 2013. In der letzten Zeit entstanden eine ganze Reihe von Corporate Blogs, um Inhalte auch in den Suchmaschinen besser zu platzieren.

Wie gelingt das Zusammenspiel?

Zusammenarbeit

Damit die beiden Bereiche zusammenwachsen, sind in meinen Augen zwei Elemente entscheidend: Eine strukturelle Reorganisation sowie der Verzicht auf Einzelinteressen zum Wohle des Unternehmens.

Jahrelang gewachsene Silostrukturen verhindern die Zusammenarbeit in vielfacher Hinsicht. Durch das Aufsetzen eigener Informations- und Kommunikationslandschaften ist der Wissensaustausch häufig auf das Nötigste begrenzt. Gemeinsame Austauschrunden finden insbesondere in großen Konzernen nur selten statt.

Eine große Ausnahme ist Microsoft. Dort wurde schon vor einiger Zeit ein Social Media Council etabliert. Dort treffen sich Vertreter aus allen relevanten Unternehmensbereichen. Die Leitung liegt bei PR und der zentralen Marketingorganisation. Vorteil: In einem solchen Gremium sind die Interessen vieler berücksichtigt. Die übergeordnete Social Media Strategie und die Weiterentwicklung wird im Council diskutiert und abgestimmt. Eine konsistente Ausrichtung aller Online- und Social Media Aktivitäten ist so überhaupt erst möglich.

Vom Silodenken zum Digital Business

Um Digitalthemen ganzheitlich und integriert zu betrachten, sollte auch über eine Auflösung von klassischen Funktionen nachgedacht werden. Die Alternative ist das Etablieren eines interdisziplinären Teams für alle Digitalthemen, das abseits von einzelnen Bereichen über alle Unternehmensaktivitäten online entscheidet. Damit geht einher, dass Einzelinteressen an Bedeutung verlieren; stattdessen werden Themen crossmedial über alle relevanten Kanäle aufbereitet und publiziert. Eine solche Digital Business Unit darf weder im Marketing noch in der Kommunikation angesiedelt sein, um eine gleichberechtigte Ausgangssituation zu unterstützen.

Mit einer solchen Umstrukturierung geht einher, dass eine übergeordnete Unternehmensstrategie etabliert wird und Ziele definiert werden. Was soll mit den Online- und Social Media-Aktivitäten überhaupt erreicht werden? Welche Zielgruppen haben höchste Priorität und sollten verstärkt in das Engagement einbezogen werden? Wenn ein Konsens über die grundsätzliche Ausrichtung getroffen wurde, müssen Strukturen und Prozesse aufgebaut werden, die diese Ziele unterstützen.

Viele Unternehmen haben ihre Erfahrungen mit Online und Social Media gemacht – und sind mehr oder weniger professionell auf den diversen Kanälen unterwegs. Doch Social Media ist viel mehr als Facebook, Twitter, YouTube & Co. In den vergangenen Jahren hat sich die Kommunikation und Zusammenarbeit von Menschen radikal verändert.

Auch Organisationsstrukturen in Unternehmen müssen an das digitale Zeitalter angepasst werden. Anspruch eines innovativen Unternehmens sollte es sein, das digitale Engagement auf die nächste Stufe zu heben und das Internet als Voraussetzung und Ziel aller unternehmensrelevanten Prozesse zu sehen. Auch ein Abschied von Funktionen kann folglich Sinn machen.

Immer mehr Unternehmen entdecken diese neuen Chancen für sich und verstärken die interne Zusammenarbeit im Digital Business. Welche Erfahrungen haben Sie in dieser Hinsicht gemacht? Welche Beispiele gefallen Ihnen besonders?

Anika Geisel Anika Geisel arbeitet im Policy Team von Facebook in Berlin. Zuvor war sie als Senior Consultant bei der Eck Consulting Group für die Konzeption und Betreuung integrierter Onlinemaßnahmen zuständig. Anika Geisel besitzt einen Master in „Medien und Kommunikation“ und schreibt im PR-Blogger über Themen wie Online-Kommunikation, Organisation, Krisenkommunikation sowie Blogger Relations. Privat bloggt sie über die Formel 1 aus Frauensicht.

15 Replies to “Marketing und PR: das Ende des Silodenkens”

  1. Ein sehr guter Artikel, der die Problematik aufzeigt und zugleich deutlich macht, welches Potenzial in Firmen steckt, vor allem ungenutzt!

  2. „Vom Silodenken zum Digital Business“ – und damit gewisser Weise wieder zurück in die Realität insbesondere vieler kleinerer Unternehmen, etwa im Bildungssektor: Hier bloggt der Chef noch persönlich, kümmert sich um die Kundenakquise, fallen Marketing (oder was man darunter versteht) und PR (oder was man eben darunter versteht) zusammen. Vielleicht ist das soetwas wie Digital Business 1.0?

    1. Sie haben ganz Recht, Es würde vielen „Großen“ nicht schaden, sich bei der Arbeit der Kleinen was abzugucken. Auch als Mitarbeiter nimmt man viel mit, wenn man in einer kleinen Firma ohne eingefahrene Strukturen überall mal anpackt, und sei es das händische Kleben von Briefen 😉 So lernt man das Zusammenspiel der ganzen Prozesse kennen.

  3. Erst heute hatte ich im Gespräch mit einem Kunden wieder das Thema Silos in Unternehmen. Man hat es mit einer wirklichen Kostenfalle in mehrfacher Hinsicht zu tun, wenn Wissen in Form von Daten, Inhalten etc. in einzelnen Abteilungen eingeschlossen ist. So entstehen unnötigen Kosten, neue Mitarbeiter einzuarbeiten, wenn man vorhandenes Wissen nicht erfolgreich weitervermittelt. Gerade besonders erklärungsbedürftige Produkte sind für Mitarbeiter, die neu in einem Unternehmen sind und damit arbeiten sollen – egal ob Vermarktung, Produktmanagement oder IT – komplett überfordert,
    wenn kein Mentor oder auch klassisches „Handbuch“ da ist. Im Worst Case riskiert man durch schlechtes Wissensmanagement, Mitarbeiter wieder zu verlieren.

    Dass die die gesamte Kommunikation und das Social Web in Händen von Marketing & PR liegen, halte ich nicht für verkehrt. Niemand sollte dazu gezwungen werden, sich damit zu befassen. Und zum souveränen Umgang mit sozialen Medien (Blogs, Facebook & Co.) gehört Spaß und Talent einfach dazu. Aber aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die unterschiedlichen Abteilungssilos sehr erfolgreich „eingerissen“ werden können und der abteilungsübergreifende Wissensfluss das gesamte Unternehmen effizienter und erfolgreicher macht. Dazu gehören interne Schulungen (z.B. Marketing schult IT, IT vermittelt Fachwissen an Key Account/Produktmanagement und umgekehrt), die nicht nur Wissen transferieren, sondern auch den Zusammenhalt der Teams stärken. Silos einreißen für mich heißt also, nicht einzelne Abteilungen „entmachten“, sondern Macht und Wissen gerecht zu verteilen.

    1. Ich gebe Ihnen da absolut recht. Warum überhaupt unterschiedliche Königreiche innerhalb eines Unternehmens? Die Arbeit der Zukunft basiert auf Wissensteilung, Vernetzung und Zusammenarbeit. Es gibt mittlerweile viele Tools, die das ermöglichen. Nicht vergessen sollte man dabei natürlich den menschlichen Aspekt und das Change Management. Um den digitalen Wandel erfolgreich zu nutzen, braucht es ein Umdenken und eine neue, ganzheitliche Perspektive auf bestimmte Themen.

  4. Wie wahr und wirklich aus dem Arbeitsleben gegriffen. Aus PR-Sicht ist es leider sehr schwierig, den Gedanken des glaubwürdigen Storytellings zu vermitteln. Und möchte man ganz konkret über Inhalte, Ideen und Content reden – und nicht über Claims, Branding und Kampagnen – wird es noch viel schwieriger. Dabei verpufft eine Großteil des kreativen Potentials, welches durch PR im Marketing aktiviert werden kann. PR berichtet, was in einem Unternehmen vor sich geht, Marketing hingegen erfindet Geschichten. Würden sich beide Parteien austauschen, mutiger sein und sich gegenseitig mit ihren Ressourcen ergänzen…so manche Agentur wäre auf einen Schlag arbeitslos.

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