Betrügt uns Facebook? Will das Network all unsere Daten? Und was ist die Konsequenz daraus. Darüber diskutieren einige Medienmacher und Influencer zurzeit, nachdem Facebook sich in einem völlig neuem Gewand darstellt und damit viele Onliner überrascht hat. Bye, bye Facebook, heißt es daher allerorten. Zumindest scheinbar. Was ist von den Neuerungen auf Facebook nun wirklich zu halten. Werden unsere digitalen Ich’s dadurch stärker auslesbar als zuvor? In jedem Falle werden unsere Äußerungen ein klein wenig transparenter und wir können unsere persönlichen News noch schneller, manchmal gar automatisch, miteinander teilen. Wer das neue Facebook (siehe Bild/Video unten) nutzt, sollte sich auch einmal bewusst werden, dass die alten Einträge in seinem Facebook doch etwas schneller und leichter als zuvor gefunden werden können. Sogar ein Blick in die persönliche Historie wird etwas einfacher. Auf die Details der Änderungen werde ich gar nicht so eingehen, darüber ist viel publiziert worden.
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Die Optik des Facebook-Profils ist erst einmal ungewohnt. Neue Features wie die Timeline, das Cover und der Ticker schaffen neue Möglichkeiten und verwirren sicherlich nicht wenige Nutzer. Dennoch gehe ich nicht davon aus, dass die mittlerweile 800 Millionen Facebook-Mitglieder sich davon beeindrucken lassen, dass einige Influencer sich von dem Network verabschieden bzw. ihre Online-Aktivitäten auf ein Minimum einschränken, weil sie über die neue Unübersichtlichkeit nicht mögen und einen gewissen Kontrollverlust befürchten. So lautet Olaf Kolbrück’s Überschrift auf Off The Record: „Goodbye Facebook„. Er verkündet seinen persönlichen Rückzug bzw. die Reduktion seiner Aktivitäten auf dem Portal:
„Meine Silberlinge sind meine Daten. …Ich spüre aber, dass mir meine Kontrolle über meinen OpenGraph-Datenstrom zunehmend entgleist. Transparenz ist eine Einbahnstraße. Ich bin gegenüber Facebook transparent, umgekehrt gibt es nur ein milchiges Glas. Mit jeder Neuerung und mit jeder Änderung der AGB wird das Bild trüber. So schnell und doch zugleich so scheibchenweise, dass wir es gar nicht merken, wie unser Datenschatten immer länger wird.“
Über Geschmack lässt sich streiten, deshalb werden vielleicht sogar einige Millionen Facebook verlassen. Aber ist das die große Wende in Richtung Google Plus? Trotz der Abkehr einzelner Multiplikatoren und der vielen Diskussionen um Datenschutz und Persönlichkeitsrechte im Kontext mit Facebook macht sich derlei hierzulande zumindest noch nicht für Google Plus bemerkbar, fand Holger Schmidt vor kurzem über Comscore heraus:
Google Plus ist inzwischen offen für alle potentiellen Nutzer und wächst rasant. 50 Millionen sollen es zurzeit bereits nutzen. Es ist natürlich noch viel zu früh, ein Urteil über die künftige Nutzung des neuen Facebook-Profils zu machen. Noch ist es nur erst bei wenigen Mitgliedern im Einsatz. Wer es nutzen will, muss dazu einige kleinere technische Anpassungen vornehmen, die sicherlich nicht für jedermann praktikabel sind, aber Ihnen nach wenigen Minuten zum neuen Facebook-Profil verhelfen kann. Sichtbar ist es nur für diejenigen, die ebenfalls das neue Profil eingeschaltet haben. Im Video wird Ihnen in der TV-Serie Mad Men das neue Facebook vorgestellt:
Mir persönlich gefällt das neue Facebook-Profil sehr gut, allerdings wird jedem Mitglied mit der Umstellung bewusster, dass unser Facebook-Auftritt in Gänze sichtbar ist und auf unsere Online-Reputation, auf unseren Personal Brand einzahlt. Waren zuvor nur die aktuellen Daten in der Aufmerksamkeit der Profilbesucher, können diese nun mit wenig Aufwand auf die ganze Timeline zugreifen, ein beliebiges Jahr oder sogar einen beliebigen Tag heraussuchen und darauf eingehen oder auch nicht. In gewisser Weise werden wir durch diesen leichter zugänglichen Blick in die Vergangenheit dazu gezwungen, unsere ganze Online-Identität zu hinterfragen. Wir werden auf Facebook zum Personal Historiker, der ständig gefordert ist, sein Selbstbild mit dem Fremdbild im Einklang zu bringen. Manchmal werden wir auch zum Geschichtsschreiber unseres digitalen Selbsts. Schließlich werden wir unsere Facebook Vergangenheit immer mehr unseren aktuellen Wunschvorstellungen anpassen, sie nicht mehr ganz so statisch stehen lassen wie früher.
Das kann in der Tat richtig viel Reputations-Arbeit bedeuten. So bringt Zeit Online das Überforderungsgefühl einiger Mitglieder auf den Punkt:
„In der sogenannten Timeline jedes Mitglieds will Zuckerberg dessen gesamte Lebensgeschichte sehen. Angefangen beim ersten Foto nach der Geburt, bis hin zu jeder Nichtigkeit der Gegenwart. Selbst wenn sich die Mehrzahl der Nutzer darauf einlassen sollte: Das Kuratieren des gesamten eigenen Lebens wird zeitlich geradezu irrwitzig aufwändig. Ständig müssen sich die Nutzer fragen: Welche Fotos bilden mein Leben ab? Wer darf welche Information sehen? Und wie muss ich sie formulieren, damit sie mir auch in einem Jahr oder fünf nicht schaden können?“
Aber mal ehrlich: Es war schon immer viel Aufwand, sich um seine eigene Reputation zu kümmern. Die neuen Online-Möglichkeiten der Reputationspflege machen diese Aufgabe insgesamt komplexer und stellen eine große Herausforderung dar. Angst muss davor niemand haben. Jeder kann durchaus Facebook im privaten Umfeld nutzen, sollte aber bedenken, wie die jeweiligen Postings auf die „Freunde“, Bekannte und Kollegen wirken können. Ein wirklich sicheres Umfeld war Facebook noch nie. Schließlich fällt es vielen Facebook-Mitgliedern schwer, die richtigen Privatsphäre-Einstellungen vorzunehmen. Im Prinzip sollten Sie vor jedem Posting bedenken, wie wirkt es auf Ihre Kontakte? Kann ich damit noch in einigen Jahren leben? Andererseits dürfte das auch nicht wirklich eine große Schwierigkeit darstellen, wenn Sie davon ausgehen, in einer digitalen Öffentlichkeit unterwegs zu sein. Bei mehr als 200 Kontakten verliert jeder schnell den Überblick über deren Zusammensetzung und wird automatisch mit seinen Postings vorsichtiger und weniger privat.
Das neue Facebook macht das Online-Profil zu einer spannenden Drehscheibe für die eigene Online-Reputation. Ab sofort kann jeder seinen Personal Brand sehr viel visueller und individueller etwa auf dem Cover präsentieren als zuvor. Die Timeline wirft einen deutlicheren Blick in das digitale Ich, macht Vergangenes zum Bestandteil der allgegenwärtigen Online-Identität. Im alten Facebook-Profil tauchte das Alte ab ins digitale Jenseits, nun ist es wesentlich gegenwärtiger. Mit wenigen Klicks kann jeder die digitale Vergangenheit von heute bis zur Geburt durchleuchten. Das verführt dazu, sich auf Reise ins Quasi-Online-Tagebuch zu begeben und die Timeline aufzudrösseln.
Für jeden Influencer und Markenbotschafter bietet das neue Profil gigantische Möglichkeiten für die Selbstvermarktung. Wer seine Chancen richtig zu nutzen weiß, dürfte vom Facebook Reputation Management profitieren. Schauen Sie sich Ihre digitale Vergangenheit doch einmal etwas näher an und vervollständigen Sie an ausgewählten Punkten Ihr Facebook Profil. Auf diese Weise können Sie sich für Ihre Gesprächspartner interessanter machen und auch Facebook als ewige Bewerbung nutzen. Betrachten Sie die Chancen, ohne die Risiken außer Acht zu lassen, dann werden Sie viel Spass mit den Facebook-Innovationen haben.
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Der letzte Absatz geht schon alleine deswegen nicht, weil es ein privates Netzwerk und damit bei mir nur für Freunde sichtbar ist.
„Manchmal werden wir auch zum Geschichtsschreiber unseres digitalen Selbsts“ – ja ist das nicht schrecklich? Wer bitte möchte das? Warum sollten wir nun alle zu begeisterten Ego-Historiographen werden, nur weil Facebook ein Archiv nett findet? Ich fürchte, das geht komplett an den Interessen der Nutzer vorbei. Nichts gegen Online Reputation, aber der 08/15 Nutzer möchte sicher nicht an selbiger polieren, sondern sich schlicht mit Freunden und Bekannten vernetzen, und zwar im Hier und Jetzt, und nicht in der neuen Abteilung „Museum“, die sich Facebook da ausgedacht hat … Mehr dazu: http://buggisch.wordpress.com/2011/09/27/das-facebook-museum/