Klaus Eck Klaus Eck ist freier Kommunikationsberater und einer der führenden Corporate-Influencer-Experten in Deutschland. Er ist Social-Media-Pionier, Buchautor und Content-Marketing-Profi. Zu seinen Hauptaufgaben gehört die strategische Begleitung von Corporate-Influencer-Programmen. Seit Februar 2020 moderiert er regelmäßig das Corporate Influencer Breakfast und hat mehr als 80 Talks mit Gästen initiiert, in denen diese über ihre Erfahrungen mit Personal Branding, Corporate Influencern und CEO-Kommunikation berichten. Follow on LinkedIn

Die Macht der Blogger? Euroweb vs. Nerdcore

3 Minuten Lesedauer


Wenn populäre Blogger von Unternehmen angegriffen werden, setzen sehr schnell Solidaritätseffekte ein. Eine differenzierte Betrachtung findet in der Regel zumindest zu Anfang nicht statt. Viel lieber wird der David-gegen-Goliath gelebt. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch der Fall Euroweb vs. Nerdcore auf viel Beachtung stößt. Im Minutentakt ist gestern über die Pfändung des Nerdcore-Blogangebots getwittert worden.

Eine Abmahnung auf eine Beleidigung oder aufgrund des Wettbewerbsrechts ist eigentlich nicht wirklich wichtig. Wer eine Person oder ein Unternehmen angreift, muss durchaus mit Konsequenzen rechnen: Walter hatte damals unter anderem folgendes gebloggt: „Zählt für die überbezahlten Pfuscher eigentlich das Behindertengleichstellungssetz“. Damit beschimpft er eindeutig seine Wettbewerber. Die Online-Kommunikation im Falle Euroweb erfüllt jedoch alle Klischees und lenkt von den positiven Veränderungen in der Online-Kommunikation der Unternehmen eher ab.

Wer seine Online Reputation gezielt gefährden will, muss in der Tat nicht mehr machen, als dass was jetzt aktuell im Falle des populären Bloggers René Walter passiert ist. Nerdcore steht heute noch auf dem zweiten Platz der Deutschen Blogcharts. Ob der Blogger im Recht oder Unrecht ist, sei dahingestellt. Es geht gar nicht um Gut gegen Böse. Fakt ist: Walter hat nicht rechtzeitig seine vom Gericht beschlossene Zahlung geleistet. Daraufhin hat Euroweb sein Blog Nerdcore gepfändet. Der Domaineintrag läuft inzwischen unter Euroweb.

Jedoch stellt sich die Frage, ob der dort von Euroweb seit gestern auf der übernommenen Nerdcore-Website veröffentlichte Text der Sache dienlich oder als pure Provokation gedacht ist (siehe oben).

Als wäre das nicht ohnehin umstritten genug, machte der Euroweb-Geschäftsführer Christoph Preuß gegenüber der Süddeutschen Zeitung folgende Bemerkung: „Vielleicht wird es (gemeint ist: die Nerdcore-Enteignung) ein Präzedenzfall, der einen Stein ins Rollen bringt in der Blogosphäre.“ Anscheinend setzt Euroweb bewusst auf Konfrontation und erhofft sich dadurch viel negative Aufmerksamkeit.  Reaktionen gibt es viele auf das kleine Issue, sowohl in der Echtzeitwelt wie auch in den klassischen Medienangeboten.

In der Blogger- wie in der Twitter- und Facebookwelt gab es zahlreiche kritische Anmerkungen zum Vorgehen, wie diese von A. Vatter: „Das klagende Unternehmen hat in unzähligen Kommentaren das bekommen, was es verdient: Geprellte, Gelumpte, Reingelegte – alle meldeten sich zu Wort. Die deutsche Blogosphäre bot ihnen das Forum dafür, wer sonst hätte auch zugehört?“

Aber auch auf der Nerdcore-Plattform selbst, die von Euroweb inzwischen wieder frei zugänglich ist, gibt es wie auf der Unternehmens-Facebook Fanpage die Einladung zum Dialog. Doch schon die Einleitung „Neue Erfahrung für Blogger“ der neuen Euroweb-Landingpage fängt inhaltlich nicht sehr glücklich an. Das klingt sehr selbstgerecht, nach dem Motto, wir haben es den Bloggern mal so richtig gezeigt. Es gibt zudem eine Einladung zur „Kritik“ – nicht zum Dialog. Durch diese Kommunikation werden Euroweb vermutlich nicht die Sympathien zufliegen, selbst wenn das Unternehmen tatsächlich im Recht ist und die Domain auf eBay für einen gemeinnützigen Zweck eine Versteigerung durchführen will.

Jedenfalls scheint Euroweb dadurch nicht ein großes positives Wachstum seiner Facebook-Fans und Twitter-Follower zu verbuchen. Zwar gibt es zahlreiche (kritische) Kommentare, aber eine positive Interaktion zwischen Kunden und Unternehmen sieht völlig anders aus. Viel Kommunikation mag die Marke bekannter machen, aber die Reputation leidet sicherlich darunter. Was nützt dem Unternehmen der Traffic auf den Euroweb-Angeboten aufgrund einer eher negativ besetzten Kommunikation? Die wenigsten Besucher werden sich daraufhin in Kunden verwandeln, zumindest wäre das eine große Überraschung für mich.

Die Verhältnismäßigkeit der Mittel ist vonseiten des Unternehmens überhaupt nicht gegeben und wirkt wie ein kleiner Rachefeldzug. Genauso selbstgerecht wirkt tatsächlich die Verteidigung der Bloggerwelt durch einzelne, die sich im Kampf gegen das atavistische Böse wähnen. Dennoch ist es gewagt, das Ende von Euroweb via Blogosphäre auszurufen oder die Blogger zur Cyberschlacht einzuladen. Souverän wirkt die Online-Kommunikation der beiden Parteien nicht unbedingt. Euroweb hat sich keinen Gefallen getan. Der von Walter erzeugte Schaden rechtfertigt sicherlich nicht die Form der Online-Kommunikaton. Letztlich hat auch sein Blogartikel, der Anlass für das Gerichtsverfahrens war, längst nicht die Aufmerksamkeit der jetzigen Auseinandersetzung gefunden. Zurück bleiben nach diesem nunmehr vielzitierten „Shitstorm“ nur Verlierer.

Ein Learning bleibt zudem: Es reicht für Unternehmen bei weitem nicht aus, ein Blog, einen Facebook- und Twitter-Kanal aufzubauen. Durch die technische Realisierung wird keine Marke zur Social Media Company. Dazu gehört schon etwas mehr: vor allem der sensible Umgang mit der Kundenkommunikation sowie die Influencer Relations. Ignorieren oder gar provozieren ist aus meiner Sicht keine empfehlenswerte Option. Ganz im Gegenteil. Mitunter verschärft sie die internen wie externen Reputationsprobleme eines Unternehmens.

Wie schätzen Sie den Fall ein?

>> Netzpolitik: Euroweb vs. Nerdcore
>> Süddeutsche Zeitung: Nachspiel für Nerdcore
>> Thomas Schwenke: Nerdcore.de – Wie eine Abmahnung zur Domainpfändung führen kann
>> Blogosphäre: David gegen Goliath, nächste Runde – Medien …‎ – faz.net
>> Vatter: Jubel der Wirtschaft: “ So lasst uns denn die Blogosphäre abreissen.
>> Rechtzweinull: Rechtliche Bewertung
>> Fuellhaas: Der Ton macht die Musik

Klaus Eck Klaus Eck ist freier Kommunikationsberater und einer der führenden Corporate-Influencer-Experten in Deutschland. Er ist Social-Media-Pionier, Buchautor und Content-Marketing-Profi. Zu seinen Hauptaufgaben gehört die strategische Begleitung von Corporate-Influencer-Programmen. Seit Februar 2020 moderiert er regelmäßig das Corporate Influencer Breakfast und hat mehr als 80 Talks mit Gästen initiiert, in denen diese über ihre Erfahrungen mit Personal Branding, Corporate Influencern und CEO-Kommunikation berichten. Follow on LinkedIn

22 Replies to “Die Macht der Blogger? Euroweb vs. Nerdcore”

  1. Also die Absurdität dieses Falles stellt wirklich vieles bisher da gewesenes in den Schatten. Bei Jack Wolfskin war immerhin noch die masslose Übertreibung eines Goliath mit teuer aufgbautem Markenimage gegen einen süssen Baseldavid.

    Euroweb hat da vergleichsweise wenige Fehler gemacht, bevor der „Shitstorm“ losging. Aber die von Seiten kommende Kampfansage, empfinde ich nicht als wirklich klug. Gerade weil das Unternehmen ja schon früher eher negativ in den Schlagzeilen war.

    Spannend dürfte die Langzeitbeobachtung werden. Denn interessant ist es allemal, ob Eurowebs Taktik sich bewusst mit der Blogosphäre und dem Social Web anzulegen, am Ende spürbare Folgen für das Unternehmen hat.

  2. Beide Parteien agieren derart doof, dass man sofort diverse Verschwörungstheorien am Start hat.

    Ich hoffe fast, dass beide Parteien das miteinander abgesprochen haben – andernfalls habt ihr´s echt nicht besser verdient ^^

  3. Es ist schon peinlich, wenn ein Unternehmen einen Rechtsstreit weböffentlich austrägt. Da möchte man doch gern Kommunikationsberatung leisten. Dumm nur, dass das Unternehmen selbst in diesem Bereich tätig ist. Peinlich, peinlich … Da hilft selbst das beste Webdesign nicht weiter.

  4. In großen Teilen bin ich auch dieser Meinung.
    In Sachen euroweb kann ich mir allerdings auch vorstellen, dass hinter dieser „Haudrauf-Politik“ ein gewisser Hintergedanke steckt, nämlich:
    „Lass doch mal ein halbes Jahr ins Land ziehen – die Menschen vergessen schnell – aber unser Firmennamen bleibt hängen. Egal, aus welchem Grund, denn, an den eigentlichen Zusammenhang erinnern sich die Leute ja nicht mehr so genau.“
    Da wird meiner Meinung nach auf unbedarfte Leute abgezielt, die eben keine Ahnung vom Web haben und deshalb auch erst zu recherchieren beginnen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.
    Wie sonst lässt sich der zweifelhafte Erfolg dieser Firma erklären?
    Naja – ist eben meine Meinung.

    Gruß aus Augsburg

    Jürgen Z.

  5. Och, Eck. Das ist wieder das übliche und erwartete Geschreibsel. Für Euroweb werden sich die Reputationsprobleme sicher nicht verschärfen. Da gibt es wohl nichts mehr, was noch verschärft werden könnte. Macht aber nix, denn die Zielgruppe des Unternehmens ist wohl eh eine andere.
    Jetzt dürfen sich die Kinder auf der nerdcore-Seite mal richtig auskotzen, in 2, 3 Wochen wird die Seite dann abgeschaltet. Langfristig erhöht sich durch die gesamte Aktion die Sichtbarkeit von Euroweb im Netz, mit ein bisschen SEO werden die ganz negativen Meinungen nach hinten gedrängt. Rein strategisch ist das 1A, was die bei Euroweb sich da ausgedacht haben.
    (Würd aber keine Webseite bei denen kaufen!!!)

  6. „Euroweb (…) erhofft sich dadurch viel negative Aufmerksamkeit.“ Gibt es solche Unternehmen?
    Wäre jedenfalls ein USP.

  7. Denke die Kommentarfunktion auf der Nerdcore Seite, gibt es nur um IP Adressen zu sammeln von Leuten, die sie Beleidigen oder die ihnen übel nachreden.
    Die Firma scheint ja sowieso die größten Gewinne aus gerichtlichen Auseinandersetzungen zu ziehen (z.B. vergleiche für nicht geleistete Arbeit von 2500 Euro und mehr) warum dann nicht gleich auch noch ein paar Hundert Nerdcoresympatisanten dafür mitbestrafen, dass sie sich mit Nerdcore solidarisieren. Anders kann ich mir beim besten Willen die Kommentarfunktion nicht erklären.
    Wie ich bereits im Nerdcore kommentar geschrieben hab könnte es die deutsche Gerichtbarkeit auch durchaus hergeben, da auf Basis der strafrechtlichen Verfolgung die IP-Adressen herausgabe so viel ich weiß möglich ist.

    §164 StGB Verdächtigung
    §187 StGB Verleumdung
    §185 StGB Beleidigung

    Ganz abgesehen von den folgenden Zivielrechtlichen Forderungen bzgl. Schadensersatz/Schmerzensgeld
    Unterlassungserklärung

  8. Ja wirklich gute Meinung zu diesem doch sehr brisanten Thema.
    Was mich jedoch total wundern lässt sind die Rekationen der beiden Parteien.

    Realistisch sind keine der beiden Reaktionen:
    – der „Täter“ lässt nicht von seiner Provokation ab und verhält sich völlig dekonstruktiv- auf allen Kanälen
    – das „Opfer“ gibt keine einzige Stellungnahme im Neuen sehr schnell hergerichteten Blog ab (Wenigstens ein kleiner Kommentar würde mich völlig ausreichen)

    Beide Aktionen sind mit normalen Menschenverstand nicht nachvollziehbar.
    Für mich scheinen beide Parteien dem Realitätsverlust sehr nahe.
    Beide Parteien haben mich als Sympatisant verloren. Schade.

  9. Die Zielgruppe von Euroweb dürfte nur eine geringe Schnittmenge mit den Leuten haben, die (inkl. mir 😉 die Abmahnsau durchs Dorf treiben. Insofern sehe ich da keinen großen Imageschaden. Wenn man geschickt agiert, sind die entstandenen Links und Erwähnungen SEO-technisch durchaus einiges Wert.

  10. Naja – zunächst einmal geht es hier um einen ‚Rant‘ aus dem Jahre 2006, der im Jahr 2010 plötzlich justiziabel sein soll. Ich frage mich da doch, warum erst jetzt und mit jahrelanger Verspätung reagiert wird?

    Zweitens schaue man sich an, wie die Trefferlisten inzwischen aussehen, wenn man unter dem Firmennamen googelt. ‚Image‘ sieht in meinen Augen anders aus, aber ich mag mich ja auch irren. Nehmen wir mal an, solch ein Referenzkunden-Akquisiteur ruft derzeit bei einem potenziellen Kunden an, um seinen Besuch anzukündigen, und der wiederum gurgelt schon mal ein wenig herum, bevor der Mann bei ihm eintrifft. Was wäre in diesem Szenario die absehbare Folge für den Umsatz?

    Drittens sieht es so aus, als ob das Geschäftsmodell eventuell gar nicht mehr lange trägt, weil wohl derzeit ein Urteil zur Überprüfung ansteht, das alle geschlossenen Verträge nur noch als bloße ‚Werkverträge‘ ansehen möchte, die dann wohl jederzeit kündbar wären. Geht es vielleicht um eine Abschiedsvorstellung?

    Mit anderen Worten: Ich kapiere bis heute nicht, was die Kläger geritten hat, nachdem es doch um ihr ‚Geschäftsmodell‘ nach viel Ballyhoo ein wenig ruhiger geworden war.

  11. Gut, dass dieser Artikel die Situation kritisch betrachtet. Viele hören etwas von Euroweb und stempeln es direkt ab. Hier erfährt man wenigstens eine detaillierte Aussage zum diesem Thema.
    Sehr schön.

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