In der Krisen-PR ist es immer am besten, sofort den Kontakt aufzunehmen, wenn man als Unternehmen etwas anders sieht. Deshalb habe ich mich gefreut, als Gabriele Haessig, Pressesprecherin bei Procter & Gamble Deutschland, sich bei mir telefonisch gemeldet hat, um auf unseren PR-Blogger-Artikel einzugehen: "Windelweiche Kommunikationsstrategie bei Pampers?" Falls Sie ebenfalls einmal bei uns in der Kritik stehen und Ihre Position darlegen wollen, können Sie sich jederzeit gerne bei uns melden. Wir verstehen den PR-Blogger als Dialogplattform.
Pampers hat zurzeit mit Gerüchten zu kämpfen, die darauf lauten, dass eine neu eingeführte "Dry Max"-Technologie in Windeln Hautirritationen bei Babies herbeiführt. Diese Behauptungen werden hauptsächlich durch Blogs und Social Networks verbreitet und an die Öffentlichkeit gebracht. Wie gehen Sie mit diesen Aussagen um?
Zunächst einmal eines vorweg: Pampers mit Dry-Max sind genauso sicher wie die Vorgängerversion, die einige Eltern gerne weiterhin haben wollen. Tatsache ist, dass es durch moderne Windeln wie Pampers deutlich weniger Fälle von Hautreizungen bei Babies gibt. Was an Hautreizungen noch gesehen wird kommt also nicht durch DryMax, sondern trotz DryMax. Die „Dry Max“-Technologie ist die größte Innovation bei Pampers seit 10 Jahren für Babies, Eltern und die Umwelt. Sie sind die trockensten Pampers aller Zeiten obwohl sie 20% dünner sind – für noch mehr Bewegungsfreiheit. Außerdem sind sie somit auch besser für die Umwelt. Bei Eltern, die sich direkt an uns wenden, haben wir eine bewährte Vorgehensweise zur Klärung der gesundheitlichen Beschwerden mit Fragebogen und gegebenfalls unter Einbeziehung eines Arztes der das Vertrauen der Eltern hat. Aussagen, die nur in den sozialen Medien gemacht werden ohne Bereitschaft von Seiten der Eltern die Beschwerde mit uns zusammen aufzuarbeiten, sind schwierig. Das Gleiche gilt auch für andere Kritik, zur Produkteistung, Passform etc.
Gab es Informationsmaterial? Eine Kommunikations-Kampagne?
Die Einführung in den USA und Großbritannien ist selbstverständlich mit einer Kommunikationskampagne begleitet worden. Bei uns steht die Markteinführung ja noch bevor. Und natürlich führen wir neue Produkte nur dann ein, wenn Neuerungen für die überwiegende Anzahl der Mütter besser sind und wir das auch gut vermitteln können. Das ist hier klar der Fall.
Durch die Nutzung von Social Media können sich Konsumenten heute über Produkte direkt untereinander austauschen. Sie sind vernetzter, als das vor Jahren noch der Fall war. Dadurch werden Unternehmensvorgänge auch transparenter…
Der Unterschied der heutigen Zeit ist, dass es jetzt soziale Medien gibt, auf denen solche negativen Diskussionen zu finden sind. Mütter haben auch früher schon bei der Hotline angerufen, nachgefragt und kommentiert oder sich beschwert. Wir sind daraufhin mit Ihnen in den Dialog getreten. Diskussionen finden heute einfach öffentlicher statt. Ich würde nicht sagen, dass die Diskussion transparenter ist, sondern einfach öffentlicher. Man sollte „öffentlich“ nicht mit „transparent“ gleichsetzen. Durch die Informationsflut wird es doch für uns alle zunehmend schwierig zwischen richtigen und falschen Behauptungen zu unterscheiden. Also brauchen wir verlässliche Quellen. Wir nehmen jede einzelne Mutter ernst. Jede Mutter will das Beste für ihr Kind. Wir wollen mit den Müttern ins Gespräch kommen, um gemeinsam eine Lösung zu finden, falls sie ein Problem haben. Wir können ihr bessere Ratschläge geben, wenn sie wirklich mit uns in Beziehung tritt und uns z.B. anruft oder eine e-mail schreibt.
Führen Sie wirklich "Krieg gegen die Blogger", wie es etwas die Morgenpost behauptet? Wie gehen Sie generell mit den neuen Influencern (Twitterer, Blogger etc.) um?
Ein klares „Nein“ – denn dann müssten wir ja aktiv von unserer Seite aus etwas gegen die Blogger tun. Davon kann keine Rede sein.Wenn wir alle bloggenden Mütter sehen, dann haben wir zum überwiegenden Teil sogar eine positive Beziehung. Fakt ist, wir versuchen mit allen Müttern, die sich direkt an uns wenden,zu sprechen. Wenn eine Mutter ein Baby mit Windeldermatitis hat, dann ist sie richtigerweise sehr besorgt und braucht Hilfe. Windeldermatitis heisst so, weil der Ausschlag im Windelbereich auftritt, nicht weil die Windel die Ursache ist. Ursachen können sein: Ernährungsumstellung, aggressiver Stuhl, andere körperliche Veränderungen. Ärztliche Hilfe ist angeraten. Man muss allerdings sagen, die Medien suchen ja gerade solche Diskussionen, denn diese Schlagzeilen machen sich natürlich gut. Wir haben allerdings daraus gelernt, dass wir unsere Kanäle erweitern sollten.
Wie gehen Sie damit um? Suchen Sie Gespräche auch im Social Web?
Gegenüber den Müttern versuchen wir, ins Gespräch zu kommen, eine Beziehung aufzubauen. Das gleiche gilt für die neuen Influencer, wobei wie auch in der off-line Welt nicht alle Influencer den gleichen Einfluß haben oder mit sich reden lassen. Wir würden daher nicht jeden kontaktieren. Und jemanden, der nicht mit uns sprechen will, können wir schwer kontaktieren. Weiterhin ist zu beachten, dass diese Diskussion ja „öffentlich“ sind und daher auch rechtliche Aspekte beachtet werden müssen. In USA gibt es eine andere Rechtslage, die Auswirkungen auf die mögliche Gesprächsführung hat. Da gibt es Anwälte, die nur darauf warten, eine Klage gegen große Unternehmen zu führen.
Und eine Abmahnung würde nur zur nächsten Kommunikationskatastrophe führen, oder?
Ich sehe zur Zeit keine Kommunikationskatastrophe. Wir leben in einer öffentlicheren Welt und jeder hat die Möglichkeit seine Meinungen und Behauptungen in die Welt zu setzen. Daran werden wir uns gewöhnen müssen. Weniger Aufgeregtheit auf allen Seiten täte sicherlich gut. Die rechtliche Situtation ist aber zu berücksichtigen und die Sprache von Rechtsanwälten ist nicht unbedingt Social Media freundlich.
Betreiben Sie Social Media Monitoring in Deutschland?
Ja natürlich. Wir nehmen jede einzelne Mutter ernst, die eine Frage oder Problem hat und die sich an uns wendet. Wir wollen ja auch ins Gespräch kommen und laden auf unserer Website alle dazu ein. Und einzelne Journalisten und Blogger werden gezielt von uns angesprochen, wie zum Beispiel Sie.
Eine Anti-Pampers Facebook-Gruppe, "Pampers bring back the OLD CRUISERS/SWADDLERS", zählt mittlerweile fast 11,000 Mitglieder. Warum führt Pampers innerhalb dieser Gruppe keine direkten Dialoge mit den Eltern?
Ich kann Ihnen zu USA keine umfassenden Aussagen machen. Die englischsprachige Fanpage für Pampers hat über 250.000 Mitglieder. Wir arbeiten ja schon sehr lange auf der Seite. Wir haben Erfahrungen damit gemacht. Das Verhältnis von Mitgliedern der Anti-Pampers Gruppen im Vergleich zu denen der offiziellen Pampers Fanpage ist momentan gering und eine 100 % Zustimmung kann man nicht einfordern. Wir beobachten die Gruppe, und letztendlich ist die Größenordnung entscheidend dafür, wie wir dann reagieren. Das ist ja eine klassische Problemstellung für PR-Leute wie Sie und mich.
In den USA hat Pampers 4 Mummy-Blogger eingeladen, um zu zeigen, dass die Windeln mit Dry Max Technologie sicher sind. Jede der vier ist allerdings dafür bekannt, positiv in der Vergangenheit über Pampers berichtet zu haben und zählen zu den Test-Müttern, die von Pampers Produkte erhalten über die sie dann berichten. Wäre es nicht klüger gewesen, Mütter einzuladen, deren Kinder selbst betroffen waren und die im Zuge des Skandals als Meinungsführer negativ berichtet haben? Können Sie sich vorstellen, in Deutschland auch kritische Blogger einzuladen?
Ich kann Ihre Aussage zu den USA weder bestätigen noch verneinen. Für Deutschland gesprochen: Ja, ich könnte mir vorstellen, auch kritische Blogger einzuladen. Aber es muss die Bereitschaft da sein, Fakten aufzunehmen. Schwierig wird es mit Polemikern. Die haben nur ein Interesse, nämlich bösartig zu berichten. Da geht es nicht um Babies, da geht es um die Aufmerksamkeit für sich selbst. Damit umzugehen muss man auch lernen.
Müssen Sie bei einem Launch neuer Produkte heutzutage noch viel früher informieren? Denn die Diskussion schwappt von USA nach Deutschland herüber, bevor hier informiert wurde.
Dieser Frage muss man sich wirklich stellen. Wie geht man in globalen Märkten mit einer Einführung neuer Produkte um.
Besonders, da Menschen oftmals weniger schlecht über Dinge berichten, über die sie gut informiert sind. Aber es gibt keine eigenen Facebook- und Twitter-Account für Pampers in Deutschland, oder?
Nein, bisher nicht. Ich denke, es hängt auch einfach von den jeweiligen Produkten ab, wie stark und auf welchen Kanälen kommuniziert werden muss. Für ein neues Pampers Produkt, UnderJams, haben wir bereits begonnen Social Media Aktivitäten und Online Kommunikation zu betreiben. Das Produkt ist speziell für bettnässende Kinder. Weil es ein Tabuthema anspricht, sind wir sehr aktiv dabei, Dialoge mit Eltern zu fördern. In diesem Zusammenhang führen wir auch zum Beispiel Diskussionen mit Mummy-Bloggern.
Gibt es Ansätze für den deutschsprachigen Raum Social Media einzusetzen, um den Kundenservice zu verbessern.
Wie gesagt, wir sind schon bei Pampers Underjams aktiv. Wir haben mit Pampers Village auch eine starke Internetpräsenz . Social Media Kanäle wie Twitter und Facebook werden hierzulande auch nicht so stark genutzt, wie beispielsweise in Amerika. Ich würde allerdings für die Zukunft nicht ausschließen, dass wir auch in diesen Kanälen aktiv werden. Social media heißt doch auch, dass sich Mütter untereinander informieren. Erfahrungen z.B. mit Pampers Village-Informationen oder unserer Vebraucherberatung werden bereits ausgetauscht.
Wird Pampers in der Zukunft die direkte Kommunikation durch Social Media verändern?
Wir wollen die Kommunikationskanäle bedienen, die für die Zielgruppe relevant ist. Wir haben sehr unterschiedliche Marken. Für Braun twittert Procter und Gamble zum Beispiel schon sehr viel.
Gibt es Markenbotschafter?
Es gibt sehr viele Community-Manager, die als Markenbotschafter agieren. Und dazu kommen dann die entsprechenden Experten, die thematisch auch im Social Web agieren können.
Planen Sie gezielt Menschen aufzubauen, die dann in der Öffentlichkeit bekannt sind.
Definitiv. Wir haben schon einige Community-Manager bei unseren Agenturen, die in unserem Namen und mit unseren Vorschriften im Social Web aktiv sind.
Mittlerweile befinden Sie sich kommunikativ in einer sehr schwierigen Lage. Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt kaum etwas, das Sie sagen können, ohne auf Kritik zu stoßen. Was haben Sie bislang getan, um die Reputation von Pampers zu verbessern? Was planen Sie in Zukunft auf Social Media?
Pampers genießt ein großes Vertrauen der Eltern, das gilt es zu erhalten und auszubauen. Wir werden umfassend über Dry-Max zur Einführung informieren. Dry-Max ist eine großartige Innovation und wird sicher die Eltern und die Babys nachhaltig begeistern. Reputation basiert auf Integrität, Commitment, Vertrauen. Pampers möchte die gesunde Entwicklung von Kindern fördern. Das werden wir nachhaltig tun, denn nur über das was ist, können sie auch reden. Und dann die entsprechend relevanten Kommunikationswege bedienen.
Als Gegenfrage: was würden Sie uns raten, um unseren Social Media Auftritt zu verbessern?
Ich würde eine konkrete Person als Ansprechpartner einsetzen, die den Dialog mit den Kunden pflegt und dabei Persönlichkeit zeigt. 1&1 und die Telekom hat dies vorgelebt und es ist gut bei den Kunden angekommen.
Testberichte offen zu legen ist auch eine Möglichkeit für Ihr Unternehmen zu zeigen, dass die Produkte durchdacht und erforscht sind und auch Transparenz zu zeigen.
Des Weiteren würde ich Ihnen raten, sich auch bei kritischen Themen zu trauen, sofort zu kommunizieren. Meistens wird es von der Öffentlichkeit positiv aufgenommen, wenn ein Unternehmen selbst über heikle Themen publiziert. Das zeigt Größe. Durch Social Media bekommt ein Großteil der Stakeholder sowieso mit, was passiert – wie es auch zur Zeit mit Pampers der Fall ist. Natürlich kann man nicht auf alle Kritiker reagieren, aber durch verstärkte Kommunikation auch mit Negativ-gesinnten hat man eine größere Wahrscheinlichkeit, herauszufinden woran es konkret bei einem Problem liegt.
Vielen Dank für das Interview.
Klaus Eck
Einen „Marcel D’Avis“ als persönlichen Ansprechpartner bei Pampers zu installieren, kann ich mir nicht vorstellen. Ich denke man kann diese Idee nicht auf jede Branche übertragen. Die Energie würde ich eher in die Überarbeitung des Pampers Village stecken und daraus eine echte deutsche Community-Seite mit Mehrwert statt einer geclonten amerikanischen Kopie werden zu lassen. Die Community-Manager dürfen in den Blohgs und den Eltern-Foren ruhig auch etwas präsenter werden.
Kompliment für das Interview und vor allem für die Ratschläge an Frau Haessig. Ich hoffe, sie wird diese beherzigen – allerdings werde ich das Gefühl nicht los, dass auch Frau Haessig noch nicht verinnerlicht hat, dass klassische Pressesprecher/PR-Kommunikationsautomatismen mittlerweile ausgedient haben. Zunächst mal zu den Fakten. Wie kann ich mich als Unternehmensrepräsentant aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass die diskutierten Hautreizungen „nicht durch DryMax“ auftreten. Das ist schlichtweg eine falsche (und zudem überflüssige) Tatsachenbehauptung. Auch in dieser Windel wird es – für die Masse der Babys unbedenkliche – Inhaltsstoffe geben, auf die einige Kleinkinder mit einer Überempfindlichkeit reagieren. Das kann der Hersteller gar nicht verhindern, aber Frau Haessig öffnet unnötig eine Flanke, die sie nur schwer schließen kann.
Dann haben wir Kommunikationsexperten natürlich irgendwann mal gelernt, die Realität in einer uns genehmen Form zu sehen – bzw. sie dahingehend zu interpretieren. Das können wir jetzt aber schlichtweg vergessen! Die öffentliche Diskussion via Blogs, twitter, facebook & Co. ist sehr wohl eine transparente Diskussion. Und Pampers muss sich nicht nur um jede einzelne Mutter kümmern, die bei der hotline anruft, sondern auch gegen „Meinungsströmungen“. Aber, liebe Frau Haesig, mit Pressesprecher-Sprech wie „Pampers genießt ein großes Vertrauen der Eltern, das gilt es zu erhalten und auszubauen“ oder „Dry-Max ist eine großartige Innovation und wird sicher die Eltern und die Babys nachhaltig begeistern“, wird das sicher nicht funktionieren. Geben Sie Ihren Kritikern doch bitte zumindest das Gefühl (!), dass sie sie ernst nehmen. Wenn Sie wirklich glauben, dass Reputation auf Vertrauen basiert, dann müssen Sie sich dieses Vertrauen erarbeiten. Aber nicht dadurch, dass bekannt positiv gestimmte Bloggerinnen über ihr Produkt berichten! Laden Sie die Polemiker ein! Als Kommunikationsprofi sollten Sie in der Lage sein, diese Schmähkritiker als solche bloßzustellen und haben ein Problem weniger.
Und noch etwas: Reputation basiert auf mehr als sie aufgeführt haben. Nämlich: Relevanz, Kompetenz, Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Sympathie. Und jetzt können Sie ja mal die Punkte abhaken, die Pampers in der Kommunikation davon schon abgearbeitet hat…
Schönes Interview….Vielen Dank, lieber Klaus Eck!
Interessantes Interview und schön, dass Frau Haessig dazu Stellung bezieht. Ihre Ratschläge an Frau Haessig finde ich gut, bleibt zu hoffen, dass sie diese auch überdenkt bzw. annimmt.
Aber schade, dass sie nicht auf alle Fragen eingegangen ist bzw. gerade der Vorwurf @Mummy Bloggern in USA, ohne dass sie dazu Stellung bezog, stehen blieb.
hallo lieber Klaus-Eck, auch ich hatte die Möglichkeit mit Frau Hässig ein Interview zu dem Thema zu führen. Das Interview finden Sie hier http://www.123bambini.com/2010/06/pampers-interview.html