Thomas Euler Thomas denkt, schreibt, spricht und berät zu digitaler Transformation, Technologie und dezentralisierten Systemen. Er ist als Gastautor im PR-Blogger tätig.

Mehr Spenden für den Qualitätsjournalismus

3 Minuten Lesedauer

Wer über PR nachdenkt,
muss ebenfalls über Journalismus nachdenken. Auch wenn im Internet die
Karten zwischen den Disziplinen neu verteilt werden und Media Relations
künftig nur noch ein Teilgebiet der Public Relations-Aufgaben
darstellen wird: Das Schaffen von Publicity durch
Medienberichterstattung wird nicht aus dem Zielkatalog verschwinden.
Doch mit dem gravierenden Wandel der Medienlandschaft, den wir derzeit
erleben, werden sich auch die Geschäftsmodelle der Branche ändern. An anderer Stelle
habe ich diese Veränderungen aus einer gesellschaftlichen Perspektive
betrachtet. Dort habe ich (Thomas Euler) ein Konzept vorgestellt,
das sich Funding Journalism nennt.

Hinter dem Begriff
verbirgt sich ein noch sehr neuer Ansatz, der jedoch das Potential hat,
einen Teil des wichtigen Investigativjournalismus zu finanzieren. Das
Modell ist schnell erklärt: Eine gemeinnützige Stiftung beschäftigt
Journalisten, bezahlt deren Arbeit mit Spendengeldern und stellt die
fertigen journalistischen Erzeugnisse dem Rest der Welt kostenfrei zur
Verfügung, übrigens auch sämtlichen Publikationen. Seit kurzem gibt es
einige Non-Profits, die sich dieser Aufgabe verpflichtet haben. Für das
meiste Aufsehen hat sicherlich die Gründung des Huffington Post Investigative Funds gesorgt, doch auch andere Projekte wie Spot.us oder maiak widmen sich dem spendenfinanzierten Journalismus.

Sollten
diese Projekte erfolgreich verlaufen und es ihnen gelingen, einerseits
Akzeptanz auf Spenderseite aufzubauen und andererseits einen echten
journalistischen Beitrag zu leisten, dann könnten sie tatsächlich eine
Bereicherung der Medienlandschaft neben den strauchelnden
Medienkonzernen darstellen. Thematische Beschränkungen gibt es dabei an
sich keine. Solange sich genug Spender finden lassen, kann von
politischer Berichterstattung bis hin zum Lifestylebeitrag jeder Inhalt
umgesetzt werden.

Aus
der PR-Perspektive wirft ein derartiges Journalismusmodell natürlich
Fragen auf. Wie sehen generell die Zukunftschancen dieses Modells aus?
Wie gehen spendenfinanzierte Journalisten mit PRlern um? Um einigen
dieser Fragen auf den Grund zu gehen, habe ich Jürg Vollmer, Chefredakteur von maiak – ein schweizer NGO, das Funding Journalism über die Region Osteuropa aus unabhängigen Mitteln zahlt – dazu befragt.

>>
Sehen Sie das Modell des Funding Journalism als tragfähig genug an, um
einen Teil des täglichen Nachrichtenjournalismus zu finanzieren – etwa
im Fall, dass sich das Zeitungssterben fortsetzen und verschlimmern
sollte?

Ich halte Funding Journalism für eine mögliche
Lösung zur Finanzierung
von Qualitätsjournalismus. Und solche Lösungen müssen schnell kommen:
Vor einigen Tagen gab der Zürcher "Tages-Anzeiger" als zweitgrösste
Schweizer Qualitätszeitung bekannt, dass er ein Drittel (!) der
insgesamt 230 Vollzeitstellen abbaut, unter anderem auch einen Teil der
Auslandredaktion und der Moskau-Korrespondenten. Es bleibt damit eine
einzige Schweizer Zeitung, die "Neue Zürcher Zeitung", die eigene
Korrespondenten in Osteuropa hat. Es wäre ein Wunder, wenn durch die
Entlassungen von Auslandredaktoren und Korrespondenten die
Berichterstattung aus Osteuropa in den anderen Blättern qualitativ und
quantitativ verstärkt würde. Deshalb sehen die Trägerorganisationen von
maiak im Funding Journalism eine realistische und sinnvolle
Möglichkeit, die Berichterstattung über Osteuropa qualitativ und
quantitativ zu verbessern.

Eine Präzisierung noch: "Den täglichen Nachrichtenjournalismus" kann
und will maiak nicht finanzieren. Das wäre höherer Blödsinn, weil
erstens die dpa-Korrespondenten in Osteuropa einen guten Job machen und
zweitens – das merken jetzt auch die Verleger – weil die News heute in
Echtzeit im Internet stattfinden und nicht auf den Seiten einer
Zeitung, die am Vortag gedruckt wurde. Die Zeitungen werden künftig auf
einer Seite alle Ausland-News zusammenfassen und ansonsten die Leser
mit exklusiven Hintergrundberichten informieren – die unter anderem
durch Funding Journalism finanziert werden.

Auch
allgemein halte ich es für unwahrscheinlich, dass spendenfinanzierte
Modelle Nachrichtenjournalismus finanzieren können, da ich als
ehemaliger Agenturjournalist weiss, dass eine Nachrichtenorganisation
wie die dpa extrem kostenintensiv ist. Stattdessen sehe ich die Stärken
des Funding Journalism klar bei der Hintergrundberichterstattung, die
er sehrwohl auf hohem Niveau leisten kann.

>> Haben Sie Leitlinien definiert, wie ihre Journalisten mit PRlern umgehen sollen und wenn ja, was beinhalten diese?

Maiak hat ein Redaktionsstatut mit der klaren Vorgabe: "Die Redaktion
weist jede Einflussnahme, jeden Druck seitens einzelner Personen,
politischer Parteien, Unternehmen, ökonomisch, religiös oder ideologisch orientierter Gruppen zurück."

Auch im Programmleitbild von maiak wird die publizistische Grundhaltung
klar vorgegeben: "Die Autoren schreiben nach publizistischen Kriterien
und unabhängig von politischen, wirtschaftlichen, religiösen, sozialen
oder anderen Interessengruppen sowie von persönlichen Interessen."

Wir unterscheiden aber Werbung oder politische Propaganda von der PR
und beurteilen Letztere nicht per se negativ. Die PR – sprich die
Öffentlichkeitsarbeit von Organisationen, Unternehmen oder Behörden –
hat durchaus ihre Berechtigung, wenn es um Information, Kommunikation
und Meinungsbildung geht.

>>
Sollte sich das Funding Journalism etablieren und in Zukunft einen
größeren Anteil der Berichterstattung tragen, hätte dies Ihrer Meinung
nach Implikationen auf Public Relations oder bliebe das Verhältnis von
Journalisten zu PRlern davon unangetastet?

Schauen wir die Sache doch ganz pragmatisch an: Auf der einen Seite
finanziell und personell gut dotierte Nichtregierungs-Organisationen
wie maiak, deren Autoren anerkannte Fachleute in ihrem Themengebiet
sind und deren Träger (Stiftungen, Universitäten und Privatpersonen)
langfristig einen unabhängigen Qualitätsjournalismus fördern wollen.
Auf der anderen Seite brutal dezimierte Redaktionen unter Zeitdruck,
die sich durch Anzeigen von Unternehmen, Organisationen und Behörden
finanzieren.

Wenn die Redaktionen einen Teil der Hintergrundberichte durch eine
Organisation wie maiak und deren Funding Journalism finanziert
erhalten, könnte es sogar ihre publizistische Unabhängigkeit
vergrössern. Ich denke deshalb, dass durch den Funding Journalism
langfristig die Öffentlichkeitsarbeit von Organisationen, Unternehmen
oder Behörden besser wird, da die PR besser werden muss.

 

Dies soll zunächst als Einstieg in das Thema 'Funding
Journalism' genügen. Mich würde interessieren: Sind Sie schon mit
Journalisten in Berührung gekommen, die für eine Funding Journalism
Organisation gearbeitet haben? Wird dieses Thema für Sie an Relevanz
gewinnen oder denken Sie, es bleibt ein Nischenthema? Über Ihre Meinung
würde ich mich freuen!

Thomas Euler

>> Freitag.de: Qualitätsjournalismus im Internetzeitalter
>> Huffington Post: Announcing the launch of the Huffington Post Investigative Fund
>> PRESSthink: Introducing the new Huffington Post Investigative Fund

Thomas Euler Thomas denkt, schreibt, spricht und berät zu digitaler Transformation, Technologie und dezentralisierten Systemen. Er ist als Gastautor im PR-Blogger tätig.

20 Jahre PR-Blogger

Klaus Eck
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Klaus Eck
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3 Replies to “Mehr Spenden für den Qualitätsjournalismus”

  1. Ja, der Vorhang zum „Funding Journalism“ ist auf- und doch sind die meisten Fragen noch offen!
    Da ist zum einen die Frage der Qualitaetskontrolle, waehrend die traditionellen Medien auch durch ihre lange Tradition sowie durch die Ausbildung von Journalisten hier Massstaebe setzen konnten, sind die Projekte des spendenfinanzierten Journalismus bislang improvisierte Ad-Hoc Projekte.
    Herr Vollmer bleibt in dem Interview ja auch inhaltlich recht vage, und seine Ausfuehrungen sind auch nicht widerspruchsfrei, so geht er z.B. von einem Gegensatz zwischen „Nachrichtenjournalismus“ und „Hintergrundberichterstattung“ aus, welcher meines Erachtens in dieser Form gar nicht existiert.
    Die Gefahr der gezielten Einflussnahme durch PR im bzw. durch Funding- Journalism halte ich dagegen fuer ueberschatzt, Einflussnahme in irgendeiner Form gab es immer und wird es immer geben, hier wird eher der Leser unterschaetzt der meist recht gut erfasst welche Tendenzen und Interessen hinter einem Text stehen koennen.
    Lassen wir uns also ueberraschen, es wird vieles anders werden in der Berichterstattung der Medien, so viel ist gewiss.

  2. Kleine Korrektur: Jürg Vollmer hat nicht „Leitlinien definiert“, sondern diese schlicht und einfach bei den Medienhäusern abgeschrieben. Was diese Copy/Paste-Mentalität über den hier so oft bemühten Begriff des „Qualitätsjournalismus“ aussagt, darf sich jeder selbst überlegen.

  3. Ich gehe mit Ihnen einig, Marc Balziger, dass gezielte Einflussnahmen durch PR im
    Funding Journalism (im Vergleich zu den Mainstream Medien) zu
    vernachlässigen sind.
    Ich gehe auch mit Ihnen einig, dass noch viele Fragen offen sind,
    bitte Sie aber zu bedenken, dass sich der Funding Journalism erst
    entwickeln muss. Die viel zitierte Arianna Huffington zum Beispiel,
    hat ihre Foundation erst angekündigt, und im deutschsprachigen Raum
    kenne ich neben maiak.info kein vergleichbares Projekt.
    Der Widerspruch meiner Trennung der journalistischen
    Darstellungsformen dürfte sich durch eine exakte Definition auflösen:
    – Die Nachricht ist die kompakte Darstellung eines Ereignisses, frei
    von subjektiven Einflüssen.
    – Der Hintergrundbericht ist eine längere, interpretierende
    Darstellungsform (Reportage, Porträt, Analyse etc.).
    Eine umfassende Nachrichtenorganisation wie die dpa aufzubauen, ist
    deshalb ein sehr teuer „Spass“. Gezielt Hintergrundbeiträge über ein
    klar definiertes Thema zu finanzieren ist auch teuer, aber
    realisierbar.
    Soweit gehen wir uns also wohl einig…
    … widersprechen möchte ich Ihnen nur in Ihrer Aussage, „dass die
    traditionellen Medien durch ihre lange Tradition sowie durch die
    Ausbildung von Journalisten in Sachen Qualitätskontrolle Massstäbe
    setzen“.
    Ein Beispiel nur:
    maiak.info publizierte dieses Wochenende eine Historie der
    russischsprachigen Medien in der Diaspora und eine Analyse deren
    Leser (www.maiak.info/dossier-russische-medien-diaspora). Wir vergaben diesen Auftrag an eine russische
    Publizistin und Fachbuchautorin, renommierte Spezialistin für sozio-politische
    Themen zur ehemaligen Sowjetunion, und gaben ihr genug Zeit für die
    Recherchen.
    Ich halte es für unwahrscheinlich, dass der überarbeitete Redakteur als Generalist in einer bis zum Anschlag „weggesparten“ (Ausland-)redaktion diese Aufgabe besser löst als ein qualifizierter und gut honorierter Fachautor – nur weil es schon seit dem 17. Jahrhundert Zeitungen gibt.
    Und ich lerne gerne die Zeitungsredaktion kennen, in welcher jeder (!) Beitrag vor der Publikation vom Chefredakteur mit bald 30 Jahren Berufserfahrung und zwei anerkannten externen Fachleuten des jeweiligen Themas sorgfältig geprüft und redigiert wird.
    Deshalb bin ich überzeugt:
    Funding Journalism fördert die Qualität des Journalismus.

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