Journalisten im Stellungskrieg?

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Print- und Online-Medien stehen seit vielen Jahren in einem seltsamen Spannungsverhältnis zueinander und führen gestrige Kämpfe gegeneinander. Wenn sich die beiden Bereiche des Journalismus endlich zu einer umfassenden konstruktiven Zusammenarbeit bewegen ließen, dann würde der Qualitätsjournalismus insgesamt davon profitieren.
Am 15. Juni 2009 fand in München eine Podiumsdiskussion im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Mediacoffee“ statt. Auf dem Podium trafen sich Dr. Dirk Ippen vom Münchener Zeitungsverlag, Hans Werner Kilz von der Süddeutschen, Markus Peichl von der LeadAcademy sowie Wolfgang Blau von ZEIT ONLINE / Tagesspiegel.de. Dr. Andreas Knaut übernahm die Moderation der unter dem Motto „Gewinner und Auslaufmodelle – Wer profitiert von der Medienkrise?“ geführten Diskussion.

Wirkliche Sieger wurden bei der Podiumsdiskussion jedoch nicht gekürt – dabei gibt es durchaus einige vielversprechende Ansätze, von denen ich zwei vorstellen möchte: Micropayments und Spartennetzwerke. Vorerst muss aber ein Grundstein gelegt werden, ohne den jegliche Monetarisierungsstrategien zu scheitern drohen:
Miteinander statt gegeneinander: Die Trennung zwischen Print- und Online-Journalismus ist anscheinend noch immer stark in den Köpfen präsent. Das Wort „Synergie“ suchte man in dieser Diskussion vergebens – zu sehr waren die Akteure damit beschäftigt ihr jeweiliges Geschäftsfeld von dem unlauteren Anderen abzugrenzen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass drei der vier Diskutanten dafür waren, Online- und Printredaktionen weiterhin zu trennen. Schließlich bleibt man doch lieber bei dem, was man selbst kennt.
Hier werden Grabenkämpfe betrieben, die längst nicht mehr zeitgerecht sind. Wenn Kilz schon postuliert „Letztlich ist die Marke entscheidend“, fragt man sich doch wirklich, warum immer wieder auf Plattform oder Formen der Präsentation an sich herumgeritten wird. Der einzige noch bestehende Unterschied zwischen Inhalten in Print- und Online-Medien ist ein historisch gewachsener und gesellschaftlich konstruierter: Print sei eher für Qualitätsjournalismus und Hintergründe bestimmt, Online ist das schnellere Medium mit den Fakten. Das ist es zumindest, was das Paradigma der Feindschaft zwischen den Medien diktiert. Aber auch von diesem letzten Unterschied wird man sich mit dem Aufkommen neuer Generationen trennen müssen – die letzte künstliche Bastion des Print wird spätestens dann fallen, wenn Leser keinen Unterschied mehr zwischen Papier und Web machen. Und diese Zeit hat für einige schon längst begonnen, die Scheuklappen der Obrigkeiten sitzen nur noch zu fest, um dies zu erkennen.
Micropayments: Wie wäre es, wenn Autoren nach verschiedensten Kriterien zentral für ihre Artikel entlohnt werden könnten? Das heißt im Klartext: Nicht mehr die feste Arbeit für eine Redaktion steht im Vordergrund, sondern ein florierender, freier Marktplatz für Artikel wird geschaffen. Qualität würde sich durchsetzen, und entsprechend entlohnt werden. Aber auch Kurztexte, Aktuelles und Meinungen würden ihre Abnehmer finden. Verwerter wären Portale, die selber kein oder nur ein sehr kleines Redaktionsteam haben. Der Journalist wird somit zur Ich-Agentur, wird direkt für die Resonanz auf seinen Artikel bezahlt. Es ist dann auch nicht mehr relevant, für welchen Verwendungszweck ein Artikel geschrieben wurde: Wenn er in die Print-Ausgabe passt, wird er dort hinein genommen – selbst weitergehende redaktionelle Verarbeitung würde mit der passenden Rechteübertragung möglich werden, der Content wird freier verwertbar.
Im Endeffekt stünden Print und Online in meiner Vision ebenbürtig nebeneinander. Der klassische Verlag würde dann wahrscheinlich in vielen Bereichen zum Auslaufmodell werden. Microverlage, eher thematisch orientiert, würden die Stellung der mächtigen Medienhäuser unterwandern und ihnen durch effizientere Produktionsbedingungen und größere Flexibilität langsam den Rang ablaufen. Journalismus würde sich wieder stärker am Individuum und der Thematik orientieren, Blattlinien wären auf dem Rückzug.
Doch um diese Überlegungen in die Realität zu übersetzen, müssen neue Metriken gefunden werden, um das journalistische Gut einzuordnen, zu bewerten und somit adäquat entlohnbar zu machen. Auch die Rechtevergabe an Texten muss einer Revision unterzogen werden: Was ist wenn die Kurzform eines Textes auf der einen Website erscheint, und die Langform auf der anderen? Was ist der Wert von Plattformexklusivität?
Spartencommunitys: Wie wäre es, wenn mehrere Contentanbieter eines Themenfeldes zusammenarbeiten und neben den eigenen Portalen ein gemeinsames Metaportal mit Inhalten beliefern würden, welches wiederum redaktionell betreut wird? Schafft man es so mit vereinter Kraft aus dem Longtail?
Welche Vorteile ergeben sich aus so einem (vertikalen) Netzwerk? Zum einen hat man einen riesigen Pool an qualitativ hochwertigen Content – eine nicht zu unterschätzende Grundlage für eine breite thematische Ausrichtung des Portals. Dies zieht wiederum eine breite Masse an Besuchern an, die für ihre jeweiligen Interessen Sparten vorfinden, die mehr bieten als der „Kleinanbieter“. Der Spezialisierung und Ausdifferenzierung des Lesers wird somit durch spezifische Content-Aggregation ein passendes Umfeld geschaffen. Herr Blau verkündete passenderweise: „Das Internet hat uns befähigt unsere Interessen extrem auszudifferenzieren“.
Durch Vertikale Netzwerke und die Aggregation von Content über die Grenzen von einzelnen Plattformen hinweg können wir diesem Trend sogar gewinnbringend entgegnen: Durch die Netzwerkstruktur ist es möglich, spezielle Zielgruppen, die sich zum Beispiel stark für den Themenkomplex des „Öko-Fashion“ interessieren, mit einer Treffsicherheit anzuvisieren, die man bei den derzeitig vorherrschenden Plattformen nur vermissen kann. Von der wahrscheinlich geringeren Größe der Zielgruppe auf kleineren Plattformen mal abgesehen. Die Auswirkung: Die Kontaktpreise steigen, jede Zielgruppe lässt sich, fein genug definiert, zur Premium-Zielgruppe machen. Der Traum eines jeden Vermarkters und Anzeigenkäufers. Die Erlöse, die auf solchen Plattformen für Contentzulieferer eingefahren werden können, sollten die einer Longtail-Platzierung somit übersteigen.
Die anhaltende Trennung zwischen Print und Online, die sich bei der Podiumsdiskussion aufzeigte, ist einer der Gründe dafür, warum wir noch nicht weiter denken: Im Grunde dreht es sich doch alles um das publizistische Gut, um den qualitativen Text. Und, um Kilz nochmal zu wiederholen: „Letztlich ist die Marke entscheidend“ – und nicht die Plattform, auf der gelesen wird. In diesem Sinne sollten wir so schnell wie möglich die Entwicklung von Konzepten und Metriken voranbringen, um unsere Medienlandschaft zukunftssicher zu machen und dem Journalismus wieder Platz zu geben – egal ob in Pixeln oder auf Papier.
Über Verlauf des Mediacoffee und Einzelstatements der Teilnehmer kann man sich auch bei Meedia, auf dem Veranstaltungsblog sowie bei der Internet World und The Strategy Web informieren.
Christoph Bauer

3 Replies to “Journalisten im Stellungskrieg?”

  1. Die Vision, dass letztlich die beste Lösung (enge Verknüpfung von Print und Online) zählt und machbar sein sollte, wird wohl immer illusorisch bleiben. Weil hinter den Bestrebungen Menschen stehen, die zwar Projekte in diese Richtung vorantreiben, aber am Ende des Tages einzig und allein nach sich und ihren Karrieren innerhalb eines Unternehmens blicken (müssen). Da sind Sie, Herr Eck, in einer komfortablen Situation, der losgelöst von strukturbedingten Einschränkungen gute Ideen einfach umsetzt. Redaktionen und Medienhäuser trauen sich diese Freiheiten offenbar nicht zu, sondern bewahren kontrolliert, was noch zu kontrollieren ist.

  2. Danke für diesen interessanten Artikel, meine Meinung dazu habe ich ja bereits im Facebook-Fragment-Stil mitgeteilt 🙂
    Gab es bei diesem Mediacoffee auch die Möglichkeit im Anschluss Fragen zu stellen bzw. Kommentare abzugeben, und wenn ja, hoffe ich doch stark, dass Du dich eingebracht hast?

  3. Danke für die Kommentare!
    @ Christine Fröhler:
    Ich, Herr Bauer (der Hinweis auf meine Autorenschaft ist gut versteckt, das muss ich zugeben 😉 ), denke schon dass es machbar ist, Print und Online stärker zu verknüpfen. Man muss nicht 2 redaktionelle Zyklen für mittlerweile sehr ähnlichen Content aufrecht erhalten – das fällt unter die Einsparungen (also die Zusammenlegung von Print- und Onlineredaktionen), die sich meiner Meinung nach nicht negativ auf die Qualität auswirken müssen, sondern eher zu einer „Befruchtung“ führen könnten.
    Das Problem der zu karrierefixierten Hintermänner, dass sie ansprechen ist sicherlich existent – wie in jeder Branche. Ich denke eher dass aus Angst an vertrauten Dingen festgehalten wird – niemand kann sagen wie sich bestimmte Änderungen auswirken. Den Planern in den Chefetagen sind solche Unsicherheiten ein Dorn im Auge – deshalb braucht es Firmen die sich voran wagen, eine Vorreiterrolle einnehmen. Der Markt gehört aufgebrochen – in einer Krise ist nach Josef Schumpeter immer Destruktion und Kreation zu sehen. Ich vermisse aber noch den kreativen Aspekt.
    @Marie:
    Wenn Du magst, replizier die Meinung doch nochmal hier? Leider haben die anderen Leser keinen Zugriff auf unsere Diskussion, und es könnte Mehrwert bringen.

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