Warum wenden sich immer mehr Menschen hierzulande von der Wirtschaft ab und vertrauen ihr nicht mehr? In der "Süddeutschen Zeitung" vom 9./10. Februar kritisiert Karl-Heinz Büschemann in einem Wirtschaftskommentar die Unternehmen, die in ihrer Kommunikationspolitik vor allem auf Täuschungsmanöver setzen. Seiner Ansicht nach fördert die Schönfärberei der Unternehmen die immer verbreiterte Wirtschaftsverdrossenheit. Statt sich offen zu den Vorgängen über interne Prozesse und Entwicklungen im Unternehmen zu äußern, werden oftmals die tatsächlichen Vorgänge vernebelt. Je perfekter ein Unternehmen zu funktionieren scheint, – in den Sprachregelungen so mancher PR-Abteilungen gibt es keine Fehler – desto weniger glaubwürdig stellt sich ein Unternehmen in der Öffentlichkeit dar.
Zynisch klingen in diesem Kontext die Äußerungen eines Ex-Konzernsprechers von Volkswagen, den der Wirtschaftsreporter zitiert. Demnach hätten die Kommunikationsabteilungen gut damit zu tun, sich Geschichten über Unternehmen und ihre Geschäftsführung aus den Fingern zu saugen: "Wir können gar nicht so viele Geschichten erfinden, wie die Zeitungen drucken wollen." Ein seltsames Verständnis des Zusammenspiels Journalismus und PR, das viele Fragen zum Selbstverständnis der PR-Branche aufwirft.
Meiner Ansicht nach lässt sich dieses Denken längst nicht auf alle übertragen. Es darf nicht Aufgabe der PR sein, unerfüllbare Erwartungen mit falschen Versprechungen zu schüren. Büschemann spricht von einer Scheinwelt: "Doch die Potemkinschen Dörfer der PR-Strategen gaukeln Perfektion vor. Darin passieren keine Fehler. Da sind alle Unternehmen die Größten. Es läuft nichts schief."
Vertrauen kann auf diese Weise nicht entstehen. Vielmehr bauen die Menschen zunehmend eine Distanz zu den Versprechungen der Manager auf. Denn wie der Volksmund sagt: "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht." Nachhaltiger als der Versuch, alles schönzureden und sich hinter einer perfekten Fassade zu verstecken, ist es, sich der Wirklichkeit offen zu stellen, möglichst viel Ehrlichkeit zuzulassen und auch zu kritischen Unternehmensthemen Stellung zu beziehen. Erst dann ist es möglich, wirklich nachhaltig die eigene Reputation positiv zu entwickeln. Was nützt es, wenn man sich selbst für das beste aller Unternehmen hält und letztlich so nackt ist wie der Kaiser bei Hans Christian Andersen, weil alle Kunden es dank Google längst besser wissen…
Als PR-Verantwortlicher darf man sich keiner Illusion hingeben. Selbst wenn die klassischen Medien nur kurze Zeit über kritische Issues berichten sollten, ist das Googleversum mit seinem Elefantengedächtnis erbarmungslos. Alles kommt raus und bleibt wirkungsmächtig im Web unter den ersten Suchtreffern erhalten, wenn es genügend Gesprächsstoff bietet. Wer sich den eigenen Verfehlungen und negativen Entwicklungen nicht offen und ehrlich stellt, wird mittelfristig seine Glaubwürdigkeit verlieren und dadurch sicherlich auch Einbußen im Geschäft erleben. Denn das (negative) Unternehmensimage wirkt sich auf die Bewerberzahlen genauso aus wie auf den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen. (PR-)llusionen helfen in der radikalen Transparenz der Jetzt-Zeit nicht weiter.
Klaus Eck
Ganz grundsätzlich d’accord, aber was manche PR Manager (allen voran Klaus Kocks) lediglich meinen, ist doch ganz nachvollziehbar: Menschen (und deshalb Medien) lieben Storys, weil sie im Gedächtnis hängenbleiben. Kennt doch jeder: Das 100 Jahre alte Möbelstück ist doch nur deshalb noch nicht auf dem Sperrmüll gelandet, weil man eine Geschichte dazu zu erzählen weiß.
Dazu bedient sich PR gängiger (bekannter) Schemata, die uralt sind und funktionieren (z.B. Greenpeace: David vs. Goliath). Am Ende interessiert dann nicht mehr, ob alles stimmt, sondern nur noch, ob alles stimmig ist. Abgesehen davon ist eine Kategorie wie „Wahrheit“ unbrauchbar, denn jeder entwickelt bekanntlich seine eigene Version von Wirklichkeit. Wer will schon immer hören, „wie es wirklich ist?“ Es macht mich nicht eben attraktiver, wenn ich wahrheitsgemäß sage, dass ich hier Samstag abend in meiner abgetragenen Jogginghose sitze. Viel lieber erzähle ich doch was für ein toller Hecht ich bin und dass ich seit drei Tagen durchfeiere, weil ich einen fetten Job an Land gezogen habe und heute einfach mal ne Pause brauche -auch wenn Samstag ist. Dabei muss man nur aufpassen, dass man nicht zu sehr auf die Glocke haut. Die Geschichte muss passen, sie muss authentisch sein. Das ist ja die Kunst.
Wow, endlich mal jemand der meine Gedanken lesen kann 🙂 Danke für diesen Beitrag!
Hey… hab hier einen Blog gefunden der das Thema aus einen andere Perspektive beleuchtet.
http://www.wieichreichwurde.blogspot.com
Markenkontrolle: Hillary Clinton vs. Barack Obama
Bei den beiden Hauptkandidaten der Demokraten in den USA, Barack Obama und Hillary Clinton, zeigen sich gegenstzliche Anstze im Umgang mit ihrer jeweiligen Marke.
Hillary Clinton
Hillary Clinton versucht, ihre Marke…
Kann deine Gedanken und Ansätze echt gut nachvollziehen. Kunden, die einem nicht Vertrauen kannn man nicht zufriedenstellen. Für mich zählt am Anfang einer Kundenbeziehung immer der erste Eindruck und das gegeseitige Vertrauen.
Ich erlaube mir den Luxus, Kunden umfassend zu beraten und Ihnen auch mal von meiner Firma abzuraten, wenn ich nicht der optimale Ansprechpartner für sie bin.
Gute Kunden belohnen Ehrlichkeit immer.
Gruss Kirsten
Nach der Politikverdrossenheit kommt jetzt also die Wirtschaftsverdrossenheit.
Das ist sicher richtig beobachtet, denn in beiden Welten geht es vorrangig darum, nach außen eine gute Figur zu machen. Eine ehrliche und offene Kommunikation findet kaum mehr statt.
Und das dürfte dann auch der Grund dafür sein, warum das Web 2.0 so schwer Fuß fassen kann: Der offene Dialog ist das Letzte, was jemand brauchen kann, der nach Außen nur eine schöne Fassade aufbauen will.
Manueller Trackback:
Februar 2008 im Kontext
http://hyperkontext.at/weblog/artikel/februar-2008-im-kontext/#sind-unternehmen-autisten
[…] Die Karawane bleibt in sicherer Entfernung nur noch ein Weilchen stehen und sieht den Managern zu, wie sie ungeniert die Hosen runterlassen, während diese selbst es noch nicht einmal bemerken. […]