Thomas Euler Thomas denkt, schreibt, spricht und berät zu digitaler Transformation, Technologie und dezentralisierten Systemen. Er ist als Gastautor im PR-Blogger tätig.

24. Nachgebloggt: Prof. Thomas Pleil & Kommunikation 2.0

4 Minuten Lesedauer

Wie verändern sich die Aufgaben der PR und welche Bedeutung hat das Lobbying in Zukunft ? Darauf gab mir Prof. Thomas Pleil, Professor für Public Relations an der
Hochschule
Darmstadt
am Rande der Lobbying und PR Tagung in Ingolstadt einige Antworten. Ich hatte dort die Gelegenheit, ein
Gespräch mit ihm zu führen.

>> Traditionell hinkt die Wissenschaft der Praxis hinterher, da es seine Zeit
dauert, bis neue Entwicklungen entsprechend aufgearbeitet wurden. So gibt es
derzeit noch wenig wissenschaftliche Arbeiten über das Komplex "Web 2.0". Wird
das Internet mit seinen neuen Möglichkeitsdimensionen Ihrer Meinung nach die
Wissenschaft und ihre Prozesse ändern?

Ob sich die Wissenschaft insgesamt ändert, weiß ich nicht. Allerdings wird es
Bereiche geben – und dafür gibt es auch heute schon vereinzelt Beispiele – in denen
die Wissenschaft Web 2.0 einsetzt und dadurch neue Qualitäten bekommt. Das heißt
nicht, dass Wissenschaft besser wird, aber es ist eine Vereinfachung der
Kommunikation zwischen Wissenschaftlern untereinander und weiteren
Teilöffentlichkeiten. Dadurch wird die
Wissenschaft meiner Prognose nach noch öffentlicher, als sie es heute bereits ist.
Dank dem Internet sehe ich die Chance, dass auch in einer immer
spezialisierteren Wissenschaftswelt der Austausch zwischen Fachwelt und
Gesellschaft klappt und besser wird.

>> Dank und grade im Raum des Internets wird die Kommunikation zunehmend
dialogischer. Eine verbreitete These ist, dass professionelle Kommunikation erst
dadurch effektiv wird, dass die dahinter stehenden Organisationen auch
entsprechend handeln. Wird dies Einfluss darauf haben, welchen Stellenwert die
Funktion PR in den Unternehmen hat, weil sie dadurch zwangsläufig in die
Unternehmensführung rücken muss? Oder bleibt PR Stabstelle beziehungsweise
Unterabteilung des Marketings?

Grundsätzlich ist erst mal klar: Unternehmen werden an ihrem Verhalten gemessen.
Dazu gehört auch, welchen Service und welche Produktqualität ich biete und wie
die Produkte hergestellt werden. Gerade letzteres gewinnt zunehmend an Bedeutung,
da doch einige Verbraucher hinterfragen, wie etwas entstanden ist. Public
Relations hat aus meiner Sicht künftig noch sehr viel mehr die Aufgabe, nach
außen zu schauen und zu beobachten, was die eigentlichen Anforderungen sind.

Je stärker man
dialogorientiert kommuniziert, desto aufwendiger wird der Prozess natürlich.
Daher muss in jedem Kommunikationsplanungsprozess überlegt werden, welche Art
der Kommunikation zweckgemäß ist. Wenn die Stakeholder von meinem Thema noch
nichts wissen, dann ist Einwegkommunikation in Form der reinen Information oft
ausreichend und angemessen. Haben sie aber eine kritische Einstellung zu einem
Thema, das für mich sehr wichtig ist, dann bietet es sich meist an, via Dialog
zu einem Ergebnis zu gelangen.

>> Könnte man konstatieren: Je höher das Involvement der Bezugsgruppe
ist, desto eher bietet sich ein Dialog an?

Im Prinzip ja. Ich sehe PR viel weniger als ausführendes
Organ, das nur das kommuniziert, was irgendwo als Fakt geschaffen wurde. Auch in den
meisten Unternehmen hat man erkannt: Wenn irgendwo Quatsch produziert wird,
hilft auch die schönste Kommunikation nichts. Also muss die Kommunikation schon
an anderer Stelle beteiligt sein. Daher sehe ich die PR als die
Kompetenzfunktion eines Unternehmens, die einerseits die Umwelt beobachtet und
andererseits kommunikative Reaktionen abschätzen kann.

>> Muss PR dann soweit gehen, dass sie zunächst eine Unternehmensphilosophie
nach innen und außen definiert, bevor sie überhaupt etwas kommunizieren kann?

Zumindest muss die PR am Tisch sitzen. Darüber, ob sie es wirklich definieren
muss, kann man sich lange streiten und unterhalten. Elementar ist aber, dass die
PR die Unternehmensleitung entsprechend berät, so wie auch die Personal- oder
Finanzdienstleistung ihre Beratungsleistung erbringt.

>> Noch mal ein kleiner Schwenk zum Internet. Segmentierung wird immer genauer
möglich. Neue Entwicklungen im Bereich des Targetings oder besonders auch der
Social Networks gehen in die Richtung, weniger Clustergruppen sondern gezielt
Individuen ansprechen zu können. Welche großen Herausforderungen ergeben sich
dadurch für die Organisationen?

Für all diejenigen, die eine solche Denkrichtung verfolgen, ist die erste
Herausforderung, solche Systeme tatsächlich zu realisieren. Eine interessante
Frage die sich daraus allerdings auch ergibt ist, welche Reaktionen sowas
hervorrufen wird. Sprich: möchte der Einzelne überhaupt individuell angesprochen
werden? Ein mögliches Szenario wäre ja, dass der Nutzer eines Social Networks
das Gefühl bekommt, vollkommen transparent zu sein. Wenn dies dann auch noch im
Marketing entsprechend genutzt wird, kann es durchaus zu Abwehrreaktionen kommen
und die Leute sagen: "Das will ich überhaupt nicht!". Also muss man gut
überlegen, wie weit man eigentlich gehen sollte, bevor man solche
Targetingtechniken überstürzt einsetzt. Sonst verliert man am Ende noch mühsam
erarbeitetes Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

>> Dennoch sind solche Möglichkeiten natürlich für jeden Menschen aus Marketing
und Kommunikation äußerst faszinierend. Können Sie sich vorstellen, eine höhere
Akzeptanz beim Nutzer dadurch zu schaffen, dass er auch selbst effektiv
profitiert? Indem ich ihm also tatsächlichen Mehrwert biete?

Der Mehrwert ist wirklich der entscheidende Punkt. Wichtig ist ein gutes
Verhältnis zwischen dem, was der User preisgeben muss und dem für ihn damit
verbundenen Mehrwert. Dieses Gleichgewicht muss stimmen, damit er ausreichend
motiviert ist, solche Angebote auch zu nutzen. Dennoch bin ich bei der Preisgabe
von Daten immer skeptisch und denke, man sollte in Werbung und PR nicht alles
tun, was geht.

>> Das Thema der Tagung hier ist das Lobbying und es wurde deutlich, dass
funktionierende Public Affairs-Arbeit auch den Rückhalt aus der Bevölkerung
braucht. Wird sich durch Portale wie Abgeordnetenwatch oder ähnliche auch die
Rolle des Einzelnen im Lobbying- und Politprozess verschieben, hin zu mehr
Einfluss, da er ja zumindest theoretisch die Möglichkeit hat, näher am Geschehen
zu sein?

Mein persönlicher Eindruck ist, dass wir eventuell verstärkt dahin kommen, wie
Demokratie ursprünglich mal gedacht war. Natürlich sorgen Seiten wie
Abgeordnetenwatch oder Lobby Control für mehr Transparenz und machen es dem
Einzelnen leichter, sich Informationen zu beschaffen – was eine sehr positive
Entwicklung ist. Die Frage ist nur, wie viele Menschen von diesen Angeboten
Gebrauch machen werden. In Zeiten von Politik- und Wahlmüdigkeit besteht die
Gefahr, dass nur ein kleiner und elitärer Kreis der Bevölkerung diese
Instrumente auch nutzt um stärker an der Demokratie teilzuhaben.

>> Allerdings stünde es jedem frei, sich dort einzubringen. Und auch wenn über
die genauen Gründe für die Politikverdrossenheit eher spekuliert wird, ist der
Eindruck sicher nicht ganz unbedeutend, als normaler Mensch ja doch nichts
verändern zu können. "Die da oben machen sowieso, was sie wollen". Wenn man dann
aber feststellt, dass ein Dr. Wiefelspütz auf Abgeordnetenwatch fast jeder Frage
zur Vorratsdatenspeicherung antwortet, kann dies ja auch positive Effekte haben,
da man eben sieht: Auch mit diesen Menschen kann man reden.

Ich sehe darin auch eine große Chance. Der Knackpunkt ist nur, eine möglichst
große Beteiligung zu schaffen, damit aus solchen Portalen keine Veranstaltung
von ein paar wenigen wird. Vom Grundsatz her gebe ich Ihnen aber recht: Das
Potential ist da.

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Thomas Euler

Thomas Euler Thomas denkt, schreibt, spricht und berät zu digitaler Transformation, Technologie und dezentralisierten Systemen. Er ist als Gastautor im PR-Blogger tätig.

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