“Hahaha… das glauben Sie doch wohl selbst nicht, Herr Iding, dass ich in dem Change-Management-Projekt einen Blog im Intranet einrichte, in dem jeder schreiben kann, was er denkt…” Die Personalleiterin schaut mich amüsiert in unserer Veranstaltung an. Und wir sind genau am Punkt: Was heißt das für die Führung, wenn man den Change-Prozess durch einen Blog im Intranet begleitet?
Zweieinhalb Tage lang ging es um alle Fragen rund um die Kommunikation und Führung von Change-Prozessen. ¡communicate! ist ein gemeinsames Projekt der Bertelsmann Stiftung, der Heinz Nixdorf Stiftung, des DaimlerChrysler-Fonds und der TU München. Angeboten wird ein „Executive Training“, das sich an Kommunikations-Profis und General Manager mit langjähriger Arbeitserfahrung wendet. Es bietet den Teilnehmern Weiterbildung in Corporate Communication und Strategic Management.
Welches Vorgehen hilft bei der Neuausrichtung von Organisationen? Mit welcher Strategie lassen sich Veränderungsprozesse kommunizieren? Eine Herausforderung für die Führung: wie die Veränderung für die Mitarbeiter akzeptabel gestalten? Und wie gestaltet sich Leading Change im internationalen Umfeld? 14 Kommunikationschefs und Manager aus großen deutschen Unternehmen dachten in Bonn über diese Fragen nach.
Das Blog als Kommunikationsinstrument kann den Change-Prozess unterstützen. Ein solches Instrument müsste folgende Anforderungen erfüllen: mehrperspektivisch, unparteiisch, entwicklungsorientiert, alltagsnah, dialogorientiert und situationsadäquat. Das alles trifft auf einen Blog zu. Der technische Aufwand, es ins Intranet zu integrieren, ist gering. Der Blog steht für eine Hands-on-Kommunikation, da direkt im Browser kommentiert wird. Die Verteilung der Informationen erfolgt zeitnah und ortsungebunden. Subjektivität ist erwünscht – Authentizität und Glaubwürdigkeit werden durch den Blog unterstützt, eine wichtige Voraussetzung für Change-Prozesse. Und: es ist ein Pull-Medium. Don’t spam my Mailbox.
Den Einsatz des Blogs muss man aber auch managen: Blogger-Regeln und -Ressourcen müssen geklärt werden und man sollte einige Mitarbeiter als CM-Botschafter einsetzen, die für das Bloggen gecoacht werden. Ebenfalls muss man sich darüber Gedanken machen, ob das geplante CM-Vorhaben durch ein solches Instrument wirklich unterstützt wird. Das muss nicht zwangsläufig sein. Blogs sind keine Allheilmittel. Haben Mitarbeiter wenig oder keinen Zugang zum Intranet, macht ein Blog als Kommunikationsinstrument wenig Sinn.
Umgekehrt erfordert ein solches Instrument aber auch ein Umdenken
beim Management: hier wird ein Informationskanal vollständig
freigegeben. Das löste zumindest im Executive Training bei einigen
anwesenden Kommunikationsmanagern Kontrollverlustängste aus. Geordnete
Redaktionsprozesse und -freigaben sind eingespielt und kollidieren erst
einmal mit dem Graswurzelansatz des Blogs. Der Blog kann im CM-Prozess
einseitig von Gruppen oder gar Einzelnen missbraucht werden, oder was
mindestens genauso desaströs ist: es wird gar nicht genutzt und
spiegelt die Beteiligungsbereitschaft unmissverständlich. Konstruktiv
gesehen, kann ein Blog helfen, Zugang zu den Denkwelten der
verschiedenen Beteiligtengruppen zu finden, um so auch Vertrauen
aufzubauen. Es macht die mikropolitische Arena sichtbar, als die das
Unternehmen eigentlich verstanden werden muss. So können
unterschiedliche Interessen tragfähig miteinander verbunden werden oder
zumindest zeichnen sich die Brücken ab, über die man gehen kann. Das
hier skizzierte Change-Design knüpft damit an Management-Konzepte an,
die dem „Lateralen Führen“
entsprechen – einer Alternative zur klassischen hierarchischen
Steuerung. Denkgewohnheiten, Machtspiele und Vertrauen werden als
unterschiedliche Werkzeuge verstanden, mit denen eingefahrene
Situationen aufgebrochen werden können und sich für den Change mehr
Optionen ergeben. Blogs können diesen Prozess unterstützen.
Im Pausengespräch berichtet der Kommunikationsmanager eines globalen
Logistikkonzerns von seinen interkulturellen Verhandlungserfahrungen:
„die Deutschen“ werden immer noch vor dem Hintergrund der beiden
Weltkriege eingeschätzt. Auch von jüngeren Managern aus aller Welt.
Durch die „Re-Education“ nach dem 2. Weltkrieg treten „wir“ anscheinend
häufig zu team- und konsensorientiert auf – zum Beispiel im Vergleich
zu „den Franzosen“. Das wird als Schwäche ausgelegt. Umgekehrt: gehen
„wir“ zu ziel- und detailorientiert vor, dann ist es mal wieder der
„Blitzkrieg“. German double bind. Interessant dazu: die Untersuchung
von Prof. Dr. Hans Pongratz über den Einfluss der Militärerfahrungen auf das Führungsverhalten: Hans J. Pongratz: Die Interaktionsordnung von Personalführung.
>> Blogify or Die – Weblogs: Die neue Sprache der Wirtschaft?
>> Programm „Leading and communicating Change“
>> Virtuelle
Authentizität – Die Nutzung von Weblogs als Kommunikationsinstrument
für das Top-Management (Ansgar Zerfaß und Swaran Sandhu)
Dr. Hermann Iding
Marketing- und Kommunikationsberatung
Die interkulturellen Erfahrungen kann ich nicht bestätigen.
Die eigenen Befürchtungen, im Ausland als Ex-Nazis wahrgenommen zu werden, waren in der Regel stärker als die real noch vorhandenen Ressentiments. Und um die gängigen Klischees noch etwas auszuweiden: Gerade bei Amerikarern führt das „don’t now much about history“ dazu, dass sich Diskurse doch eher um die Themenanker Porsche, Autobahn und Oktoberfest drehen. Bei der Vorbereitung auf interkulturelle Geschäfte sollte man also lieber Auto-Motor-Sport statt FAZ und Joachim Fest studieren :).