Lena und das Obama-Prinzip

1 Minuten Lesedauer

Lena Meyer-Landrut hat es geschafft. Wir sind Eurovision. Der eigentliche Sieger heißt jedoch Stefan Raab. Denn obwohl die Sympathie der Nation der 19-jährigen Abiturientin gilt, ist der umtriebige Medienmacher die treibende Kraft hinter dem Spektakel. Durch gezielte Inszenierung und noch geschicktere Mediensteuerung hat er es geschafft, aus einem extrovertierten Teenager den neuen Inbegriff für Authentizität oder zumindest Offenheit zu schaffen.

Lena
Doch was sind die Grundpfeiler seiner Strategie, die nicht als solche erkannt werden möchte? Lena wirkt echt, natürlich, gar ungeschminkt. Mal ist sie frech, mal schüchtern, mal flippig, mal müde – aber scheinbar nie einem roten Faden folgend. Und doch gibt es ihn, den roten Faden: bloß nicht berechnend wirken. Immer aus dem Bauch heraus agieren, wird ein wichtiger Tipp sein, den Raab seinem Schützling gab. Sie versucht nicht ständig hübsch auszusehen, zieht Fratzen und schämt sich öffentlich. Die Zuschauer haben das Gefühl, das echte Mädchen von Nebenan vor sich zu haben. Dabei kennen sie Lena überhaupt nicht. Kein gekünsteltes Bild eines erstrebenswerten Charakters, sondern ein echter Mensch im realen Leben.Und das gerade dort, wo man es am wenigsten erwartet: beim größten Medienspektakel der Welt. Der Tagesspiegel formuliert es treffend:

"Dieses eindeutige Votum für das Ungelenke, Spontane, herzerwärmend Unfertige: Es wirkt umso erstaunlicher, als es sich mitten in einem extrem industriellen Kontext vollzieht."

Des Weiteren spielt die suggerierte Nähe eine gewichtige Rolle bei dem Sieg der Herzen. Lena lässt die Menschen an ihrem Erfolg, ihrer Aufregung, ihrer Freude und Unsicherheit teilhaben und ist die ideale Projektionsfläche für das neue Deutschland. Zumindest empfindet ein Großteil der Öffentlichkeit das so. In Wahrheit werden ganz gezielt kommunizierte Happen an die Medien freigegeben. So gezielt, dass sogar kleinere Skandale, wie zum Beispiel Lenas frühere Rollen in verschiedenen, qualitativ eher schlechten, TV-Formaten (inklusive Busen-Blitzer) der jungen Frau nicht übel genommen werden. Ganz im Gegenteil: der Mut und das Rückrad, dazu zu stehen, werden ihr positiv angerechnet. Persönliches, wie zum Beispiel Informationen über ihre Familie sind kaum zu finden. Auch wenn die Bild in ihrem näheren Umfeld dazu recherchierte, gehen solche Fakten im kontrollierten Medienrummel unter. Auf private Fragen reagiert sie gar nicht oder mit einem frechen "nöööt". Übel nehmen ihr das die wenigsten, da das Gefühl vermittelt wird, man kennt Lena sowieso bereits "privat".

Damit macht sich Lena das Obama-Prinzip zu eigen: Die Fans bekommen derlei viele Infos zu unterschiedlichsten Themen, dass ihnen gar nicht auffällt, wie viele Informationen ihnen eigentlich vorenthalten werden. Doch sie hat natürllich einen guten Lehrmeister: Stefan Raab selbst hat diese Technik im Umgang mit den Medien perfektioniert. Fast jeden Abend kann man ihn im Fernsehen erleben, regelmäßig kreiert er eigene Großevents, wie die Wok-WM und vermutlich würde die Mehrheit der Deutschen ihn als bodenständigen, nahen Typ beschreiben. Doch in Wahrheit weiß man eigentlich so gut wie nichts von ihm. Geschickt entzieht er sein Privatleben der medialen Berichterstattung, ohne dass es sonderlich auffällt. 

Daniella Dear

Bildmaterial: Daniel Kruczynski 

11 Replies to “Lena und das Obama-Prinzip”

  1. Sehr gut beobachtet und guter Blogbeitrag. Die Kommunikationsstrategie der beiden ist genial. Und mit Stefan Raab an der Seite riskiert man auch mal so ein „nöööt“ gegenüber RTL oder anderen.
    Der Showmaster Raab macht es seit langem schon mit der Bild (und anderen) wie auch einst Fußball-Profi Mehmet Scholl: einfach nie ein Interview zu privaten Dingen geben und alles, was erfunden oder auch nicht erfunden wurde, unkommentiert lassen – bis man uninteressant wird…
    PS: Ein Satz im Beitrag: „Ganz im Gegenteil: der Mut und das Rückrad, dazu zu stehen…“ – Heißt Rückgrat. 🙂

  2. Ich bin der Meinung, wir sollten nicht motzen, sondern dankbar sein. Wir werden jeden Tag in den Medien von inkompetenten, unprofessionellen Stümpern belästigt. Da finde ich eine (nicht erkennbare)professionelle Strategie doch zur Abwechslung mal ganz erfrischend!
    Und zu Lena selbst: ich bin 42 Jahre alt. Wir hatten damals unsere Nena. Und wir waren alle in sie verknallt! Jetzt ist Lena dran, und das ist gut so!!!

  3. Danke für die Kommentare!
    Meckern möchte ich nicht – ich kann Lena und Herrn Raab den Erfolg gut und gerne gönnen. Interessant finde ich dennoch, wie hier ganz bewusst mit den Medien gespielt wird. Ein wirklich gelungenes Beispiel für eine interessante Kommunikationsstrategie.

  4. Mich interessiert Lenas Musik eigentlich kaum, aber ich muss auch nicht weghören, wenn sie mal läuft. Ich muss auch nicht über alles informiert sein, was sie tut. Mit dieser Strategie kommt sie halt überall sympathisch rüber. Man kann gut neben ihr existieren, wenn man nicht begeistert ist, nimmt man sie eben wohlwollend zur Kenntnis. Wer sollte ihr etwas mißgönnen? Sie polarisiert ja schließlich kaum. Außer den paar üblichen Stinkstiefeln, die zu allem eine (negative) Meinung haben.

  5. Es mag ja sein, dass man das Handeln von Stefan Raab und auch seiner Schülerin Lena in ein bestimmtes System einordnen kann. Jedoch finde ich es als gutes Recht sein Privatleben aus den Medien zu lassen.
    Das man dieses „geschickte Entziehen aus dem Medienrummel“ üben muss ist klar, besonders bei so einem Rummel wie er derzeit herrscht.
    Ihr Beitrag fasst aber auf jeden Fall nochmal gut zusammen, was viele vorher schon an Stefan Raab analysiert haben.
    PS: Sollte es dann nicht eigentlich das Raab-Prinzip sein? Der ist schließlich schon länger im Geschäft als Obama 😉

  6. Ich will das eigentlich auch alles gar nicht wissen, also das, womit einen die Regenbogenpresse zu belästigen versucht: Mir ist egal, ob Harald Schmidt verheiratet ist, wo Stefan Raab wohnt und wie die familiären Verhältnisse von Lena Meyer-Landrut aussehen. Die sollen einfach ihren Job machen in der Unterhaltungsindustrie und dann ist die Sache für mich gegessen. Wenn ein Journalist einen guten Text schreibt, dann frag ich auch nicht, wie es seiner Frau geht oder ob er homosexuell ist. Das brauch ich nicht wissen – und die Presse sollte auch nicht glauben, jede Neugier der Massen befriedigen zu müssen.

  7. Ein hoch interessantes Thema wie ich finde. Und man kann Raab und Lena hier auch nur gut zusprechen, die machen einfach alles richtig! So haben eine Stategie wie man sein Privatleben ganz ohne Nachteile aus dem Business raushalten kann, von solch einer Stategie träumen nur so mansche Promies. Den wenn wir ernsthaft nachdenken brauchen wir auch nur die Infos die zum Business der Promis passen, der rest ist einfach nur ein Lückenfüller und interessiert eigentlich niemanden wirklich.

  8. „Doch in Wahrheit weiß man eigentlich so gut wie nichts von ihm. Geschickt entzieht er sein Privatleben der medialen Berichterstattung, ohne dass es sonderlich auffällt.“
    Ääähh – wo ist da das Problem? Seid Ihr jetzt auch schon sauer wie die BILD, dass Ihr keine Informationen über das Privatleben anderer Menschen bekommt?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert