Welches Ansehen genießen Content-Marketing, Content Creation und Content-Management aktuell? Leider noch kein recht gutes, trotz des großen Hypes um diese Themen. Wie kam es zu ihrem schlechten Image? Warum wird Content seit langer Zeit in den Unternehmen eher stiefmütterlich vernachlässigt – und warum brauchen wir heute das Gegenteil davon: die Konzentration auf eine allumfassende Content-Strategie?
Die Bedeutung des Contents beginnt sich seit vielen Jahren zu wandeln, langsam, aber dennoch wahrnehmbar. Inzwischen erkennen viele an, wie wichtig Content als Treibsatz für die Wirtschaft ist. In der heutigen Echtzeitkommunikation haben Marken die Chance, über ihre Inhalte direkt auf die Kundenbeziehungen Einfluss zu nehmen. Er gilt als wirksamer Unterstützer, wenn nicht gar Ersatz, von PR und Werbung, deren Wirkung immer mehr zu verblassen scheint. Sogar das Wording in der Kommunikationsbranche ist mittlerweile „content-freundlich“:
In Agenturen und Unternehmen sind neue Berufsfelder wie Content-Marketer, Director of Content, Chief Content Officer, Content-Strateg:innen, Content-Manager, Content Architects und Content Creators entstanden. Doch Achtung vor der Schlussfolgerung, dass Content-Verantwortliche nun eine wichtige Rolle spielen, auch wenn Marketiers und PR-Manager ein altes Mantra immer und immer wieder zum Besten geben: Content is King!
Jede Woche lesen oder hören wir diesen Satz in den Fachmedien und auf LinkedIn. Aber lassen Sie sich nicht täuschen. Das ist eine einzige Illusion, die mit der Realität wenig gemein hat. Durch Wiederholung wird eine – bisher noch leere – Phrase leider nicht wahrer.
Wenn Sie jemand zum König erheben wollen, dann Ihre Kundschaft oder Ihre Mitarbeitenden – und nicht ein bloßes Instrument, mit dem Sie diesen erreichen wollen. Content ist kein Selbstzweck. Er dient dazu, Ihre Kunden glücklich zu machen, die eigene Reputation zu verbessern und, natürlich, mehr zu verkaufen.
Doch wenn man die Best Practices, die gerne genannt werden, genauer betrachtet, muss man feststellen: Viele davon sind lediglich eng konzipierte Content-Marketing-Versuche, die das Potenzial nicht ausschöpfen.
Auf der Frankfurter Buchmesse 2014 bin ich ziemlich optimistisch mit dem Thema Content-Marketing und Content-Strategie gestartet. Es sind große Plakate mit einem Autorenfoto von mir aufgehängt worden, mit einem Hinweis auf das damals neue Buch „Content-Revolution im Unternehmen“ von Doris Eichmeier und mir. Doch viele Jahre später sehe ich manches skeptischer.
Die eigenen Leistungen über Content-Marketing verkaufen
Worum geht es im Kern, wenn Journalist:innen, Agenturen, Berater, PR- und Marketing-Verantwortliche heute vom Content-Marketing schwärmen? Sie möchten in erster Linie ihre jeweilige Bedeutung hervorheben und ihre Rolle als Vorreiter bestätigen. Darum geht es ihnen: um eine Neuverortung der Content-Budgets zu ihren Gunsten.
Es scheint beinahe so, als wären die Kommunikations- und Marketingleute bei einem Adligen in die Lehre gegangen, der eine wichtige Rolle im Roman „Der Gattopardo“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa spielt: bei Fürst Tancredi. Er sagt: „Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass alles sich verändert.“ Damit rechtfertigt der Adlige seine Unterstützung des Revolutionärs Garibaldis, dessen Revolte in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Einigung Italiens unter bürgerlichen Vorzeichen erreichte.
Mich nervt diese Art der Auseinandersetzung mit dem Content-Marketing inzwischen sehr, weil dadurch so wenig Neues zur Diskussion beigetragen wird. Manchmal habe ich das Gefühl, alle Ideen, fundierten Theorien und Diskussionen der vergangenen Jahre sind irgendwie verloren gegangen (siehe Anhang unten). Es gibt keine Suchmaschinen mehr, die genutzt werden, um uns dorthin zu führen oder etwa doch?
In der Debatte entdecke ich seit Jahren für mich wenig Neues, vielleicht ist einfach schon alles gesagt worden. Banale Ergänzungen sind ganz nett, genügen mir persönlich jedoch nicht, wenn ich diese Ideen zum zehnten Mal in kaum veränderter Form lese, zumal ich oft genug selbst in meinen Vorträgen über viele Content-Marketing-Lügen bzw. Illusionen spreche.
Aus reiner Content-Marketing-Sicht genügen beliebige, einfache Inhalte auf lange Sicht nicht, um dadurch für Aufmerksamkeit im Sinne des Agenda-Settings und des Reputation-Managements zu sorgen. Es sind oftmals nur digitale Strohfeuer, die schnell verpuffen und von Google nur kurz als News oben in den Rankings gehalten werden.
Um Content-Marketing geht es dabei weniger, eher um das Personal Branding, was eigentlich auch legitim ist. Leider führt uns das schon längst in den Meta-Content-Shock.
Von anderen lernen und Erfahrungen im Content-Marketing nutzen
Wer herausfinden will, was Content-Marketing ist, könnte bei einer einfachen Google-Recherche weit kommen. Ich habe natürlich leicht reden, weil ich schon einige Videos und Texte und Bücher dazu veröffentlicht habe und auf diese Weise im Thema positioniert bin.
In meiner alten Content-Marketing-Agentur d.Tales, die nun zur Schüterschen gehört, haben wir eine Definition für Content-Marketing gefunden:
„Gemeinsam mit euch stellen wir eure Kunden online in den Mittelpunkt. Über Social Media und andere digitale Wege stellen wir sicher, dass ihr sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort der Customer Journey für euch gewinnt. Nicht 08/15 und ohne Mehrwert, sondern kreativ, informativ und unterhaltend, damit eure Botschaften im Gedächtnis bleiben und ihr eure Unternehmensziele erfüllt.“ (Content-Marketing Definition)
Aber wenn Marketiers, Werber, Berater, Kommunikatoren und Journalist:innen ihre Expertise beweisen (wollen) und zeigen, dass sie das Thema erkannt und verstanden haben, stellt sich mir die Frage, welchen Beitrag sie damit leisten. Es wäre toll, wenn wir uns damit nicht munter im Content-Marketing-Kreise drehen würden, ohne Neues zum Diskussionsstand beizufügen. Irgendwann erreicht das seinen Grenznutzen und wirft uns aus der Bahn.
Aus der Sicht der Stakeholder gesehen ist jeder Beitrag überflüssig, der nur auf das eigene Personal Branding einzahlen soll. Egomanie ist keine Content-Marketing-Lösung! Google bewertet die Content-Qualität, die nicht durch die Wiederholung des alten entstehen kann, sondern uns alle entnervt zurücklässt.
Beliebigkeit ist der Feind des Content-Marketings. Wie oft benötigen wir denselben Inhalt zu einem Thema? 50 Artikel, die immer wieder auf dieselben Thesen im Content-Marketing herumhacken und die Welt infrage stellen, wer braucht diese, wenn sie nicht einmal unterhaltsam sind? Gut! Das Content-Marketing geht wieder vorbei wie das Internet.
Gibt es nur ein neues Argument, eine neue Idee, einen neuen Kontext oder eine innovative Herangehensweise oder ein neues Arrangement des Themas, dann erschließt sich mir die Sinnhaftigkeit eines Beitrags, weil er die Content-Marketing-Diskussion voranbringt. Doch dazu würde ich mir wünschen, dass der jeweilige Autor oder die Autorin vorab recherchiert und einige Quellen benennt.
Keine Content-Revolution mehr in Sicht
Fakt ist also: Von einer wahren Content-Revolution sind wir auch im Jahre 2022 noch weit entfernt. Beim Verfassen unseres Buchs über die „Content-Revolution im Unternehmen“ waren Doris Eichmeier und ich im Jahr 2014 wesentlich optimistischer.
Im deutschsprachigen Raum gehen wir immer zurückhaltend mit Revolutionen um, allein der Hype um Content-Strategie und Content-Marketing war anfangs schon unheimlich. In dieser Hinsicht sind die Vereinigten Staaten immer wesentlich weiter gewesen, Content-Marketing wird dort seit vielen Jahren praktiziert. Wir aber distanzieren uns stattdessen lieber von dem neuen Wording, um es dann mit Verve ins Spiel zu bringen und die Veränderung in den Unternehmen zu unseren Gunsten voranzutreiben. Ob sich dadurch jedoch vieles ändert, war eher fraglich.
Die Wertigkeit des Contents hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt. Seine Rolle wurde in der Tat neu definiert. Wer heute mit Content erfolgreich sein will, muss dafür härter arbeiten denn je. Alles muss auf den Prüfstand, alle Content-Assets, die es bislang bei Ihnen gibt, sollten Sie mit einer gewissen Skepsis betrachten, weil vieles davon seit einiger Zeit nicht mehr funktioniert. Die Website zum Beispiel hat ihre Geschichte, die sie zu einer gewissen Bedeutung in den Organisationen geführt hat. Aber leider bildet sie nur die Unternehmenswirklichkeit ab und wird kaum mehr den Bedürfnissen der Stakeholder gerecht.
Kreativ, informativ, unterhaltend im Content-Marketing
Content-Marketing sollte selbstverständlich immer möglichst effektiv sein. Um das zu gewährleisten, sollten Sie ein besonderes Augenmerk auf die Customer Journey richten und die richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt und auch am richtigen Ort der Customer Journey einsetzen.
Beim Content-Marketing geht es vor allem um eines: um gute Inhalte. Content ist nur dann exzellent, wenn er einen Mehrwert für den Kunden und für das Unternehmen bietet. Dieser kann kreativ, informativ oder unterhaltend sein – Hauptsache er ist nicht 08/15.
Denken Sie daher komplett neu und lassen Sie sich auf eine Content-Revolution ein, in der es um mehr geht als mit Content Werbung zu machen und direkt ein Produkt zu verkaufen. Wer als Produzent Content-Marketing und Werbung gleichsetzt und bei der Creation auf werbliche Zwecke setzt, verliert darüber schnell das Vertrauen der Stakeholder. Wir sollten nicht für SEO schreiben, allerdings dessen Regeln verstehen. Unsere Kommunikation mag kommerziell sein, das heißt aber noch nicht, dass jedes Content-Format „verkaufen“ muss.
Oft geht es darum, die Nähe zu den Kunden herzustellen und Vertrauen als Informationslieferant aufzubauen. Wer das beherzigt, hat gute Chancen, mit seinen relevanten Inhalten die richtigen Stakeholder zu erreichen.
Ich sehe gute Erfolgschancen für eine erfolgversprechende Zukunft des Content-Marketings in der Personalisierung der Inhalte über Corporate Influencer und setze deshalb seit vielen Jahren auf Corporate Influencer Programme. Darüber können Unternehmen am besten Nähe zu Ihren Kunden aufbauen. Denn Menschen mögen andere Menschen und führen gerne in den Märkten miteinander online wie offline Gesprächen. Eröffnen Sie ihnen deshalb über menschliche Kommunikation diese Möglichkeit.
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Fotos: Klaus Eck; Sigma; Haufe Group
Sehr fundierter Artikel über Content Marketing. Ich höre ein wenig den Frust heraus von Klaus Eck zu diesem Thema. Er plädiert eher für Content Strategie, was ich besser finde.
Hallo Klaus, ich verstehe deinen Frust. In meiner Agenturzeit habe ich auch mit dem Begriff „Content Marketing“ hantiert und gehadert. Ich habe mich sogar so sehr davon verabschiedet, dass ich aus der Agentur raus bin und nur noch „Content“ für einen Publisher mache. Und weißt du, was mein Grund war, den Begriff „Content Marketing“ nicht zu mögen? Weil damit „Inhalt“ missbraucht wird, um Dinge zu verkaufen. Selbst wenn Content also grundsätzlich gut ist, ist er manchmal einfach nicht das richtige Mittel. Ich denke, du definierst „Erfolg haben“ in Leads und Converseion. Doch ich denke, es lohnt sich, die beiden Systeme „Verkaufen“ und „Inhalt verbreiten“ gedanklich nicht in einen Eintopf zu werfen. Wirklich guter Inhalt gelingt dann, wenn wir nicht an die Customer Journey denken, sondern an das „Warum“, das uns antreibt. Und das ist selten der reine Gewinn eines Unternehmens. Das wollte ich nur loswerden. Danke für deinen Beitrag.