Margot, in Deutschland beginnen Unternehmen, die Bedeutung zu erkennen, die gute Inhalte für den Unternehmenserfolg habe. Allerdings stellen sie nur selten eigene Budgets für Content-Strategie und Content-Marketing bereit. Ist das ein Problem?
Margot Bloomstein: Bei Content-Strategie ist es wie mit vielen anderen Dingen: Es ist wichtiger, die Arbeit zu machen, als sie mit bestimmten Begriffen, Budgets oder Kostenstellen zu belegen. Wenn aber Unternehmen mit Methoden aus Content-Strategie und Content-Marketing arbeiten wollen, müssen sie anderen Aufgabenbereichen entsprechende Freiheiten lassen oder Budgets anders zuweisen.
Denn selbst wenn sie Mitarbeiter in der Unternehmenskommunikation oder im Marketing haben, die entsprechend qualifiziert sind, brauchen diese ein explizites Mandat. Dass es sie gibt, reicht als Qualifikation nicht aus.
Wie sind Deine Erfahrungen aus den USA? Wie konsequent investieren Unternehmen in Content-Strategie und Content-Marketing?
Margot Bloomstein: Viele der effizientesten und erfolgreichsten Unternehmen und Organisationen investieren in Content-Strategie und Content-Marketing, also in die taktische Umsetzung. Das tun sie vor allem deshalb, weil sie sich Verschwendung und Ineffizienz nicht leisten können.
Ganz konkret: Organisationen, die in eine Message-Architektur, ein Content-Modell, einen Redaktionskalender, und Style Guides investieren, stellen sicher, dass diejenigen, die für Inhalte verantwortlich sind, gemeinsame Ziele verfolgen und abgestimmt arbeiten. Allein ein guter Style Guide spart Zeit und Kosten, die sonst in Überarbeitungen, Freigaben und komplizierte Redaktionsprozesse fließen.
Mit welchen Argumenten überzeugst Du deine Kunden von der Content-Strategie?
Margot Bloomstein: Ich konzentriere mich auf das Thema Verschwendung. Insbesondere Nonprofit-Organisationen sind darauf angewiesen, mit wenig Geld und Zeit viel zu erreichen. Um die Mittel, die ihnen zur Verfügung optimal zu nutzen, gehen sie systematisch vor und ermitteln beispielsweise in einem Content Audit, welche Inhalte sie wirklich brauchen – und nicht, welche sie gerne hätten.
Und das gilt generell: Unternehmen, die auf ihre Profitabilität achten, sind bereit, das Thema Content-Strategie anzugehen.
Worauf müssen Unternehmen achten, wenn sie einen Content-Strategen suchen? Welches Profil sollte sie oder er haben – eher journalistisch ausgerichtet, Marketing, SEO, PR, IT, etc.?
Margot Bloomstein: Content-Strategen sind Problemlöser. Auf der übergeordneten Ebene brauchen sie Diplomatie und Fingerspitzengefühl, um sicher zu stellen, dass Redakteure, Kreative und Entwickler im Unternehmen Gehör finden und gleichzeitig die redaktionellen Vorgaben einhalten.
Auf der operativen Ebene lösen Content-Strategen Kommunikationsprobleme, weil sie sowohl die Marke als auch die Anforderungen des Publikums und die Fähigkeiten des Kreativteams kennen. Gute Inhalte entstehen in diesem Dreieck. Die entsprechenden Kompetenzen kann der Content Stratege unabhängig von seinem Hintergrund entwickeln – Design, Journalismus, Anthropologie, oder auch andere Disziplinen. Wichtig ist es, unterschiedliche Perspektiven einnehmen zu können.
Was genau macht Content-Strategie als Profession aus? Haben wir ein Definitionsproblem? Und wenn ja: Ist die fehlende Definition vielleicht ein Grund, dass sich das Thema Content-Strategie im Vergleich zu Content-Marketing relativ langsam entwickelt?
Margot Bloomstein: Content-Strategie ist ein breites Dach, unter dem Fachleute aus unterschiedlichen aber gleichberechtigten Disziplinen zusammenarbeiten. Während sich manche eher auf eine Marken orientierte redaktionelle Strategie fokussieren, gibt es andere, die ihren Schwerpunkt darauf legen, ein Content-Modell zu entwickeln, dass sich auf Metadaten abstützt.
Das ist kein Definitionsproblem, sondern eine Chance. Insbesondere ein Chance für Unternehmen, die ihre Anforderungen präzise beschreiben können und Content-Strategen, die sich entsprechend spezialisieren.
Damit Content-Strategie und Content-Marketing erfolgreich sind, müssen sie die Anforderungen der Nutzer und Kunden verstehen. Sind die in Unternehmen vorliegenden Daten dazu ausreichend oder benötigt eine Content-Strategie zusätzliche oder andere Informationen?
Margot Bloomstein: In meiner Arbeit nutze ich häufig die Ergebnisse aus dem User Research. Wir müssen nicht immer das Rad neu erfinden – oder unseren Auftrag unnötig in die Länge ziehen. Aber sehr häufig begegnen mir auch Fragen, bei denen ich zusätzliche Informationen benötige.
Jedes Projekt hat seine eigenen, spezifischen Anforderungen. Content-Strategie geht damit über die etablierten, sich wiederholenden Prozesse hinaus, um neue Bezugssysteme zu entwickeln, in denen wir die Anforderungen unserer Kunden untersuchen können.
Herzlichen Dank für das Interview, Margot. Wir freuen uns auf Deine Keynote auf dem csforum14 und darauf, Dich in Frankfurt persönlich kennenzulernen.
Weitere Informationen zur englischsprachigen Konferenz, seiner Themen, Speaker und Abendveranstaltungen gibt es auf csforum2014.com
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Danke, Doris für das Interview. Was für mich daran deutlich wird: Während wir im deutschsprachigen Raum noch sehr viel über mögliche Definitionen oder die Frage streiten, ob das Thema Content nicht nur alter Wein in neuen Schläuchen ist, hat sich aus der Content Strategie-Praxis in den USA längst ein professionelles Selbstverständnis entwickelt. Dazu gehören auch etablierte Tools, Methoden und Prozesse. Diese greifen best practice anderer Disziplinen auf, entwickeln sie aber auch angesichts neuer Herausforderungen und Möglichkeiten der Digitalisierung weiter. Das ist nicht beliebig, denn es ist in der Tat ein Unterschied, ob ich mich einem Projekt aus einer primär inhaltlichen Perspektive nähere oder Gestalter, Informationsarchitekt oder Webentwickler bin. Idealerweise gelingt es, diese Perspektiven zu integrieren und das jeweils beste der einzelnen Disziplinen zur Entfaltung zu bringen.
Ja, das sehe ich auch so. Es ist unglaublich, mit welcher Vehemenz
hierzulande nach wie vor versucht wird, die Berechtigung und das
Besondere an der Content-Strategie klein- und wegzureden. Umso mehr
freue ich mich auf das csforum: Ich hoffe, dass die Konferenz die
Initialzündung für das überfällige „professionelle Selbstverständnis“
sein wird. Die erkenntnisreiche Themenpallette wäre dazu jedenfalls sehr
geeignet 🙂