Grenzüberschreitungen: Wenn jemand wie Ivan Noble sein ganz privates Leben oder sogar sein Sterben in die Öffentlichkeit trägt, indem er sein eigenes Leiden online in einem Weblog thematisiert, dann werden Grenzen deutlich überschritten. Nicht jeder Leser wird ein solches Online-Tagebuch mögen.Und der Voyeurismus einiger Leser wird bedient. Anderen Lesern hingegen hilft es sogar, wenn jemand offen mit seinem Sterben umgeht. Jedenfalls konnte mehrere Jahre lang täglich hunderttausende Blog-Leser das Auf und Ab der Erkrankung eines tumorkranken Rauchers verfolgen.
BBC-Wissenschaftsjournalist Ivan Noble’s Abschied aus der interaktiven Welt ist in seinem privaten Weblog nachzulesen. Ein Überlebenskampf, der über Jahre ging und letztlich scheiterte. Am Donnerstag ließ er posthum seinen letzten Tagebucheintrag ins Internet stellen, in dem er sich von seinen Lesern und Freunden verabschiedete und gleichzeitig ein Plädoyer gegen das Rauchen hielt. Darüber berichtet aktuell die Süddeutsche Zeitung wie folgt:
"Auf seiner Web-Seite hatte Noble das Auf und Ab seiner
Chemotherapie und mehrere Hirnoperationen beschrieben, aber auch seine
Eheschließung, die Geburt seines Sohnes und die immer wieder
aufkeimende Hoffnung, er könne die Krebserkrankung besiegen.
„Ich danke Euch allen noch einmal, die Ihr mir geholfen und mich
begleitet habt“, heißt es in Nobles letztem Eintrag. „Wenn zwei oder
drei Leute wegen meines Schreibens zu rauchen aufhören, dann wird dies
alles seinen Wert gehabt haben.“ (Süddeutsche Zeitung)
Anscheinend werden Blogger erst im Zusammenhang mit Tod (siehe auch Moshammer), Krieg (Warblogger), Katastrophen (Tsunami-Blogger) oder Wahlen (US-Wahlkampf) in den Medien wahrgenommen. Das erinnert mich doch sehr an die Art und Weise, wie in den ersten Jahren über das Internet berichtet wurde…
Während der Tod in der Blogsphere noch eher selten thematisiert wird, gibt es in der Literatur viele Beispiele: Besonders nachdrücklich wirken hierbei einige Bücher von Herve Guibert:
"Der Franzose Herve Guibert hat vor mittlerweile
elf(14) Jahren den Kampf gegen AIDS verloren. Seine beiden Romane "Dem Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat" und "Mitleidsprotokoll" setzen sich in radikaler Form mit dem Leiden an der Krankheit auseinander. Es spricht ein Betroffener zum Leser, und es erstaunt, dass der Autor mit Humor, Zynismus und Distanz sein eigenes Sterben vorwegnimmt. Was Guibert den interessierten Menschen mit seinem "Mitleidsprotokoll" sagen will, ist ganz einfach: Es tut furchtbar weh, eine Krankheit zu haben, die stetig voranschreitend ein katastrophales Ende nehmen wird, ehe der Tod die Erlösung bringt." (Sandammeer – Die virtuelle Literaturzeitschrift)
>> BBC News: Tumour diary: The time has come
>> Notizblog: Abschied
>> Maximilian Groene: Die kritische Potenz der Krankheit: Aids im Werk Hervé Guiberts
>> PR Blogger: Positive Medienresonanz
Der letzte Eintrag: Über Leben und Sterben im Netz
Gestern bei Melody hatte ich schon davon gelesen, heute geht der PR-Blogger Klaus Eck noch ausführlicher auf das Thema ein. Ein todkranker BBC-Journalist hat seinen Kampf gegen seine Krankheit gebloggt. Er hat diesen Kampf verloren, posthum wurde sei…