Worthülsen ohne Früchte

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"Sind wir nicht alle ein bisschen innovativ?" fragt Claudia Jordan und legt den Finger in eine seit langem schwärende Wunde. Die Kategorie "Kommunikation" stimmt, wobei es auch die Kategorie "Krise" hätte sein können. Der Begriff "innovativ" ist eigentlich nur ein Synonym für viele andere bedeutungsschweren Worthülsen, die mehr Schein als sein vermitteln. Teuer erzeugte Leere oder vorgetäuschtes Kommunikations-Handwerk.
Allerdings sollte man dafür nicht allein den PR- oder Werbemenschen verantwortlichen machen. Der lebt ja nicht im isolierten Raum. Oft müssen ja Worthülsen verschleidern, dass noch weniger Substanz dahinter ist. Karl Kraus, der Journalist mit der spitzen Feder, neigte im alten Wien in solchen Situationen zu sagen: "Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen auch Zwerge große Schatten." Oder versuchen dies zumindest mit bedeutungsschwangeren Worten.

Werteverfall wäre hier das Stichwort. Der macht auch bei den Kommunikationsdienstleistern nicht halt. Wenig Etat, wenig Zeit und große, erwartete Effekte. Da werden dann schon Mal so genannte Potemkinsche Dörfer produziert – schöne Fassaden mit viel Nichts dahinter.
Mit der Innovation ist das ja ähnlich. Dabei muss das rein sprachlich ja nicht immer wirklich eine Neuheit sein, Wortinterpreten lassen auch die Erneuerung zu. Doch auch da tut man sich in vielen Branchen scheinbar schwer. Insbesondere im IT-Bereich. Dort werden noch mehr Worthülsen produziert als bei den Werbern und Marketingmenschen. Bei jedem Kongress frage ich mich: wird hier die Welt neu erfunden oder einfach die Worte, mit der sie mir aufs Neue erklärt wird.
Zu meinen Lieblingsstichworten vergangener Kommunkationskongresse gehören "viral" und "permission". Für das eine gab es in grauer Vorzeit den schönen Begriff Mundpropaganda. Ganze Generationen von Marketingleuten, die sich etwa mit Film- und TV-Produkten beschäftigten nutzten den Begriff Mundpropaganda erfolgreich, um diese anzustoßen. Und zwar in allen Facetten. Jede gute Verkäuferin leitet ihr Verkaufsgespräch mit den Grundsätzen des Permission Marketing ein: "Darf ich …" Natürlich kann man alles verfeinern, verbessern, fachgerechter anwenden und nutzen, aber warum mit neuen, oft nicht ganz verstandenen Worthülsen traditionelle Begriffe und Vorgehensweisen negieren, statt auf klassischen Wurzeln aufzubauen, an bekannten Beispielen Veränderungsmöglichkeiten demonstrieren.
Vielleicht hören sich die neuen Begriffe innovativer an – nicht nur nach Erneuerung, sondern gar nach Neuheit. Und Neuheiten sind natürlich besser zu verkaufen als alte Hüte oder nur Erneuerungen von bekannten Methoden. Also wird auf den bekannten Kongressen so perfekt resyclet, dass sich alte Methoden in neuen Kleidern wie Neuheiten anhören, anfassen – und auch besser verkaufen lassen.
Nichts dagegen, solange die eigentliche Substanz nicht leidet oder dies trägt.
Helfen könnte bei so manchem PR- und Werbetext die radikale Methode meines Deutschlehrers, der gerne hinter Adjetive wie schön, gut, wichtig usw. schrieb: "Bitte konkret!".
Was wäre, wenn unsere Lieblingsschriftsteller uns ständig mit Worthülsen billig abspeisen würden? Wir würden uns betrogen fühlen.

20 Jahre PR-Blogger

Klaus Eck
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Klaus Eck
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2 Replies to “Worthülsen ohne Früchte”

  1. Die Erwartungshaltung in manchen Branchen sowohl von Seiten der Unternehmen als auch teilweise vom „Markt“ (ich weiß, etwas konkreter bitte …) geht ja bisweilen so weit, dass jemand, der nicht ständig betont, wie innovativ er ist, nicht einfach nur (neutral) „nicht innovativ“ ist, sondern sofort als rückständig/unflexibel/schwächelnd gilt.

  2. Sehr geehrte Herr Keller,
    ein sehr berühmter Werber hat einmal gesagt: Kommunikation ist nicht das was man sagt, sonder was der andere versteht. Dieselbe Person hat auf sehr treffend formuliert: Was man lauter sagt, wird nicht richtiger, sondern nur lauter.
    Was ich damit sagen will, es ist verloren Lebenszeit, Lebensenergie sich über Dinge zu Eschauffieren die man nur als geben annehmen kann. Es nimmt einem auch die nötige Kraft, Ruhe und Überlegenheit das ständig besser zu machen, was man eigentlich tun sollte.
    Sie beschreiben eines der ältesten Phänomene der Menschheit – die Lemminge. Einer ruft in die Welt hinaus „Innovation“ und alle Lemminge nehmen diesen Ruf als neue Weisheit an und auf und tragen dieses Begriff weiter und weiter, bis er zur Worthülse verkommt. Blutleer, Inhaltslos. Das drohende Ende eines solchen Lemminge Begriffs erkennt man daran, wenn dieser einer Line Extension unterzogen wird. Und wenn man ihn anstellen antrifft, wo man als letztes erwarten durfte.
    Das ist wie mit dem Goldrausch. Einer schreit „Gold“ und alle Lemminge rennen los. Und finden kein Gold, aber kaufen Spaten, Hosen, Eimer, Siebe, Kacken….
    Man sollte eine Lemminge Begriff Schmiede aufmachen. In der Wörter, nur so darauf warten als neue Weisheit neue Märkte zu erobern. Und man muss die Produkte dafür schon in der Tasche haben. Wörter wie? Wie? Lovetelligent. Emotinalyse. Oder Uniquvation….
    Nichts ist leichter als Menschen dumme Flöhe ins Ohr zu setzen. Also, warum aufregen über Lemminge, wenn man zur selben Zeit was wirklich Innovative machen könnte, was diese Bezeichnung nach Ihrer und meiner Meinung verdient.

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