Nichts scheint für einige Journalisten schöner zu sein, als die Totenglocken für ein Hype-Thema zu läuten. Riskant ist dies allerdings immer dann, wenn die Bewertungsgrundlage mehr als dünn ist. So geschehen – wieder einmal – im Computerwoche-Artikel "Corporate Blogs in der Krise", der sich nur auf ein einziges eingestelltes Unternehmensblog bezieht. Statt einer nachvollziehbaren Analyse bietet der journalistische Beitrag eher unterhaltsames Feuilleton:
These 1: "Nur fünf der Dax-30-Unternehmen betreiben mehr oder weniger engagiert eine Art von Corporate Blog."
Leider werden die einzelnen DAX-Unternehmen nicht genannt. Aber aufgrund meiner Recherchen komme ich hierbei zumindest auf einige experimentierfreudige Konzerne aus den Top 30:
- BASF (Intranet)
- BMW (Kampagnen-Blogs)
- Daimler-Chrysler (Second-Life-Blog)
- Henkel (SIL-Kampagnen-Blog mit Reiner Irrwitz)
- Siemens, (Intranet-Blogs)
- TUI (Reiseberichte)
- VW (Horst Schlämmer)
Gelten rund 1.500 bis 2.000 weitere deutschsprachige Corporate Blogs gar nichts, darunter immerhin illustre Namen wie AOL, Adam Opel, CoreMedia, Cyberport, Hansenet, DocMorris, Frosta, 02, Telekom Austria und Xing. Selbst wenn man nur die DAX 30 betrachtet, ist das keine Abwärtsentwicklung, sondern zeigt einfach nur, wie zaghaft manche Unternehmen sich dem Thema Corporate Blogging annähern.
Im Computerwoche-Beitrag wird vor allem auf das vor kurzem eingestellte Fixing Blog der Fischerwerke verwiesen, ohne deren Gründe genauer zu hinterfragen. Das Fixing Blog ist mitnichten an mangelndem Feedback, einem ambitionierten Ansatz und seinen Erfolgsaussichten gescheitert, sondern einfach nur, weil es an personellen Ressourcen fehlte. Damit wird von offizieller Seite umschrieben, dass der frühere Projektleiter des Fixingblogs das Unternehmen inzwischen verlassen hat. Aufgrund der fehlenden Verankerung im Unternehmen konnte oder wollte vermutlich niemand das Projekt mehr händeln. Deshalb wurde es zuletzt konsequenterweise stillgelegt Mit dem Corporate Blogs selbst hatte das wenig zu tun.
These 2: "Viele deutsche Corporate Blogs, mal von engagierten Mitarbeitern in den
Abendstunden betreut, mal von hochbezahlten Agenturen entworfen und
bestückt, dümpeln in kleinsten Nischen vor sich hin oder verenden nach
einigen Monaten."
Leider lässt sich diese These überhaupt nicht überprüfen, weil es an validen Zahlenmaterial fehlt. Niemand bestreitet, dass einige Corporate Blogs nach einiger Zeit eingestellt werden. Doch was macht eigentlich den Erfolg derselben aus? Normale Firmenwebsites richten sich auch an kleinste Nischen und bedienen damit mehr oder weniger ihre jeweilige Zielgruppe. Corporate Blogs sollen in Reichweitenfragen keinesfalls mit herkömmlichen Medien konkurrieren, sondern adressieren in der Regel ihre Kunden. Dennoch spricht hierbei niemand von der Krise der Unternehmenswebsites.
These 3: "Der Zähler vieler Corporate Blogs zeigt für alle, dass oft kein
Interesse bei Kunden, Experten oder Wettbewerbern besteht, sich auf
einen Dialog mit den Machern des Blogs einzulassen – was aber doch die
Kernfunktion eines Corporate Blogs sein soll."
Der Dialog mit den Kunden findet nicht nur im Weblog selbst statt, sondern oft in anderen Blogs sowie in der realen Welt. Das Mitmach-Web stellt in der Tat eine gewisse Illusion dar, wenn man davon ausgeht, dass alle anfangen, ihre Kommentare in Blogs einzustellen. Entscheidend ist vielmehr, ob Blogs gelesen und gefunden werden. Im Vergleich zu normalen Websites stehen Blogs hierbei keinesfalls schlecht dar.
These 4: "Jedes neue Medium braucht Zeit, um Konsumenten und die ihnen
entsprechenden Formate zu finden. Nötig sind jedoch erhebliche Mittel
und die Überzeugung mutiger Entscheider, eine transparente
Unternehmenskultur in Zeiten des Internets zu wagen und vernetzte
Kunden nicht nur als Risiko zu sehen. Neue Formen werden bereits
erprobt: So genannte Flash-Blogs, die nur bei Bedarf und für eine
überschaubare Zeit aktiv betrieben werden, könnten für manche
Unternehmen die Lösung sein."
Ein ganz richtiges Argument, dessen Konsequenz mir jedoch nicht ganz einleuchten will. Warum gibt man einer nachhaltigen Lösung denn keine Zeit und empfiehlt stattdessen lieber einen kurzatmigen Ansatz? So genannte Kampagnen- oder -Flash-Blogs wirken nur kurzfristig und sind eher einem Marketing- als einem Kommunikationsansatz verpflichtet. Demgegenüber entfalten Corporate Blogs erst nach einer gewissen Anlaufzeit von mehreren Monaten ihre ganze Kraft. Schließlich dauert es in der Regel einige Zeit, bis Blogger und Leser auf ein neues Online-Angebot aufmerksam werden und dieses zur Lektüre anderen empfehlen.
Klaus Eck
Geduld und Hype passen eben nicht zusammen. Was nicht sofort messbahre Gewinne (am besten direkt auf dem Bankkonto) einfährt, taugt in den Augen vieler Skeptiker nichts. Und außerdem war früher ohnehin alles besser, und da gab es ja schließlich auch keine Corporate Blogs 😉
Und weil vielen „etablierten“ Medien Entwicklungen wie Blogs ohnehin eher suspekt sind, ist das frühe (und hoffentlich verfrühte!) Grabschaufeln durchaus verständlich. Vielleicht denkt sich so mancher Journalist auch erleichtert: „Dann muss ich endlich nicht mehr über etwas berichten, was ich sowieso nicht richtig verstehe.“
Aber wie war das noch: „640 Kilobyte sind genug für jeden.“ (Bill Gates, 1981) und „Es gibt keinen Grund, warum irgendjemand einen Computer in seinem Haus wollen würde.“ (Ken Olson, 1977). Mal sehen, was man in vielleicht fünf Jahren so alles über Blogs zu berichten weiß.
Danke Klaus, fuer diese gute Analyse. Es ist schon absurd – sowohl das Hypen als auch das Glockenschwingen.
Was mich freut: Dass sich nicht so viele Kommunikatoren anstecken lassen, weder vom einen noch vom anderen. So werden wir also in den naechsten sechs Monaten jede Menge spannende Experimente sehen. Denn die neue Trennlinie laeuft ja entlang der Frage, ob Gespraeche (Conversations) gewollt sind oder nicht.
Danke Klaus, fuer diese gute Analyse. Es ist schon absurd – sowohl das Hypen als auch das Glockenschwingen.
Was mich freut: Dass sich nicht so viele Kommunikatoren anstecken lassen, weder vom einen noch vom anderen. So werden wir also in den naechsten sechs Monaten jede Menge spannende Experimente sehen. Denn die neue Trennlinie laeuft ja entlang der Frage, ob Gespraeche (Conversations) gewollt sind oder nicht.
Schöne Replik. Danke. Kannst Du die nicht in der Computerwoche unterbringen? Ansonsten werden die Leser dort leider mit diesem politisch gefärbten Cowo-Artikel alleine gelassen und nie erfahren, dass sie einem gefärbten Artikel aufgesessen sind. Dann hätte der Autor dort sein Ziel erreicht.
Das Ende der Corporate Blogs?
Corporate Blogs in der Krise schreibt die Computerwoche in ihrer neuesten Ausgabe und macht diese gewagte These vor allem am Scheitern des Fixing-Blogs des Dübel-Herstellers Fischer fest.
Die Aktualisierungsrate ist stark gesunken…
Auch ich denke, dass es wichtig wäre, dem Autor mitzuteilen, dass er nicht sauber recherchiert hat. Wenn aber der Artikel auch noch von anderen Blogs aufgegriffen und kritisiert wird, könnte das ein unschöner Bumerang für die Computerwoche werden.
Einige Computerwoche-Redakteure lesen den PR Blogger, außerdem wird dieser kleine Beitrag vielleicht auch via Google für etwas Aufmerksamkeit sorgen. Leider ist der Autor selbst nicht ganz so einfach zu verifizieren. Ich konnte nur sein Kürzel sehen.
Im Zweifel in der Redaktion anrufen und fragen, wer sich hinter dem Kürzel „hK“ verbirgt und ihn dann hier öffentlich machen.
zu hK ist unten auf der Seite folgendes zu finden: „Hans-Peter Kistner ist freier Journalist in München“
Die Wirtschaftswoche ist beileibe keine Einzelfall beim Beschreien „Blogging-Wahn-Endes“. Bereits Anfang des Monats tat sich die Sueddeutsche.de hervor. Auch da war deren Sorgfalt nicht nur mir sondern auch einigen anderen aufgefallen: http://tinyurl.com/36d58y
Immer wieder werden Einzelfälle als Symptom für eine vorgeblich gesamte Entwicklung herangezogen und mit oberflächlich recherchierten Angaben versehen.
Frank Hamm, allerdings ist es dieses Mal nicht die Wirtschaftswoche sondern die Computerwoche.
Das ist leider immer noch das fast typische Gebaren der deutschen Medienlandschaft. Man schreibt oder redet die Dinge tot, statt sich auf eine längerfristige und genauere Beurteilung einzulassen. Nur nichts neues zulassen und im Wald schön laut singen…
Die langfristigen Veränderungen in der institutionellen Kommunikation, welche Blogs vermutlich mit sich bringen werden, sind ohnehin weitaus interessanter als dieser kurzfristige Hype. Ich denke für viele Unternehmen sind interne Blogs ein sinnvoller Einstieg und dort lassen sich die Vorteile von Blogs für eine verbessertes Informationsmanagement schon jetzt recht deutlich abschätzen. Nach meinem Eindruck ist die Einbettung von Wissen in soziale Strukturen ein entscheidener Vorteil gegenüber „entpersonalisierten“ Knowledge-Management-Systemen – was blog hubs wie blogs.msdn.com und orablogs.com gut belegen. Wie erfolgreich sich Blogs für PR und Marketing einsetzen lassen wird sich noch zeigen, aber die Idee, dass Onlinepublizieren als Phänomen einfach so wieder verschwinden wird, ist ausgesprochen naiv.
FYI zum Thema „Blog-Tod“: http://tinyurl.com/2ae2x8
@massenpublikum: Danke für die Korrektur, hab mich glatt vertan.
Offrecord: Gibt es denn in Deutschland ein klassisches Beispiel für ein Corporate Blog? Einen Mercedes unter den Corporate Blogs?
Kommunikationskontrollettis
Die Computerwoche berichtet in der aktuellen Ausgabe (12/2007) etwas reißerisch, Corporate Blogs wären in der Krise. Nur fünf der Dax-30-Unternehmen betreiben mehr oder weniger engagiert eine Art von Corporate Blog heißt es. Man schlägt a
Angesichts der finanziellen und personellen Ressourcen die für das Führen eines Blogs notwendig sind, empfiehlt die COMPUTERWOCHE so genannte „Flash-Blogs“, die nur bei Bedarf und für eine überschaubare Zeit aktiv betrieben werden. Kommunikation ist ein vorlaufender Prozess, der nicht „nach Bedarf“ ein- oder ausgeschaltet werden kann. Firmen, die eine solche Strategie fahren, müssen sich über schlechtere Imagewerte und Vertrauensverlust nicht wundern.
Die Redakteure der Computerwoche sind nunmal keine PR-Berater sondern Journalisten. Vielleicht sollten sie sich gelegentlich daran erinnern.
Hach, wenn die Presse was totsagt. Oder gar irgendwelche Trendforscher. Angeblich trifft ja das Bloggen noch 2007 auf sein ‚oberes Limit‘ und stagniert. (Wer war das? Gartner?)
Ich mein: Den Roman hat man schon am Anfang des 20. Jahrhunderts totgesagt, die Literatur 68. Medien und Genres kriegt man so leicht nicht platt ;). Etwas Vogelpersppektive in Medien- und KOmmunikationssachen tut manchmal gut.
eine der besten Corporate Blogs gibt es hier:
http://blog.rheinneckarweb.de/
mit dem gesamten Vorstand im Impressum
und GENAUSO sehen wahrscheinlich bald alle Firmenblogs aus, wenn sie von PR-Menschen gemacht werden.
Schöne neue Welt
mikel, ist das jetzt ernst gemeint? Könnte auch Ironie sein, und meine Frage war ernst gemeint…
@ massenpublikum: DIE Redakteure der CW, DIE Blogger, DIE Nicht-Blogger, DIE PR-Blogger, DIE Event-Blogger, DIE PR-Tanten, DIE Second-Life-Abhänger … Überall Schubladen, hüben wie drüben. Toll.
Zur Info: „hk“ ist das Kürzel von Hans Königes. Die Auflösung steht im Impressum. Er freut sich sicher über eine Reaktion auf den Artikel.