Zahlungskräftige Kunden, Top-Talente und auch die Gesellschaft erwarten längst, dass ein Unternehmen höhrere Ziele verfolgt als Marktführerschaft und Maximalrenditen. Kommunikation muss deshalb heute mit einem „Corporate Purpose“ beginnen. Er steht im Zentrum einer Organisation.
„Wir müssen nicht mit moralisch und ethisch zurückgebliebenen, unflexiblen und unmenschlichen Organisationen leben. Wir können Organisationen aufbauen, die in ihrem Kern von edler Natur sind, die jeden schöpferischen Impuls wertschätzen, die sich schon verändern, bevor es notwendig wird, die das Herz berühren und die frei von jeglicher Bürokratie sind“. So drückt der US-amerikanische Ökonom Gary Hamel die Sehnsucht nach einer neuen Art des Wirtschaftens aus.
Ja, das Wertebewusstsein ist, genau wie die Wirtschaft, im Wandel. Die Menschen wollen zunehmend wissen, welches Unternehmen hinter einem Angebot steckt, was es antreibt, wie es mit seinen Kunden und Mitarbeitern umgeht und welche ethische Haltung es glaubhaft vertritt. Sie verlangen nach einer Vereinbarkeit von Profitstreben und Nachhaltigkeit. So lassen sich Wettbewerbsvorteile sichern.
Zudem deuten immer mehr Studien darauf hin, dass es Unternehmen deutliche finanzielle Vorteile bringt, wenn sie sich mit den höheren Zielen und dem tieferen Sinn, also dem Purpose im Unternehmen zu befassen. Zum Beispiel zeigte der global Leadership Forecast 2018 von Ernst & Young, dass „Purposeful Organisations“ um 42 Prozent bessere Finanzergebnisse als der Durchschnitt aufweisen können.
„Purposeful Organisations“ haben die Nase vorn
Die Welt besser machen, ethischer handeln, menschlicher sein? Das wird von so manchem Manager gern als naiv belächelt. Doch die Notwendigkeit, anders zu wirtschaften als bisher, ist offenkundig. Profit und Moral, das schließt sich nicht aus, das gehört vielmehr zusammen. Zukunftsfähige Unternehmen machen sich zu Organismen, die nachweislich auch Verantwortung für das Gemeinwohl tragen.
Zunehmendes soziales Engagement und ein ernsthaftes Hinterfragen, wie wir mit uns und der Welt umgehen, das wird zum neuen Trend. Hierfür hat der britische Autor und Unternehmer John Elkington den Begriff der „Triple Bottom Line“ geprägt, wonach ein Unternehmen neben der ökonomischen auch eine ökologische und eine soziale Bilanz vorlegen muss. Genau damit sind wir beim Purpose.
Der Corporate Purpose ist der Daseinssinn eines Unternehmens, seine Bestimmung, die Philosophie hinter dem Geschäftsmodell, die Leitmaxime für alles Handeln. Er bestimmt die Identität eines Unternehmens und drückt aus, weshalb es existiert und was es in die Welt bringen will. Er bildet der Kern einer Organisation und erzeugt magische Anziehungskraft. Wie der Kern einer Frucht sichert er das Überleben am Markt.
Die alten Leitbilder: selbstverliebt und egozentriert
Der Corporate Purpose hat mit den Leitbildern von früher, oft auch als Vision oder Mission Statement bezeichnet, nur noch wenig zu tun. Der Zweck eines Unternehmens ist nämlich nach außen, klassische Leitbilder hingegen sind nach innen gerichtet. Was dann am Ende auf der Website oder in aufgehübschten Broschüren steht, ist Kommunikationsprosa für die Öffentlichkeit, an die intern sowieso niemand glaubt.
Zudem zelebrieren klassische Leitbilder keinen einzigartigen Nutzen für die Kunden, den Markt und die Welt, sondern den Traum von eigener Größe und Herrlichkeit. Und so hört sich das an: „Wir verstehen uns als Marktführer mit 1a-Produkten“. Oder so: „Wir sind global führend mit unseren Marken“. Oder so: „Wir sind der Technologievorreiter unserer Branche“.
Übliche Leitbilder und die damit verbundenen Aussagen sind nicht nur egozentriert, das ganz besondere eines Unternehmens kommt gar nicht durch. Vielmehr rieselt es Plattitüden („Wir sind kundenorientiert“), Selbstverständlichkeiten („Wir sind zuverlässig“) und Phrasen („Wir beziehen unsere Stärke aus unseren Mitarbeitern“). Das berührt nicht. Es inspiriert nicht. Und Anziehungskraft erzeugt es schon gar nicht.
Beispiele für Purpose-Definitionen
Beim Purpose wechselt vor allem die Perspektive. So sieht sich Google nicht selbst fokussiert als größter globaler Suchmaschinenbetreiber, sondern „organisiert die Informationen der Welt“. Amazon will nicht das Kaufportal Nummer eins sein, sondern „die höchste Kundenzufriedenheit der Welt“ erreichen. Tesla versteht sich nicht primär als Autobauer, sondern „treibt den Übergang zu nachhaltiger Energie voran“.
TED versteht sich nicht als namhafter Konferenzanbieter, sondern will „wertvolle Ideen weiterverbreiten“. Der Onlinehändler Zappos propagiert: „Deliver happiness and not just shoes“. „Wertschöpfung durch Wertschätzung“, sagt die Hotelkette Upstalsboom. Und Xing will „Profis ermöglichen, zu wachsen“.
An diesen Formulierungen erkennt man genau: Es geht nicht darum, wer ein Anbieter ist und was er macht, sondern um das Warum und damit den Impact, den er in die Welt bringen will. All diese Statements sind zudem „groß“ und „breit“ gedacht. Sie schaffen Raum für Ausdehnung und (globales) Wachstum.
Wie man zu seiner eigenen Purpose-Definition kommt
Mit solchen Fragen können Sie sich Ihrer eigenen Purpose-Definition nähern:
- Was ist oder war am Anfang die Existenzberechtigung unserer Firma?
- Was können wir besonders gut und tun wir leidenschaftlich gern?
- Für welche Überzeugungen stehen wir ein?
- Welche Probleme dieser Welt lösen wir?
- Welche Werte schaffen wir für unsere Kunden?
- Mit welchem Leitthema können wir Top-Talente für uns gewinnen?
- Was gibt uns Entwicklungsspielraum in zukünftige Richtungen?
Stimmen der Purpose und das Warum, dann werden sich die richtigen Leute finden, die inspiriert und ambitioniert darauf brennen, diesen Purpose mit Leben zu füllen. Wer das Gefühl hat, an einer großen Sache mitzuwirken, legt sich ganz anders ins Zeug als jemand, der sich als Erfüllungsgehilfe für die großspurigen Interessen anderer sieht.
Vor allem dort, wo die Selbstorganisation Einzug hält, ist ein glasklares Statement zu Sinn und Zweck des Unternehmens überaus wichtig. Ist das Warum einer Organisation im Kern definiert, gibt dies wie ein Leitstern die nötige Orientierung. So kann jeder Entscheidungen treffen, die für die unternehmerische Sache die richtigen sind.
Das Beispiel eines Software-Anbieters
Durch eine Purpose-Profilierung und die damit verbundene intensive Beschäftigung mit den Kunden können sich völlig neue Erkenntnisse ergeben. Dazu das Beispiel eines Softwarehauses. Es hat sich als technologisch führender Lösungsanbieter gesehen und dementsprechend die Produktentwicklung gesteuert.
Die Vermarktung war durch herbe Preiskämpfe und ein ständiges Ringen mit dem Wettbewerb geprägt. Doch jede neue Funktion hat die Konkurrenz nach kurzer Zeit kopiert, jede Zertifizierung übertrumpft. Die Kunden konnten den fortlaufend neuen Versionen und Applikationen kaum mehr folgen, empfanden diese sogar als Last. Großteils hatten sie überhaupt keinen Bedarf dafür.
Nach einem Purpose-Workshop hat der Anbieter erkannt: Die bedarfsgerechte Implementierung rund um den Einsatz der Software ist für die Kunden viel entscheidender als alle sechs Monate eine neue Funktion. Ein 180-Grad-Schwenk war die Folge.
Früher hieß es: „Wir bieten die beste Technik und sind Vorreiter in unserem Marktsegment“. Nun heißt es: „Wir helfen unseren Kunden, ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu betreiben, indem wir die passenden Lösungen aufbauen und in Einklang mit den Kunden optimieren“. Eine hohe Bestandskundenloyalität, viele Neukunden via Weiterempfehlung und steigende Erträge waren die logische Folge.
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Bilderquelle:
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Ein Kommentar zu “Purpose statt Leitbild: So kommunizieren Unternehmen der Zukunft”