Petra Sammer und Philipp Lenner – die Storytellingkoryphäe und der Filmproduktionsprofi – haben zum Workshop „Herr Maier, wir brauchen einen Imagefilm!“ eingeladen. Sie wollen damit einen aktiven Beitrag dazu leisten, dass im Dreiergespann Unternehmen – Agentur – Filmproduktion künftig viel mehr gute Filme entstehen. Ein nobles Vorhaben, von dem ich Teil sein wollte und mich daher ebenfalls in der Workshoprunde einfand. Nach einem hervorragenden Nachmittag mit vielen tollen Einblicken und Erkenntnissen durfte ich den beiden Experten noch einige Fragen stellen:
Vielen Dank für diesen großartigen Workshop! Was war eure Motivation, so ein Projekt gemeinsam ins Leben zu rufen?
Philipp Lenner: Ganz klar: bessere Filme machen. Der Output soll sich verbessern. Während unserer Zusammenarbeit fiel mir auf, dass wir als Produktionsfirma mit einzelnen Beratern immer wieder auf die gleichen Probleme stoßen. Ich dachte dann, dass ein Workshop, der das Verständnis für die Zusammenarbeit zwischen Agentur und Produktion verbessert, vielleicht hilfreich wäre. Mit diesem Grundgedanken bin ich an Petra herangetreten, weil ich wusste, dass sie Storytelling nicht nur in ihrem Berufsalltag lebt, sondern auch unterrichtet und didaktisch vermittelt. Wir haben überlegt, ob man unsere Kompetenzen hier nicht zusammenlegen kann und daraus hat sich dann dieser gemeinsame Workshop entwickelt. Die Kombination aus inhaltlichem und organisatorischem Teil ist perfekt. Wir können so genau die Fragen beantworten, die sich der Berater in der Agentur am Anfang stellt: den inhaltlichen Part, wie man mit einer Produktion umgeht und was man machen muss, bis tatsächlich eine Produktionsfirma beauftragt wird. Mit Beratung und Produktion decken wir die zwei Welten ab, die sehr entscheidend sind, wenn der Chef anruft und sagt „Herr Maier, wir brauchen einen Imagefilm!“
Wie sind eure Erfahrungen: Gibt es unterschiedliche Vorstellungen von „was der Kunde will“ und „was der Kunde tatsächlich braucht“ häufig?
Petra Sammer: So gut wie immer. Gerade im PR-Umfeld haben manche Teams oft noch wenig Erfahrung mit dem Medium Film. Sie gehen an den Produktionsprozess genauso ran, wie an eine Broschüre, einen Text oder eine Webseite und unterschätzen die Komplexität. Wenn man da vom Briefing her schon nicht die richtigen Fragen stellt, wird das Produkt am Ende auch nicht gut. Ein Text kann immer schnell korrigiert werden, daran haben wir uns gewöhnt. Das geht im Film nicht. Die Anmutung des Films, die Grundhandlung – was im Kasten ist, ist im Kasten. Am Set kann man nicht noch mal die ganze Story in Frage stellen. Das ist einer der Gründe, warum wir unseren Workshop anbieten: damit man die neuralgischen Punkte kennenlernt, um am Schluss das beste Ergebnis zu haben – mit dem alle zufrieden sind.
Philipp Lenner: Das deckt sich mit dem, was ich auf Produzentenseite erlebe. Ich komme oft erst zu einem Projekt, wenn genau diese Fehler schon passiert sind. Man versteht dann im Nachhinein nicht, was das Unternehmen eigentlich will. Daher legen wir einen großen Fokus darauf, zu erklären, welche Fähigkeiten die Agentur haben muss, um den Kunden perfekt zu beraten. Dass sie ihn so führen und leiten kann, dass am Ende ein glasklares Briefing erarbeitet wurde, anhand dessen wir als Filmproduktion richtig agieren können. Wir setzen wirklich, ganz, ganz vorne an und versuchen, eine Sensibilität zu schaffen, um solche Fehler bei unseren Workshop-Teilnehmern gar nicht erst passieren zu lassen. Wenn man früh genug Experten einbezieht, Dinge hinterfragt und den Kunden optimal berät, ist das ein Gewinn für jeden. Das kommt der Produktion zugute, weil der Film besser wird, die Agentur hat eine bessere Abstimmung nach allen Seiten und für den Auftraggeber wird’s in der Regel sogar günstiger, weil man Abnahmeschleifen reduziert. Und wenn am Ende vom Tag ein besserer Film für weniger Geld rauskommt, freuen sich alle.
„Wir brauchen einen Imagefilm“, sagt der Kunde. Aber manchmal braucht er eigentlich etwas ganz anderes. Wie findet man heraus, welches Format tatsächlich nötig ist?
Petra Sammer: Es ist wichtig, ein gleiches Verständnis vom Thema Story und Film zu haben. Daher zeigen wir im Workshop so viele Filme und analysieren sie. Für Kommunikationsteams ist es entscheidend, möglichst viele Beispiele zu kennen. Und sich gemeinsam im Team zu verständigen „welche Art Film“ man benötigt und produzieren will. Es hilft, den ganzen Prozess an einem „Best Case“ zu analysieren. Entscheidend dabei ist übrigens auch, welche Grundmotivation hinter dem Film steht. Was ist die Kernstory, die erzählt werden soll? Erst wenn dies geklärt ist, fällt die Entscheidung, ob ein Imagefilm oder gar ein Produktfilm Sinn macht.
Gerade die Machart von Filmen hat sich inzwischen ganz schön verändert. Wie führt man Kunden an das Thema heran, dass zum Beispiel ein Produktvideo nicht mehr andauernd das Produkt zeigt – dass es sogar besser ist, das so wenig wie möglich zu tun?
Petra Sammer: Stringente Produktpräsentationen beinhalten in der Regel keine Geschichte. Diese Art Filme erklären und informieren, sie packen den Zuschauer aber nicht und entwickeln auch wenig Shareability. Wer auf Likability und Shareability setzt, braucht Emotionalität. Und spätestens dann muss eine Geschichte her. Die erfolgreichsten Stories sind die, deren Absender – Unternehmen oder Marke – in den Hintergrund treten. Das ist grundlegend anders als das Marketing in den 80er/90er Jahren. Da hat man noch das Logo fett auf dem T-Shirt platziert. Das waren ganz andere Zeiten! Heute wirken nicht Logos, sondern Geschichten. Und in diesen ist man nicht selbst der Held, sondern eher der „Robin zum Batman“. Der Enabler, der Mentor. Erfolgreiche Storytelling-Brands nehmen sich ein Stück weit zurück und lassen die Geschichte für sich sprechen. Statistiken zeigen, dass die Shareability massiv steigt, je weniger eine Marke sich selbst im eigenen Video feiert.
Philip Lenner: Genau deshalb spielt die Agentur so eine wichtige Rolle zwischen dem Kundenwunsch und der Filmproduktion. Dem Auftraggeber muss erklärt werden: Wie wird dieser Film eingesetzt? Warum ist genau diese Machart sinnvoll? Es gibt zusätzlich zum Film ja auch noch einen großen Mix an anderen Maßnahmen. Diesen Abgleich zwischen Kundenwunsch, langfristiger Strategie und dem ganzen Maßnahmenstrauß vorzunehmen und dem Unternehmen nochmal zu präsentieren ist ein ganz wichtiger Beitrag der Agentur. Oft wird der Film als einzelnes Element beurteilt und dann will man bei einem Produktfilm natürlich alle Details drin haben. Wenn die Agentur aber fachlich darlegt, warum der Film das Produkt zum Beispiel nur anteasern muss, weil es anschließend über Microsites oder ähnliches nochmal in Gänze erklärt wird, ergibt das für den Kunden wieder Sinn. Und genau da brauche ich als Produzent eine Agentur, die das Unternehmen so berät, dass in einen Film eben nicht alles rein muss. Dass nicht jede Abteilung im Unternehmen mitreden kann. Sonst wird der Film völlig überfrachtet. Das Vorgespräch mit der Agentur ist daher wahnsinnig wichtig und sie muss auch im weiteren Prozess den Kunden immer wieder daran erinnern, was der Film leisten soll. Den Film sauber einzubriefen ist die eine Sache, das bis zum Ende durchzuhalten und das Produkt in den Hintergrund zu rücken, fällt Unternehmen immer noch sehr schwer. Auch wenn etwas Produktfilm genannt wird, heißt das nicht, dass es ein Produktporno werden muss. Es reicht, wenn das Produkt darin vorkommt und im Marketingmix seinen Sinn und Zweck erfüllt.
Petra Sammer: Ich glaube, wenn sich Agenturen im Bereich Video nicht fitter machen, werden sie obsolet. Unternehmen gehen mehr und mehr direkt auf Produzenten, Regisseure, Kamerateams etc. zu. Die Rolle für Agenturen in diesem Spiel ist aber ganz, ganz entscheidend – sie müssen sie aber noch viel mehr ausbauen: ihre eigene Filmkompetenz erhöhen; im Storytelling, aber auch die strategische Kompetenz. Ist der Film eingebettet in eine Gesamtstrategie? Wie sieht das Story-Universum aus, in dem die Geschichte eingebettet ist? Wie wird effektiv cross- und transmedial erzählt? Welche Rolle spielt das Storytelling in der Customer Journey? Die Rolle der Agenturen im Bewegtbildmarkt beinhaltet einfach weit mehr, als nur den Film im Blick zu haben. Die strategische Einbettung ist ein ganz wichtiger Aspekt
Philipp Lenner: Das ist auch meine Erfahrung. Das Beste, was mir als Produktion passieren kann, ist eine starke Agentur. Was Projekte oft erfolgreich macht, ist ein starker Berater oder eine starke Agenturleistung, die beide Seiten versteht. Das Schlimmste ist der professionelle E-Mail-Weiterleiter, der alles von A nach B weiterleitet und hofft, dass alles gut geht. Dann laufen Projekte und Kosten aus dem Ruder, dann passieren Fehler und der Film wird schlechter. Und das will keiner.
Was glaubt ihr, ist das größte Missverständnis, das Unternehmen vom Medium Film als Marketingmittel haben?
Petra Sammer: Viele Unternehmen hätten gerne einen Film, der alles kann: „Wir hätten gerne einen Imagefilm und da soll bitte ein Produkt und dann noch Mitarbeiter zu sehen sein. Den zeigen wir ja auch unseren Bewerbern. Und auf Messen. Und wenn wir schon mal dabei sind, dann müssen auch alle unsere Botschaften rein. So einen Film zu produzieren ist ja teuer und wenn wir uns jetzt schon mal die Mühe machen mit dem Film, dann und so weiter und so weiter…“ Allein das wäre schon ein einstündiger Hollywood Blockbuster, teuer zu produzieren und leider auch noch total langweilig. Viel zu viel Inhalt. Filme sind ein flüchtiges Medium. Ihr Hauptjob ist es, Aufmerksamkeit zu generieren. Zuschauer merken sich nur Bruchteile von dem, was sie tatsächlich im Film sehen. Aber sie sind aufmerksam geworden, alle Sinne sind plötzlich geschärft. Das Interesse ist geweckt und der Film zieht rein in den restlichen Content, der Click auf den nächsten Link, man geht rein in einen Messestand, man horcht auf bei einer Pressekonferenz. Dafür ist ganz entscheidend, dass man den Film nicht mit Botschaften überfrachtet und zuballert. Ein Film ist ein „Reinholer“, die Rampe für die eigentliche Story oder Botschaft. Die Reduktion der Botschaften für einen wirklich guten Film ist für Kommunikationsteams das Schwierigste, wenn sie sich mit Filmproduktion beschäftigen.
Philipp Lenner: Wenn wir‘s gut hinkriegen, bleibt bei so einem Film genau eine Kernbotschaft und eine Emotion hängen. Mehr nicht. Genau die muss man aber rausarbeiten. Das schafft man mit zu viel Inhalt eigentlich so gut wie nie. Es ist wichtig, jemanden auf Kundenseite zu haben, der mutig ist und das entscheidet. Eine der ersten Fragen, die ich stelle, wenn ich ein Briefing bekomme: Wer nimmt das ab? Wie weit habt ihr das schon nach oben gespielt? In der Praxis passiert es relativ häufig, dass wir Briefings bekommen, Filme produzieren und im Nachgang noch mal ein Rebriefing reinkommt. Weil dann erst Vorstand, CEO oder irgendwer eingeschaltet wurde, der alles über den Haufen wirft, weil er im Prozess vorher nicht eingebunden war. Wenn man es schafft, bis nach oben zu vermitteln, dass ein Film nicht alles leisten kann und soll, von dort das Go bekommt inklusive Kernaussage und was hängen bleiben soll, macht es das allen Beteiligten viel einfacher, das Ergebnis am Ende richtig zu bewerten.
Petra Sammer: Auch das ist der Job der Agenturen – zu helfen, zu reduzieren. Ein Unternehmen, das einen Film machen möchte, muss sich überlegen, ob es im Team jemanden hat, der diesen Prozess managen kann. Ist der Kundenberater auf Agenturseite fähig, dem Auftraggeber zu helfen, diese Reduktion zu schaffen und darüber hinaus auch noch die Grundidee des Films im Unternehmen bis nach oben zu verteidigen. Wichtige Fragestellungen bei der Agenturauswahl sind sicher auch: Ist die Agentur kreativ? Was kosten die? Etc. Aber eben auch: Sind die fähig, mich zu coachen, einen Film auf wesentliche, wirkungsvolle Elemente zu reduzieren? Und das Ganze ein paar Managementebenen höher rauf zu tragen, dort zu vertreten und zu verteidigen. So würde ich mir als Unternehmer eine Agentur aussuchen.
Was sind eure Tipps, um bei Unternehmen alte Muster aufzubrechen für diese neue Art von Kreativität, von Kommunikation – damit sie sich trauen, „neu“ zu kommunizieren?
Petra Sammer: Filme schauen, Filme schauen, Filme schauen. Das ist im Unternehmen oft nicht einfach, Zeit ist knapp. Aber je mehr man kennt, umso besser kann man Qualität beurteilen. Sich bewusst Filme vornehmen und sie analysieren. Ich weiß, das erfordert Zeit, aber Film ist ein völlig neues Medium für viele Unternehmen und Kommunikationsteams. Moderne Bewegtbild-Strategien sind heute ganz anders, als z. B. die Industriefilme aus alten Zeiten.
Philipp Lenner: Am Ende des Tages kann man bei sich selbst schauen, wie bestimmte Filme auf einen wirken. Wenn ich mir einen dreiminütigen Interviewfilm anschaue von einem CEO, der über seine Erfahrungen oder erreichte Jahresziele referiert, wirkt das ganz anders als ein schön gestalteter Film, der mir das Ganze anschaulicher darbietet. Wenn ich dann wieder mein „Talking Head“-Format machen will, einfach kurz selbst reflektieren, wann man sich zuletzt mit Interesse ein drei- bis fünfminütiges Solointerview angeschaut hat. Man wird relativ schnell selbst draufkommen, dass sowas einfach nicht wirkt. Nichts anderes versuchen wir mit unseren Filmen oder mit der Art, wie wir sie drehen, zu verbessern. Dass die Wirkung auf die Menschen sich verbessert. Ein Interview lockt eben kaum jemanden hinter dem Ofen hervor. Es gibt Möglichkeiten, das viel schöner zu gestalten. Oft hören wir, dass das aber eine Kostenfrage sei. Meiner Meinung nach ist das jedoch eine Frage der Betrachtung. Wenn Du wenig Geld investierst und es wirkt überhaupt nicht, hast Du das Geld in die Tonne geschmissen. Wenn Du ein bisschen mehr Geld ausgibst und der Film wirkt, geht die Rechnung eher auf, als wenn man einfach wieder den nächsten schlechten Interviewfilm produziert. Nichts gegen Interviewfilme, aber das ist im Regelfall diese berühmte vorgelesene PowerPoint-Präsentation. Das steht gerade so eine Stufe über gelesenem Text, wenn Leute auch noch zu faul sind zum selber Lesen. Aber die Wirkung, die ein Film entfalten kann, wird dabei einfach überhaupt nicht abgerufen.
Bringt ihr denn euren Workshop auch in Agenturen, damit sie sich die nötige Kompetenz ins Haus holen können durch Weiterbildung?
Petra Sammer: Wir bieten drei Varianten an. Ein Mini-Powertraining von zwei Stunden – nicht alle in einer Agentur sind ja an einem Filmproduktionsprozess beteiligt, streifen das Thema aber an irgendeinem Punkt. Daher gibt es einen Allround Mini-Workshop für das ganze Team. Etwas umfassender sind die halbtägigen Workshops. Für Unternehmen oder Agenturen, die als Team das Thema vertiefen wollen. Und natürlich wird es auch weiterhin offene Trainings geben, wo man sich als Einzelperson anmelden kann. Termine gerne bei uns erfragen oder online checken.
Philipp Lenner: Die halbtägigen Trainings teilen sich in der Regel in zwei Bereiche auf: Teil eins behandelt die Arbeitsschritte bis zur Beauftragung einer Filmproduktion. Wie finde ich den richtigen Inhalt, wie muss ich den Kunden hinterfragen, um das richtige Briefing zu bekommen etc. Und Teil zwei beschäftigt sich mit allem, was passieren muss, wenn der Auftraggeber sich für ein Format entschieden hat, das Budget geklärt ist und losgelegt werden kann. In den weiteren Schritten bis zum fertigen Film kann noch so viel passieren. Wir wollen den Workshopteilnehmern dabei helfen, nicht nur das Gespräch zum Erstbriefing richtig bestreiten zu können, sondern auch, dass die Zusammenarbeit mit einer Filmproduktion über eine Agentur Richtung Unternehmen so gut wie möglich abläuft. Dass die üblichen Stolpersteine und Kostenfallen einmal besprochen werden. Dass die kreativen Einflüsse einmal angerissen werden. Dass klar wird, wie so eine Geschichte weitererzählt werden muss, wenn man sie gefunden hat. Wir wollen für Agenturen mit wenig Filmerfahrung eine Basis schaffen, auf der sie Kunden vom Erstgespräch bis zum fertigen Film besser begleiten können.
Petra Sammer: Und als nächstes kann man sich dann auf die Fortsetzung freuen, den Fortgeschrittenenkurs „Frau Maier, wir MACHEN jetzt den Imagefilm“ – da gibt es dann Tipps und Tricks für die Produktion und weitere Vermarktung von Filmen.