Die Vorzeichen für den Social Media Club München standen am vergangenen Montag für uns als Orga-Team durch einen spontan nötig gewordenen Location-Wechsel und tristes Regenwetter eher auf Fail als auf Success. Trotz allem war der „Fail Meets Success“-Abend, den wir in Kooperation mit der Epic Fail Night organisierten, aber gut besucht und, so wie einige Teilnehmer im Nachgang versicherten, ganz zum Motto passend ein voller Erfolg.
Misserfolg und Erfolg liegen oft nah beieinander. Über ersteres reden wir aber nur selten und wenn, dann ungern. Das Thema „Misserfolge“ trifft aber durchaus auf Interesse. Sie anzusprechen, diese andere, ehrliche Form der Selbstdarstellung, scheint die Menschen anzuziehen. Die Sitzreihen im WERK1 waren trotz Regenwetters schnell gefüllt. Endlich einmal auch über Misserfolge und was sie uns gelehrt haben sprechen, anstatt sich immer nur selbst in Vorträgen auf die Schulter zu klopfen. Die Spannung, wie ehrlich die Redner tatsächlich sein würden oder ob es im Endeffekt nur eine „Selbstbeweihräucherung der anderen Art“ sein würde, war jedenfalls groß.
Wie Nestlé 2010 vom Palmöl-Shitstorm überrascht wurde
Den Auftakt machte Benedikt Schaumann von Nestlé. Er überzeugte direkt mit Ehrlichkeit, indem er die den Shitstorm auslösende Greenpeace-Kampagne von 2010 als sehr gelungen lobte und schnell drei grundlegende Fehler des eigenen Unternehmens eingestand:
- Fehler #1: Es gab 2010 zwar eine Facebook-Seite von Nestlé aber keine dazugehörige Social Media Strategie und vor allem kein Social Media Monitoring, welches ihnen klargemacht hätte, welche rasanten Ausmaße der Shitstorm annahm.
- Fehler #2: Es gab niemanden der Erfahrung mit Krisenkommunikation und Shitstorms hatte.
- Fehler #3: Es gab zum damaligen Zeitpunkt eine Kommunikationskultur, bei der die Juristen die Entscheidungen trafen. Das hatte zur Folge, dass zunächst einige Videos zensiert bzw. verboten wurden, da sie eine Trademark-Verletzung der Marke Nestlé beinhalteten. Wichtiger wäre es an dieser Stelle aber gewesen einen Dialog stattfinden zu lassen.
„Ich weiß nicht, wie erfolgreich die Kampagne von Greenpeace geworden wäre, wenn wir nicht falsch reagiert hätten. Durch die Zensur sind vor allem auch die klassischen Medien darauf angesprungen“, räumte Benedikt das eigene Versagen ein.
Summe aller Fehler hat bei @NestleGermany laut @bschaumann zu Umdenken in #Kommunikationskultur geführt. Doch kein #fail? #smcmuc
— Anja Schöne (@SumChi) May 30, 2016
Klares Learning aus den damaligen Fehlern sei, dass man mittlerweile versuche über ein umfassendes Social Media Monitoring die Kundenbedürfnisse besser zu verstehen und daraufhin die Produkte zu verbessern. Wenn das Produkt angepasst ist, könne und müsse man das dann entsprechend kommunizieren. Mittlerweile gibt es für #fragnestlé eine eigene Seite, mit welcher Nestlé den offenen Kundendialog fördern will.
Kitkat case: Produkt geändert, Kommunikation angepasst u.a. durch Beirat, Agilität im Konzern eingeführt.Schöner Vortrag @bschaumann #smcmuc
— Christoph Assmann (@OnlineSein) 30. Mai 2016
„Kraut und Rüben“ bei den Krautreportern
Chefredakteur Alexander von Streit blickte mit uns auf zwei Jahre Krautreporter zurück und wie sie sich am Anfang das hohe Ziel steckten, den „kaputten Journalismus zu reparieren“ und sich nur vom Leser abhängig zu machen. Als sie das Video zu ihrem Crowdfunding-Projekt veröffentlichten, mussten sie jedoch viel Kritik einstecken: zu männlich, zu arrogant, etc..
„Wir dachten, wir kommen sympathisch rüber“ – die Welle an #tweef über @krautreporter war enorm. #smcmucpic.twitter.com/mfCVTWBadO
— d.Tales (@dtales) May 30, 2016
„Wir dachten als Journalisten können wir mit der Kritik umgehen. Aber Krisenkommunikation ist etwas, das man lernen muss. Wir sind in Mails ertrunken“, gab Alexander offen zu. Sein Fazit bezüglich selbst gemachter Fehler:
- Fehler #1: Zu wenig Zeit. Sie hatten gerade einmal 3 Monate zur Vorbereitung des Projekts. Eigentlich hätten sie noch ein halbes bis ganzes Jahr gebraucht, um es auf strategisch fundierte Beine zu stellen.
- Fehler #2: Mangelndes Erwartungsmanagement. Sie hatten den Unterstützern nicht klar genug kommuniziert, was das Magazin am Ende bieten würde und somit viele sehr unterschiedliche Erwartungshaltungen kreiert.
Grundsätzlich befinde sich Krautreporter mittlerweile jedoch bezogen auf Gartners Hype-Cycle wieder auf dem „Pfad der Erleuchtung“ und damit dem Weg zu einem langfristigen Fundament. Unter anderem auch, weil man sich entschieden habe, das Kernredaktionsteam nur noch mit solchen Leuten zu versehen, die für das Thema brennen und motiviert sind. Sie fokussieren sich mittlerweile auf ihre Kernaufgaben und versuchen nicht mehr alles gleichzeitig zu stemmen. Auftritte bei Events wie dem Social Media Club seien die Ausnahme geworden.
Wie das so läuft mit neuen Produkten. Transparenter und authentischer Vortrag von @vonstreit. #smcmucpic.twitter.com/KvaGCUwtJ8
— Sarah Sunderbrink (@SunderbrinkS) May 30, 2016
Alexanders Fazit am Ende des Vortrags: „Ich würde es wieder machen, denn ich hab so viele Fehler gemacht und daraus Learnings mitgenommen, dass ich bereit wäre wieder neue Fehler zu machen.“
Im Internet gibt’s alles umsonst – das Problem von Juniorguide
Unser dritter Speaker, Philip Essinger, berichtete dann von einer App, die er gemeinsam mit seinem Kollegen-Team von Happy Pixel entwickelt hat: Juniorguide.
Diese App soll Eltern im Raum München Ideen für Freizeitaktivitäten liefern, die sie mit ihren Kindern unternehmen können. In der regionalen Begrenztheit habe aber bereits der erste Fail gelegen, da die Vermarktung in den globalen App-Stores so schwieriger gewesen sei.
Der größte Fehler sei jedoch die Entscheidung gewesen, die App kostenpflichtig zu machen. Die Idee war, dass der Preis der App den Mitarbeitern des Projekts das gute Gefühl geben sollte, dass sie eine wertige Arbeit geliefert haben. Die Mehrwerte der App seien dem User wiederum aber nicht so klargeworden, als dass sich dieser für den Kauf der App entschieden hätte. Wie es mit der Juniorguide-App weitergehe sei noch offen. Es sei auch durchaus denkbar, die App letzten Endes aus dem Store zu nehmen.
ein interessanter Abend beim #smcmuc über Scheitern: zweimal mit erfolgreichem, einmal mit offenem Ende. Danke an die Orga @smcmuc
— Markus Pflugbeil (@MarkusPfl) May 30, 2016
Das Fazit des Abends: ohne Strategie läuft nichts
Meine grundlegende Erkenntnis des Abends ist einmal mehr: Viele Kampagnen scheitern an einer fehlenden strategischen Grundlage. Oft wird zu schnell losgelegt und umgesetzt, bevor man sich konkret überlegt hat, wohin der Weg eigentlich genau gehen soll und wie man ihn am besten erreicht.
Sabine, unsere Moderatorin, zitierte zum Abschluss noch einen persönlichen Bekannten von ihr, der Social Media Manager eines großen Unternehmens ist. Er hatte ihr gegenüber zugegeben, dass nur eine von zehn Kampagnen, die er umsetzt, am Ende erfolgreich ist. Erfolg ist also nicht selbstverständlich und manchmal muss man auch Dinge ausprobieren und falsch machen. Solange man die Fehler erkennt und im Endeffekt daraus lernt, ist Scheitern gar nicht schlimm. Schwieriger ist es, wenn Fehler oder Misserfolge schöngeredet und die falschen oder auch gar keine Konsequenzen daraus gezogen werden – aber auch das passiert noch oft genug.
Vormerken: Der nächste Social Media Club in München findet am 25.07.2016 zum Thema „Arbeit der Zukunft“ statt. Nähere Infos sowie die Fotos vom „Fail Meets Success“-Abend folgen in Kürze auf der Facebook-Seite des #SMCMUC.
Das war ein sehr spannender Abend, auch sehr gut moderiert! Vielen Dank an alle Gestalter, Referenten, Fragensteller, Netzwerker!
Danke für das positive Feedback, Manuela! Ich gebe das gerne auch noch mal ans komplette Orga-Team weiter. Vielleicht sehen wir uns ja auch am 25.7. beim nächsten #SMCMUC. Viele Grüße, Anna