Stefan Rosenträger Stefan Rosenträger ist Projektmanager bei der moresophy GmbH, einem Anbieter semantischer Technologien und Software Lösungen in München. Davor betreute er zwei Jahre als Key Account Manager Kunden für die intelliAd Media GmbH bei der Integration von Bid Management und Tracking Software im Suchmaschinenmarketing und war Online-Produktmanager bei Springer Fachmedien München. Aktuell studiert Stefan Rosenträger berufsbegleitend an der FOM Hochschule und macht seinen Master im Fach IT-Management. Für den PR-Blogger schreibt er über Technologie-Trends und -Themen im Online-Marketing.

Informationsarchitektur als digitale Baukunst

4 Minuten Lesedauer

Niemand würde ein Haus bauen, ohne dass vorher ein Architekt den Grundriss entwirft. Im Online-Business wird der digitale Bauplan häufig vernachlässigt. Dabei ist der strategische Rahmen, quasi die digitale Architektur, hier mindestens genauso wichtig. Im folgenden Beitrag möchte ich anhand zweier Projekte aus dem Bereich virtueller Communities zeigen, wie sich mithilfe von Informationsarchitekturen ein digitaler Bauplan umsetzen lässt.

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Virtuelle Communities sind kein Perpetuum mobile

„A greater focus on individualized service that understand the customer’s likely intent, is helping the service process” nennt Michael Maoz, Vice President von Gartner, das wichtigste Ziel des Kundenservice der Zukunft in Unternehmen. Communities, in denen sich Nutzer untereinander und mit Unternehmensvertretern austauschen, rücken dabei immer stärker in den Fokus. Allerdings ist eine virtuelle Community kein Perpetuum mobile, das, einmal angestoßen, von alleine läuft.

Erst die Betreuung durch Administratoren und Moderatoren,  die strategische Planung und Services machen die Online-Gemeinschaft für das Unternehmen erfolgreich. Forrester sieht Technologie und Strategie in einem gemeinsamen Ansatz erfolgreich: „Good customer service is the result of the right attention to strategy, business processes, technology, and people management”. Integrierte Software-Services sind nötig, weil in Unternehmen verschiedene Systeme im Einsatz sind. Informationen können nicht über eine zentrale Instanz aufgerufen werden. Diese Silos erschweren die Arbeit der einzelnen Abteilungen.

Um diese Silos zusammenzuführen und – besser noch – zu vernetzen, sind fachliche Konzept-Modelle in Form von Informationsarchitekturen sinnvoll. Sie liefern einen digitalen Bauplan, der Business- und IT-Sicht in Einklang bringt und nicht nur auf technischen Aspekten der IT-Infrastruktur beruht. Ein Architekturmanagement, das über die reine Bewertung von IT-Strukturen und Prozessen hinausgeht, hält auch Hermann Kruse, des früheren CIO der Deutschen Bahn AG, für unabdingbar. Eine integrierte Informationsarchitektur beinhaltet für ihn eine „durchgehende Verbindung von der Geschäftsarchitektur über die Anwendungs- beziehungsweise Informationsarchitektur bis zur technischen Architektur“.

Es stellt sich die Frage, wie sich Konzept-Modelle möglichst nahtlos in vorhandene IT-Systemlandschaften integrieren lassen. Den ersten Schritt bildet die Entwicklung von Frameworks.

Baupläne für Communities beinhalten soziale und technologische Komponenten

Annika Schröder und Katharina Hölzle stellen in ihrer Studie „Virtual Communities for Innovation: Influence Factors and Impact on Company Innovation“ fest: Funktionierende Communities müssen soziale und technologische Komponenten in Einklang bringen. Hierfür schlagen die Autorinnen ein „company–community interaction quality (CCIQ)“-Framework vor.

Um Communities als Instrument strategisch in den Unternehmenskontext einzubetten, muss dieses Modell erweitert und ausgebaut werden. Ein wichtiges Element ist das „Web 2.0-4-Faktor-Modell“ von Bernd Wirtz. Dieses Modell sieht den User als zentralen Dreh- und Angelpunkt in der digitalen Wertschöpfung. Das zweite Element zur Erweiterung des CCIQ-Frameworks stammt von Ursula Markus. Sie entwirft ein Rahmenmodell zur „Integration der virtuellen Community in das CRM“.

Das Ergebnis dieses Community-Bauplanes habe ich in der Abbildung unten zusammengefasst:

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Dynamische Geschäftsprozesse brauchen eine flexible Architektur

Den meisten Entscheidern ist bewusst, wie wichtig ein Strategie-Bauplan ist. Dennoch scheitern viele virtuelle Communities trotz hoher Investitionen und einer stabilen Mitgliederbasis. Krcmar und Leimeister berichten in ihrem Artikel „Das Geschäftsmodell Virtual Community Revisited“ davon, dass „selbst Gemeinschaften mit hohen Mitgliederzahlen und lebhaften sozialen Strukturen damit [kämpfen], finanzielle Nachhaltigkeit zu erreichen und dadurch ihr Überleben zu sichern“. Der Grund für den Misserfolg wird „dadurch begründet, dass kein bzw. ein falsches oder unzureichendes Geschäftsmodell zugrunde gelegt wurde“.

jenga_haus_architektur_shutterstock_153049487Abhilfe schaffen flexible Systemarchitekturen. Diese integrieren Communities so in Geschäftsprozesse, dass sie „innerhalb eines Unternehmens eine unterstützende Funktion des Kerngeschäfts (bspw. Prozessverbesserung oder Marketingfunktion) einnehmen. Dieses – Krcmar und Baumeister nennen es  „Baukasten“-System – versetzt „Betreiber einer virtuellen Community“ in die Lage, „in der konkreten Ausgestaltung frei“ zu sein und „die angebotenen Elemente beliebig“ zusammenzubauen.
Bildlich lassen sich diese Systemarchitekturen als eine Art „Jenga“-Spiel fassen. Einzelne Bausteine müssen sich in der Architektur entfernen lassen, ohne dass das ganze System zusammenbricht. Damit das System nicht in sich zusammenfällt, sollte die Architektur möglichst stabil sein.

Digitale Baukunst: Modellierung von Communities in der Praxis

Die Modellierung mithilfe von Informationsarchitekturen kann ohne Weiteres als digitale Baukunst verstanden werden. Die Arbeit von Informationsarchitekten gleicht in vielen Aspekten dem, was Baumeister leisten, die Pläne für Gebäude entwerfen.

In diesem Zusammenhang liefern die Informationsarchitekten Resmini und Rosati mit ihrem Buch „Pervasive Information Architecture: Designing Cross-Channel User Experiences“ eine schöne Sicht auf digitale Baunkunst in Software-Umgebungen: Da große Mengen an Informationen sich nicht nur immer schneller ausbreiten, sondern sich auch innerhalb einer immer komplexeren Medienlandschaft vernetzen, ist laut Resmini und Rosati ein „holistic and ubiquitous approach to products and services“ gefordert.

Großer Vorteil der Modularisierung von Komponenten der Organisation ist es, aus bestehenden Bausteinen dynamisch neue Organisationseinheiten zu bilden, ohne dabei jedes Mal seine Unternehmensstrukturen komplett zu überdenken.

Informationsarchitektur zum Aufbau virtueller Communities (Grafik: moresophy GmbH)
Informationsarchitektur zum Aufbau virtueller Communities (Grafik: moresophy GmbH)

Wie sieht das Ganze in der Praxis aus? Hierzu ein kurzer Einblick in zwei Projekte, die wir mit dem Freelancer-Portal GULP und K.Lab umgesetzt haben. In beiden Fällen liegt den Systemen die gleiche Architektur zu Grunde, die in der obigen Abbildung dargestellt ist.

  • GULP stand im Rahmen der Neugestaltung des Portals vor der Herausforderung, seine interne Suchmaschine und ein Matching von Userprofilen, Tätigkeitsprofilen und Unternehmensinformationen zu optimieren. In der Konzeptionsphase wurden semantische Netze für die jeweiligen Kompetenzen der Freiberufler aufgebaut und mit den Anforderungen der Unternehmen in Bezug gesetzt. Um das Matching von Konzepten, um Inhalte dynamisch entsprechend der Suchanfragen auszuliefern, zu erreichen,  findet im Hintergrund der Benutzeroberfläche eine Bewertung  der Suchanfrage des Nutzers statt. Die Informationsarchitektur hilft, das Wissen und die Profildaten von Bewerbern mit den Anforderungen der Unternehmen abzugleichen und beide Seiten innerhalb der Community zusammenzubringen.
  • Das Startup-Unternehmen K.Lab educmedia ist ein Software-Dienstleister der Klett Verlagsgruppe, der das Portal meinUnterricht.de betreibt. Hierbei handelt es sich um eine Fach-Community für Lehrer und Referendare. Lehrkräfte können sich in der Community austauschen, eigene Unterrichtsmaterialien hochladen und auf dem Portal ihre Produkte anbieten. Neben einem Aufbau von Such-Funktionalitäten bestand die Aufgabe für den Einsatz semantischer Informationsarchitekturen zunächst darin, Verlags- und Nutzerinhalte in unterschiedlichen Dateiformaten (PDF, Word, RTF etc.) zu normieren und diese hinsichtlich verschiedener Kriterien  zu ordnen. Der modularisierte Content kann entsprechend der Suchanfrage des Nutzers flexibel kombiniert werden. Dafür sorgen neben automatisierten Texterschließungsmechanismen Informationsarchitekturen. Diese schaffen als konzeptionelles Design den notwendigen Rahmen für die personen- und gruppenspezifische Auslieferung von Content, der genau auf die jeweiligen Interessen von Fachlehrern und Referendaren zugeschnitten ist.

Fazit: Digitale Baumeister helfen, komplexe Systeme stabil zu halten

Die vorgestellten Projekte stammen aus sehr unterschiedlichen Branchen. Ob im Verlagsumfeld, Online-Recruiting, E-Commerce oder Industrie: Über alle Branchen hinweg werden Geschäftsmodelle dynamischer, genauso wie interne Systemprozesse. Bei aller Bewegung darf ein solides Fundament dennoch nicht fehlen. Informationsarchitekturen helfen, komplexe Systeme stabil zu halten.

Bildquellen: Shutterstock, moresophy GmbH, Stefan Rosenträger

Stefan Rosenträger Stefan Rosenträger ist Projektmanager bei der moresophy GmbH, einem Anbieter semantischer Technologien und Software Lösungen in München. Davor betreute er zwei Jahre als Key Account Manager Kunden für die intelliAd Media GmbH bei der Integration von Bid Management und Tracking Software im Suchmaschinenmarketing und war Online-Produktmanager bei Springer Fachmedien München. Aktuell studiert Stefan Rosenträger berufsbegleitend an der FOM Hochschule und macht seinen Master im Fach IT-Management. Für den PR-Blogger schreibt er über Technologie-Trends und -Themen im Online-Marketing.

Ein Kommentar zu “Informationsarchitektur als digitale Baukunst”

  1. Schöne Analyse, wie Daten aus IA-Sicht genutzt werden können. Dazu müssen sie aber erst einmal vorliegen. Im Alltag eines Industrieunternehmens sieht es dann so aus, dass bereits einfachste Aufgabenstellungen große Probleme bereiten – etwa das Erfassen von grundlegenden Produktdaten im CRM. Was ist überhaupt ein Produkt? Nur der Fotoapparat oder auch das zusätzlich gekaufte Objektiv? Wann reden wir von verschiedenen Produkten? Schon bei unterschiedlichen Farben oder einer anderssprachigen Gebrauchsanweisung? Erhebliche Probleme bereitet immer wieder das Pflegen all der schönen Daten, egal, wo. Es lassen sich nämlich nicht nur tolle Analysen zum Kundenverhalten ableiten, sondern auch Rückschlüsse auf die Effizienz der Vertriebsmitarbeiter erstellen. Was den Betriebsrat in helle Begeisterung versetzt. Analytisches CRM, eine nette Idee, im Grunde kaum praktikabel.

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