Wie wird bei Ihnen mit Macht umgegangen? Und wie wird Hierarchie gelebt? Oben Klasse, unten Masse? Wie viele rein formelle Statussymbole, die sogenannten Krücken der Macht, gibt es noch? Welche verbalen und nichtverbalen Überlegenheitszeichen werden wie zelebriert? Und wer spielt immer noch Herr und Knecht?
Wer Machtansprüche rein durch Hierarchie sichern will, ist heute schnell unten durch. Gerade von den Digital Natives wird Autorität erst dann anerkannt, wenn sie durch Taten gerechtfertigt ist. Institutionalisierte Autorität „von Amts wegen“ wird sofort hinterfragt. Und die klassischen Statussymbole haben viel von ihrer Strahlkraft verloren.
Doch in vielen Firmen wird Hierarchie noch immer über Quadratmeter Bürofläche, Länge der Fensterfront, Anzahl der Blumentöpfe und den fahrbaren Untersatz definiert. Dabei ist solches Machtgeplänkel hochgefährlich. Es kostet Zeit und Energie, es hemmt das Wachstum, belastet das Klima und begünstigt Regelverstöße.
Macht per se ist weder gut noch böse
Macht an sich ist ja weder gut noch böse. Es kommt vielmehr darauf an, wie man sie nutzt. Es gibt nämlich eine helle und eine dunkle Seite der Macht. Sie macht die Guten besser und die Schlechten schlechter. Der Grat ist schmal und die Verlockungen sind immens.
Hirnforscher berichten von einem sich verändernden Hormongemenge: Vor allem der Testosteronspiegel steigt. Man wird zu einer High-T-Person, womöglich zu einer aus der „dunklen Triade“: Psychopathen, Narzissten und Machiavellisten. Die wahrscheinlichen Folgen: Skrupellosigkeit, übersteigertes Geltungsbedürfnis, Positionengeschacher und Selbstbedienungsmentalität.
So wird mancherorts die ganze Company umgebaut, um den Investoren zu imponieren, der Wirtschaftspresse zu gefallen oder fette Boni zu kassieren – völlig unabhängig davon, ob dies unternehmerisch sinnvoll ist. Nicht das Wohl aller, sondern rein egoistische Motive stehen dabei im Vordergrund.
Testosteron: in den falschen Hirnen ein Teufelszeug
Die Machtdroge Testosteron dämpft Empathie, was früher im Einzelfall sinnvoll war, denn im Kampf musste man notfalls töten können. Sicher kann Testosteron ein wunderbarer Antreiber sein, es sorgt für Wachstum und Fortschritt, und es bringt uns auch mächtig voran. Doch in den falschen Hirnen ist es ein Teufelszeug.
Es befeuert Eskalation, lässt über zulässige Grenzen springen und fabriziert den gefürchteten Tunnelblick. Höllisch aufpassen muss also jeder, der Macht erlangt, denn Macht verändert die Persönlichkeit. Der zunehmend sorglose Umgang mit Machtbefugnissen führt zur blinden Selbstüberschätzung, zu Gewissenlosigkeit, zu pathologischem Größenwahn und womöglich in die Kriminalität.
Soziale Kompetenzen verkümmern, Gefühlskälte setzt ein und die selbstkritische Einsicht versiegt. Oft ist auch niemand mehr da, der nach Einhalt ruft. Denn Autoritätshörigkeit verbietet Widerworte. Übrigens besteht eine enge Beziehung zwischen einem beruflichen Aufstieg und dem Verschweigen von Fehlern und Schwierigkeiten gegenüber dem Chef.
Wo Angst regiert, hat Kreativität keine Chance
Macht und Angst sind ein Paar. Denn wo Macht ist, ist immer auch Angst. Die Angst derer, die nach oben drängen ist die, den Anschluss zu verpassen. Und die panische Angst derer, die schon oben angekommen sind ist es, die mit Macht einhergehenden Privilegien wieder zu verlieren.
So kommt es, dass Machtbesessene ihren Zuständigkeitsbereich hermetisch abriegeln, im Silodenken verharren und ihr Wissen wie einen Schatz hüten, anstatt es zu teilen. Verstehen sich Führungselite und Belegschaft als „wir da oben“ gegen „die da unten“, dann ist der Bruch vorprogrammiert. Schlimmer noch: Das „Machtwort“ des Chefs lässt wertvolle Initiativen einfach versanden. Und Kreativität hat keine Chance.
Die guten Mitarbeiter mit hohem Potenzial lernen auf diese Weise, dass ihre Meinung nicht zählt. Und sie wandern in Scharen ab. Auch bei denen, die bleiben, werden in großem Stil menschliche Ressourcen verschwendet, denn es baut sich ein Szenario aus Drohungen, Intrigen, Missgunst und Kontrollwahn auf. Der Fokus ist nach innen gerichtet. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt. Für Kunden bleibt da wenig Zeit.
Kreativität ist die Schlüsselressource der Zukunft
Und wie will man Kunden betören, wenn alle immer nur abwartend nach oben schauen, anstatt nach draußen in den Markt zu lauschen? Heute werden Unternehmen von außen, also von den Kunden her, nach innen gebaut. Die entscheidenden Impulse kommen von draußen. Und sie werden über die Mitarbeiter in die Führungsspitze hinein gereicht. Outside-in-bottom-up heißt von nun an der Kurs.
Bildquellen: Hierarchy – Multicolored wooden toy blocks and figures on white background (shutterstock), Electric lighting effect, abstract techno backgrounds for your design (shutterstock), Anne M. Schüller