Kommunizieren in der Krise. Die einen haben die Ruhe weg. Den anderen wird schon bange, ohne dass eine Krise in Sichtweite ist. In seinem Buch „Kommunizieren in der Krise: Nachhaltige PR-Werkzeuge für Schwierige Zeiten“ geht Lorenz Steinke darauf ein, wie sich Unternehmen ohne akute Krise auf potenzielle Online- & Offline-Krisenkommunikation vorbereiten. Im Rahmen des Buchprojekts habe ich ihm ein Interview zur Rolle der Blogger gegeben und weshalb Blogger Relations nicht auf kostenlose Reisen und Produktproben zu reduzieren sind.
Lorenze Steinke: Viele Unternehmen nehmen Blogger-Anfragen weniger ernst als Journalisten-Anfragen. Das Argument dahinter: Die meisten Blogger sind ihnen unbekannt, besitzen oft keinen journalistischen Hintergrund oder sind vor allem an kostenlose Pressereisen und Produktmustern interessiert. Wie kann ein Unternehmen zwischen seriösen und unseriösen Bloggern unterscheiden?
Jens Issel: Was ist seriös und unseriös? Menschen lesen immer häufiger Blogs, weil hier persönlich und authentisch, mit Meinung und auf Augenhöhe berichtet wird. Das ist nicht unbedingt journalistisch – wird aber gelesen. Es schafft also Reichweite für ein Thema. Soll das unseriös sein? Die richtige Frage ist: Was wird gelesen? Blogger und Unternehmen können beide Nutzen daraus ziehen. Genauso wie bei Journalisten gilt es Kontakt und Vertrauen aufzubauen. Hier sind mir viele Unternehmen zu reaktiv. Sie warten ab bis Anfragen kommen, anstatt Blogger aktiv mit einzubinden und für ihre Zwecke zu nutzen – falls es die Blogger zulassen. Für die Unternehmen ist doch wichtig: Welchen Eindruck & welchen Ruf macht das Blog aus? Wie wurde in der Vergangenheit berichtet? Welche Reichweite hat das Blog? Kriterien, die von Bloggern offen kommuniziert werden sollten und in der heutigen Zeit für jedermann nachzuvollziehen sind.
Was das ausschließliche Interesse an Produktmustern und Pressereisen angeht, mag das unter tausenden Bloggern vorkommen. Aber hier sind Unternehmen ja frei, diese in Zukunft nicht mehr zu bedienen – die klassische Selektion des Marktes. Aber beachten Sie zwei Dinge: Zum einen ist Bloggen, im Gegensatz zum Journalismus, selten ein Beruf mit dem Geld verdient wird und daher ist es nachvollziehbar, wenn Kosten übernommen werden. Zum anderen haben Unternehmen ja auch Vorteile davon. Es ist eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Die Kosten für Produktmuster und Versand müssen in Relation zu Reichweite und Nutzen der Bloggerkommunikation gesetzt werden. Völlig nachvollziehbar. Inwiefern dann noch unabhängige Berichterstattung möglich und gewollt ist, kann natürlich diskutiert werden.
Viele Blogger nehmen im Unterschied zu Journalisten das sogenannte „Laienprivileg“ in Anspruch, das sie von sorgfältiger Recherche entbindet. Mit dem Verbreiten von Gerüchten, Meinungen und schlecht recherchierten Geschichten können sie so viel Schaden anrichten. Ist die Zurückhaltung vieler Unternehmen im Umgang mit Bloggern daher nicht nachvollziehbar?
Meinungsfreiheit, Rufschädigung und Verleumdung sind alles Dinge die gesetzlich geregelt sind. Es ist also jedem Blogger zu raten, gut zu recherchieren. Ausfälle gibt es immer wieder, auch im Journalismus.
Und trotzdem wundere ich mich, was bei Unternehmen für ein Bild vorherrscht. Negative Absichten werden gleich zu Beginn unterstellt. Unternehmen müssen sich von diesem Bild genauso verabschieden, wie von der Vorstellung der reinen positiven Berichterstattung. Blogger sind keine Boulevardjournalisten, aber auch keine Schönwetterschreiber. Ein gutes Verhältnis wird nicht dadurch geprägt, dass ich nur im Positivfall Nutzen ziehe und mich im anderen Fall beschwere und das Verhältnis kündige.
Drei von vier Presseanfragen münden heute in negativer Berichterstattung. Haben Sie Verständnis dafür, dass viele Unternehmen gerade in Krisen Schutzwälle aufbauen und Blogger-Anfragen von Pressestellen sehr zurückhaltend bearbeitet werden?
Nochmal: Blogger sind keine Pressevertreter. Journalisten sind für Auflage und Reichweite ihres Mediums mitverantwortlich. Das zwingt zu einer bestimmten Berichterstattung.
Außerdem „Die Blogger“ gibt es nicht. Jeder von uns kann heute ein Blog eröffnen. Natürlich möchte jeder viele Leser. Erfolgreiche Blogs sind allerdings häufig auf bestimmte Fachbereiche spezialisiert. Dabei sind die meisten eher an Neuigkeiten und Exklusivität interessiert und nicht an Boulevard. Ich möchte das vereinzelt nicht ausschließen. Aber den Bloggern grundsätzlich zu unterstellen, sie würden meist negativ berichten, halte ich für noch verfehlter als im heutigen Journalismus.
Ich kann die Unternehmen nur auffordern: Installieren Sie Fachleute, die sich mit der Zielgruppe Blogger auseinandersetzen, mit dieser den Dialog führen und auch aktiv mit Themen bespielen. Und entwickeln Sie Strategien, wie Sie aus negativen Blogbeiträgen Nutzen ziehen können. Blogger sind nicht Ihre Werber und auch kein Stimmvieh. Aber sie lassen sich für gute Dinge gerne integrieren. Dafür ist Dialog eine wichtige Voraussetzung und eine Prävention für Krisenzeiten.
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