Selbst eine konservative Branche wie die Versicherungswirtschaft hat Social Media für sich entdeckt. Die Allianz startete 2009 ihre Social Media Aktivitäten. Als Markus Walter seine ersten Tweets im Namen des Versicherungskonzerns verschickt hat, konnte er noch nicht wirklich ahnen, welche Auswirkungen das auf sein weiteres berufliche Leben haben könnte. Inzwischen trifft man den Social Media Manager immer häufiger in den Social-Media-Arenen oder hört und liest seine Interviews. Er ist ein Markenbotschafter seines Unternehmens geworden. Seiner Ansicht nach gibt es neben den Journalisten weitere wichtige Influencer, die die Allianz mit Hilfe von Social Media erreichen will. Das gelingt ihr sehr gut. Die Resonanz auf die Social-Media-Aktivitäten ist insgesamt positiv.
1. Sie twittern und networken für die Allianz Deutschland AG sehr intensiv, warum eigentlich? Was bringt das Social Media Management Ihrem Unternehmen?
Zuallererst bietet uns Social Media die Chance, das Ohr so nah am Boden zu haben, dass wir selbst kleinste Erschütterungen – negativer wie positiver Art – sofort mitbekommen und darauf reagieren können. Dann ist da die Möglichkeit, die Vielfalt darzustellen, die in einem großen und internationalen Unternehmen wie der Allianz per se existiert, bisher aber kaum abgebildet werden konnte. Und schließlich haben wir natürlich das Ziel, den Themen, die uns wichtig erscheinen, Gehör zu verschaffen.
Diese Gewichtung – 1. Monitoring, Dialog und Krisenkommunikation, 2. Imagebuilding, Networking und Trendscouting, 3. klassische Unternehmenskommunikation – hat sich schnell herauskristallisiert. Die Angebote eines Finanzdienstleisters eignen sich ja nicht unbedingt dazu, User zur Errichtung von Facebook-Altären zu animieren. Dafür spüren wir aber, dass sehr positiv (und oft auch überrascht) registiert wird, dass wir im Netz als Ansprechpartner präsent sind. Das macht uns im Übrigen ungemeinen Spaß – welche Kommunikatoren aus konservativen Branchen können schon sagen, dass sie auch mal so reden dürfen, „wie ihnen der Schnabel gewachsen ist“?
2. Welche ersten persönlichen Erfahrungen haben Sie mit Social Media gemacht?
Als privater Blogger habe ich vor einigen Jahren erstmals die Begeisterung aller Beteiligten für die schöne neue Kommunikationswelt erlebt. Dieses Gefühl, gemeinsam an einer tollen Sache zu arbeiten, die direkten Feedbacks und der daraus entstehende Austausch – all das kannte ich aus den One-Way-Medien, für die ich bisher gearbeitet hatte, schlichtweg nicht.
Diese Euphorie bringt man dann natürlich auch in den Job mit – muss aber immer überlegen, was für den dortigen Einsatz wirklich Sinn macht. So haben wir hier bei der Allianz – bevor wir mit Twitter 2009 aktiv ins Social Web gestartet sind – die Landschaft schon eine Weile passiv beobachtet und uns z.B. gegen Corporate Blogging entschieden, da uns die Zeit – oder besser: die eigene Unternehmenskultur – damals noch nicht reif erschien.
3. Welche Voraussetzungen benötigt ein guter Social Media Manager? Was sollte er unbedingt beherrschen?
Schnell muss man sein, beweglich, immer up to date. Gleichzeitig: Zuhören können. Wie jeder Kommunikator sollte man ein guter Storypicker und Storyteller sein – also quasi die klassischen journalistischen Tugenden auf 140 Zeichen leben. Im Dialog Wertschätzung vermitteln, Mediator sein – intern wie extern. Und wer nicht mit ganzem Herzen dabei ist, Spaß an der Sache hat, wird schnell als „Adabei“, wie man hier in Bayern sagt – als Mitläufer – entlarvt und zu recht links liegen gelassen.
4. Wie nutzen Sie Twitter, Facebook und Blogs für Ihre Arbeit? Wie viel Zeit verbringen Sie damit?
Für uns in der Unternehmenskommunikation (UK) ist Twitter aktuell die wichtigste Plattform – sowohl in unserer Eigenschaft als „Sender“ als auch als „Empfänger“. Dort sind alle wichtigen Influencer anzutreffen, nirgendwo sonst kann man sich so schnell und gut informieren und austauschen. Obendrein halte ich Twitter für ein sehr mächtiges Realtime-Monitoring- und Krisenkommunikations-Tool: Alles, was im Netz eine gewisse Relevanz besitzt, findet dort – eher früher als später – seinen Niederschlag.
Facebook und XING kommen bei uns vor allem im HR-Bereich bzw. im Marketing zum Einsatz – und in Kürze starten die Kollegen aus dem Personal einen „Fettnapf-Vermeider-Blog“ mit Karrieretipps.
5. Wie viele Personen sind bei Allianz insgesamt in Social Media aktiv? Welche Social Media Projekte gibt es?
Hier in Deutschland sind bisher vor allem die Bereiche UK, HR und Marketing sowie natürlich unser Allianz Knowledge-Team aktiv – alle Beteiligten treiben Social Media neben ihren angestammten Aufgabenfeldern voran. Spannend finde ich auch, was mit Blogs, Wikis und weiteren Web 2.0-Projekten gerade in der internen Kommunikation passiert – denn die Unternehmenskultur kann nur von innen heraus nachhaltig verändert werden.
6. Was hat sich für Sie persönlich am meisten durch Social Media verändert?
Social Media hat die Corporate-Kommunikationskultur meiner Ansicht nach ganz maßgeblich aufgelockert. Endlich reden Menschen mit anderen Menschen in einer Spache, die beide Seiten verstehen und die Freude am Dialog vermittelt. Das mag auch daran liegen, dass neue Stakeholder hinzugekommen sind: Unsere klassische Zielgruppe in der Unternehmenskommunikation – Multiplikatoren – sind nun nicht mehr nur die Journalisten, sondern auch die Web-Influencer. Die Party ist größer und bunter geworden. Das ist doch großartig!
Bei allem Jubel soll das aber nicht heißen, dass Social Media für alle Belange und für jedermann der Königsweg ist: „Harte Themen“ wie etwa aus der Finanzkommunikation sind nicht immer auf 140 Zeichen zu vermitteln. Und wenn es um sensible persönliche Daten geht – wir sind schließlich ein Finanzdienstleister – ist der Kundenservice ab einer gewissen Beratungstiefe sicher besser im direkten Kontakt aufgehoben. Social Media ist noch eine Nische – in der es sich aber hervorragend leben lässt, eben weil sie Tag für Tag ein wenig größer wird.
Herzlichen Dank für das Interview!