Anja Förster und Dr. Peter Kreuz sind gemeinsam in aller Welt unterwegs, um nach spannenden, innovativen Unternehme(r)n zu forschen. Auf Grundlage ihrer so gewonnenen Erkenntnisse beraten sie Unternehmen in Managementfragen, schreiben Bücher und halten Vorträge. Außerdem haben die beiden de facto ein Blog (auch wenn sie es nicht als solches bezeichnen) und setzen auf Twitter.
Im Gespräch mit ihnen ging es mir um ihre Meinung zum Einfluss der sozialen Medien auf ihre eigene Tätigkeit, Unternehmen und Geschäftsmodelle.
>> Sie sind ja beide als Berater tätig. Welche der den Social Media zugehörigen Tools nutzen Sie zu Personal Branding-Zwecken selbst und wie genau nutzen Sie diese?
Anja Förster (AF): Personal Branding ist extrem wichtig, keine Frage. Das genaue in Sachen Social Media hat sich bei uns evolutionär entwickelt. Wie bei allen Autoren stand am Anfang das Buch, um in die Öffentlichkeit zu treten. Die neuen Medien waren dann eine Folge davon. Zunächst haben wir klassisch im Internet begonnen und alles andere hat sich dann im Laufe der Zeit ergeben. Der Augenöffner für uns war, als wir nach der Veröffentlichung von "Alles, außer gewöhnlich" eine Unmenge von Zuschriften bekommen haben. Dort setzten wir dann mit den neuen Medien an, mit der Zielsetzung, einen Dialog aufzubauen. Der erste Schritt dazu war unser Newsletter, den wir auch auf unserer Website veröffentlichen, auf der die einzelnen Bestandteile kommentiert werden können.
>> Verfolgen Sie die Kommentare, die Sie erhalten, selbst?
Dr. Peter Kreuz (PK): Natürlich. Ich glaube der größte Fehler, wie ihn viele Firmen begehen, ist zu sagen: "Wir machen etwas, weil man es gerade eben so macht". Wenn wir uns entschließen etwas zu tun, dann mit ganzem Herzen und großer Freude, sonst lassen wir lieber die Finger davon.
AF: Was mich besonders erstaunt, ist die Qualität und Tiefe der Kommentare. Die Leute schreiben nicht einfach "Ja, stimme ich zu." oder "Nein, finde ich blöd", was durchaus hätte passieren können. Stattdessen machen sich unsere Kommentatoren weiterführende Gedanken und beleuchten Aspekte, die wir in der Form noch nicht angesprochen haben. Im Grunde passiert genau das online, was man auch von einem guten, persönlichen Gespräch erwarten würde: Man bringt sich gegenseitig weiter. Und das finde ich nach wie vor bemerkenswert.
>> Also entstehen Ihre Bücher heute quasi in Koproduktion mit Ihren Lesern?
PK: Im Prinzip natürlich schon. Zwar nicht in der Form, dass wir eine Idee ins Web stellen und sagen: "Kommentiert mal!", aber natürlich entwickelt sie sich durch Gespräche mit Menschen weiter. Es ist nicht so, dass wir uns zum Schreiben irgendwo im Himmalaja abschotten, mit niemandem reden und plötzlich die göttliche Eingebung kommt. Vielmehr ist jedes Buch eine Kondensation all der Gespräche die wir mit Menschen führen und dabei ist egal, ob sie online oder offline stattfinden. Überhaupt weichen die strikten Grenzen zwischen den beiden Welten zunehmend auf, wer heute wie Sie eine Reputation managen oder eine Marke aufbauen will, der kommt an Online-Medien nicht mehr vorbei. Das Jahrhundert in dem das funktionierte ist schlichtweg vorbei.
>> Ihren Newsletter veröffentlichen Sie ja auch online, faktisch in einem Blog, auch wenn Sie es nicht so nennen. Wen wollen Sie auf diesem Wege erreichen? Ihre klassische Zielgruppe ist ja vermutlich eher weniger Blog-affin.
AF: Unsere Zielgruppe im originären Sinne ist tatsächlich die erste und zweite Führungsebene,.
PK: Und da heißt es eben noch häufig: "Frau Schmöckerle, bitte drucken Sie mir den Newsletter mal aus".
AF: Aber auch das ändert sich, denn da kommt eine neue Generation und die wollen und können wir sehr gut über Blogs erreichen. Dazu kommt, dass wir inhaltlich für ein neues und frisches Denken im Managements stehen und diese Idee in die Welt tragen wollen. Deshalb schlagen auch zwei Herzen in unserer Brust, denn es ist uns unglaublich wichtig mit unseren Ideen auch die jüngeren Menschen zu erreichen, die die Manager von morgen sein werden. Deshalb versuchen wir mit dem Blog, die Ideen schon heute in deren Köpfen zu parken. Es geht uns also weniger um einen neuen Vertriebsweg, sondern um eine Möglichkeit, unsere Botschaft zu transportieren.
>> Sie sind als strategische Berater in vielen Unternehmen. Daher interessiert mich, wie Ihrer Meinung nach aktuelle Trends, die durch das Netz katalysiert werden oder von dort ausgehen, Unternehmensstrategien beeinflussen. Ich rede zum Beispiel von der Veränderung der Medienlandschaft, von Menschen, die sich weltweit vernetzen, von sich ändernden Dialogstrukturen und den damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungsprozessen.
AF: Das ist genau eines der Hauptthemen unseres neuen Buches, an dem wir gerade arbeiten und das im kommenden Herbst erscheinen wird. Sie haben es schon richtig beschrieben, es entstehen völlig neue Dialogstrukturen, Hierarchien spielen keine Rolle mehr, Kommunikation verläuft unverzüglich, wir haben eine Opt-in Society und keinerlei Weisungsbefugnis – um nur mal ein paar Punkte zu nennen. Und dann gehen Sie mal in ein normales, tradiertes deutsches Unternehmen. Finden Sie einen Punkt davon wieder in der normalen Managementstruktur? Nichts, null! Das sind völlig andere Welten. Quasi so, als stünde eine Betonmauer dazwischen und man sagte: "So, jetzt vergisst Du mal alles, was Du aus dem Internet kennst, hier läuft das Ganze andersrum.". Aus unserer Sicht ist das gelebter Wahnsinn.
PK: Ich glaube da steht uns eine Revolution ins Haus. Zum einen, weil es immer mehr junge Menschen gibt, die das nicht mehr akzeptieren. Die sagen: "Es kann doch nicht sein, dass ich Abends im Internet Feedback geben und meine Meinung kundtun kann und am nächsten Morgen sieht die Welt total anders aus. Da ist jemand, der mir sagt, was ich zu tun habe, nur weil er länger dort sitzt. Meine Ideen werden nicht gehört, nur weil ich nicht in der richtigen Hierarchieebene bin. Das kann nicht sein." Also wird es Menschen geben, die das nicht mehr akzeptieren und Unternehmen tun sich selbst natürlich keinen Gefallen, weil sie im Prinzip die Weisheit, die Leidenschaft und das Wissen ihrer Leute aussperren, anstelle es zu nutzen.
AF: Dann haben sie im Grunde Arbeitsroboter da sitzen.
PK: Hände, ein bisschen Gehirn und das wars.
>> Die Leute kommen von zu Hause und sind eine fundamental andere Art und Weise des Denkens gewohnt, als sie es im Unternehmen an den Tag legen sollen.
AF: Es ist nicht nur ein ganz anderer Ansatz, sondern er bringt auch fundamental andere Ergebnisse. Unternehmen können oft nur träumen von dem, was durch kolaborative Zusammenarbeit an großartigen Projekten realisiert werden kann. Deshalb glauben wir, dass sich hier etwas ändern muss und wird. Diejenigen, die das weiterhin negieren und den Status Quo erhalten wollen, werden nach unserer Überzeugung einen hohen Preis zahlen.
PK: Deshalb ist es nicht nur ein nettes Tool, mit dem man ein bisschen twittert und ein Blog schreibt, sondern wir glauben, dass es die Wirtschaft ganz dramatisch verändern wird. Übertragen auf Arbeitsstrukturen bedeutet dies, dass der Selbstverantwortung und Selbstorganisation eines jeden Mitarbeters in Zukunft eine wesentliche Bedeutung zukommt. Und ich finde das sind sehr schöne Aussichten. Die Entwicklung ist da und man kann es nicht mehr aufhalten.
AF: Ich glaube, dass wir uns momentan in einer ebenso disruptiven Phase der Veränderung befinden, wie während der Industrialisierung. Nur ist das natürlich keine Sache, die in einem Jahr passiert, sondern ein längerer Prozess.
PK: Aber die Entwicklung beschleunigt sich! Wenn Du heute im Dax Unternehmen bist und Dir dort mit Stolz erzählt wird, dass sie soeben Facebook geschlossen haben und die Leute dies nicht mehr und das nicht mehr dürfen, ist es doch beinahe Idiotie. Die haben einfach oftmals keine Ahnung, was sich gerade da draußen entwickelt.
>> Was ich sehr gespannt beobachte ist, welchen Einfluss die aktuellen Entwicklungen im Social Web auf Wertschöpfung und Geschäftsmodelle haben. Es passieren Dinge, die früher undenkbar waren; z.B. Wikipedia, wo tausende Freiwillige unentgeltlich Lexikonartikel verfassen und so einen gigantischen Wissensspeicher geschaffen haben. Was kommt in dieser Hinsicht auf uns zu, wie wirken sich die gesellschaftlichen Veränderungen auf Geschäftsmodelle aus? Werden wir verstärkt zur von Chris Anderson proklamierten "Freeconomy"?
AF: Lassen Sie mich direkt bei Andersons Buch "Free" anknüpfen. Viele seiner Beispiele kommen aus der digitalen Welt. Was natürlich nicht heißt, dass die „Freeconomy“ nicht irgendwann auch in die Brick-and-Mortar-Welt rüberschwappen kann. Doch ich glaube, dass die von Anderson beschriebene Veränderung dann von ganz besonderer Brisanz ist, wenn meine Produkte aus Bits und Bytes bestehen. Dann ist es ein sehr realistisches Szenario, dass mein Geschäftsmodell früher oder später durch ein Free- oder Freemium-Modell aus den Angeln gehoben werden kann und damit obsolet wird. Dazu, ob es in der Brick-and-Mortar-Welt schon eine wirkliche Bedrohung ist, habe ich allerdings noch keine abgeschlossene Meinung.
PK: Ich denke die Antwort ist "Ja, da wird sich wahrscheinlich eine ganze Menge verändern". Wie diese Veränderung allerdings konkret aussehen wird, kann ich nicht prognostizieren. Also kann man jedem Unternehmen nur raten, in Alarmbereitschaft zu sein, Augen und Ohren offen zu halten und sein Umfeld genau zu beobachten. Dann kann man Risiken aber auch Chancen frühzeitig erkennen, und an Wettbewerbern vorbeiziehen. Momentan ist es noch eine Randerscheinung, aber jede Innovation kommt immer von dort und frisst sich dann in Richtung Mainstream. Und wer am schnellsten die Antwort darauf hat, was konkret möglich ist, wird auch am schnellsten sehr erfolgreich damit sein.
Das Interview führte Thomas Euler