Mit einem Bein im Unternehmen: Die pädagogische Verantwortung der Agenturen.

2 Minuten Lesedauer

Die PR- und Social-Media-Debakel der letzten Wochen (ich denke zum Beispiel an Vodafone) haben für mich eines gezeigt: Eine Agentur kann, besonders wenn es um Social Media geht, noch so gut sein – wenn sie es nicht schafft, diese im Unternehmen des Kunden nachhaltig zu integrieren, droht dessen Kartenhaus der öffentlichen Darstellung einzufallen. Ein Vermittlungsversuch zwischen Agenturvision und unternehmerischer Realität.


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Das Dilemma. Ein schwieriger Punkt ist das Zusammenspiel des Unternehmens und der externen Berater. Die beratende Seite hat die Expertise für die Kommunikation im Social Web: Sie weiß, wie man authentisch kommuniziert und den Dialog mit dem Kunden aufbaut und führt. Der Auftraggeber und seine Mitarbeiter wiederum haben das nötige Fachwissen und leben innerhalb jener Unternehmensstrukturen, die authentisch kommuniziert werden sollen. Wer von beiden soll die Social-Media-Verantwortung tragen? Ein Dilemma: Denn der Versuch, die Agentur vorzuschieben, um scheinbar authentisch und passioniert zu kommunizieren, schlägt häufig fehl. Grund: In der Regel ist der „ghost-twitternde“ oder "ghost-bloggende" Agenturmitarbeiter kaum in die Unternehmensstrukturen eingebunden – das wäre aber die Voraussetzung für gelungene Kommunikation. Setzt das Unternehmen stattdessen einen eigenen Mitarbeiter als Kommunikator ein, braucht dieser dazu eine Kompetenz, die teilweise nicht einmal in großen Unternehmen zu finden ist. Zu jung ist das Feld, auf dem wir uns bewegen. Was tun?

1350774613_09ec0c2d32.jpg Die Lösung. Agenturen sollten ihre Aufgabe als „pädagogische Begleiter“ stärker wahrnehmen. Man gibt den Unternehmen nicht einfach komplexe Tools und Konzepte ohne Einweisung in die Hand – so entstehen Aktionen, die bei Twitter mit "#fail" geächtet werden. Ein solches Vorgehen gleicht der Erziehungsmethode von Eltern, die ihrem Kind kommentarlos ein Fahrrad kaufen und davon ausgehen, dass es von alleine fahren lernt. Nach einigen blauen Flecken und aufgeschürften Knien dürfte das Kind genug von Fahrrad haben und es enttäuscht in die Ecke stellen. Das heißt: Social Media darf in Unternehmen nicht vernachlässigt werden, nur weil eine halbherzig durchgeführte Einführung den Lernprozess erschwert. Grundstein einer erfolgreichen Social-Media-Strategie ist also eine fundierte Social-Web-Schulung für die Mitarbeiter. Mit Hilfe einer Schulung sowie dem Aufbau von Corporate Guidelines können Unternehmensmitarbeiter sich sukzessive und systematisch auf Social Media einstellen und ihr „Gespür“ für das selbstständige und sichere Auftreten im Internet schärfen. So muss auch kein Agenturmitarbeiter gleichzeitig als Community Manager fungieren. Die Agentur ist dann kein „Unternehmensvertreter“ mehr, sondern ein „Unternehmensbegleiter“, dessen Ziel die zunehmende Selbstständigkeit seines Kunden ist. Beispiele für Unternehmen, die sich früh diesem Diskurs gewidmet haben und nun davon profitieren, gibt es wenige: Dell und Intel wären hier exemplarisch zu nennen. Beide Firmen couragieren ihre Mitarbeiter dazu, im Social Web Erfahrungen zu sammeln. Der Impuls für dieses Engagement kam aber nicht von aussen, sondern es handelte sich um eine Dynamik, die intern an Fahrt aufnahm. Entwicklungen wie zum Beispiel die Intelpedia, also ein Wikipedia für Mitarbeiter von Intel, wuchsen im Schoße von passionierten Mitarbeitern, bis sie zu einem festen Unternehmensbestandteil wurden: 

"But, similar to Cisco, social media at Intel didn't just blossom overnight. Jeff told me how "Intelpedia" was started on an employee's desktop, and it grew organically until IT had to support it. " (Link).

Mittlerweile setzen beide Unternehmen auf Corporate Guidelines zum Umgang mit dem Social Web, beziehen Kundenwünsche in die Entwicklung ein, und nutzen eine Vielzahl von Blogs für die interne und externe Kommunikation. Ein solcher Lernprozess führt dazu, dass in in diesen Unternehmen Social-Media-Elemente mehr sind als unnützer Schmuck einer Werbekampagne, mehr als simple PR-Tools zur Mobilisierung passionierter Massen. Solche Unternehmen haben Social Media effektiv integriert und haben gelernt authentisch zu kommunizieren. 

Wie sind Ihre Erfahrungen mit diesem Dilemma? Welche Maßnahmen nutzen Sie, um die Distanz zu verringern? 

Christoph Bauer

8 Replies to “Mit einem Bein im Unternehmen: Die pädagogische Verantwortung der…”

  1. Hallo,
    volle Unterstützung für die These, dass „Social Media“ bei einem Unternehmen nicht wirklich funktionieren kann, wenn es nur von einer externen Agentur vorgeschlagen und umgesetzt wird. Social Media Guidelines, Workshops oder regelmäßige Team-Schulungen helfen sicherlich weiter, um Wissen zu vermitteln und das Unternehmen näher an die digitale Kommunikation heranzuführen. Doch all dies hilft wenig, wenn „Social Media“ nicht wirklich im Alltag der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter angekommen ist.
    Unser Ansatz bei FAKTOR 3 ist es daher, die „digitalen Vorreiter“ im Unternehmen zu finden und gemeinsam mit diesen erste Projekte (erfolgreich) umzusetzen. So möchten wir das Saatkorn „Digitale Kommunikation“ im Unternehmen einpflanzen und dafür sorgen, dass die Ernte auch nachhaltig gut ausfällt. Ein positiver Fürsprecher im Unternehmen hilft 10x mehr als eine von Außen gesteurte große Kampagne.

  2. Danke für die Einsicht, Herr Lammers!
    Wie genau gehen Sie bei der Identifikation von „Vorreitern“ vor? Und was, wenn in einem kleineren Unternehmen noch niemand einen Hang zu diesen Dingen entwickelt hat?
    Was tun Sie, wenn Sie einen Widerstand innerhalb des Unternehmens spüren? Weiter aufklären?
    Würde mich über weitere Einblicke sehr freuen.

  3. Lieber Christoph Bauer,
    grundsätzlich eine gute Analyse.
    Allerdings dürfte es vielen Unternehmen schwer fallen die richtige Hilfe bei der Ausbildung, Schulung und dem Support der Mitarbeiter zu finden.
    Im letzten Jahr bereicherten viele Agenturen und Anbieter ihr Portfolio mit Krisen-Kommunikation, inzwischen kann jeder virales Marketing … und Social Media gehört inzwischen auch zu den Basis-Angeboten vieler Agenturen.
    Ist es für Unternehmen oft schon schwer genug eine wirklich gute und kompetente Agentur für ihre Kommunikation zu finden, dürfte es noch schwieriger sein zu erkennen, ob ein Partner in der Lage ist im Haus Social Media-Kommunikationsstrukturen aufzubauen und die Mitarbeiter entsprechend zu schulen.
    Hier wird gerne mit tollen Wordings und PPs bei Pitchings geblendet, hinter denen wenig praktische Erfahrung und Kompetenz steht. Geschweige denn, dass das Thema bei vielen Anbietern tatsächlich tief genug durchdrungen wurde.
    Der Satz mit dem Kartenhaus gefällt mir sehr gut.
    Allerdings auch hier eine Einschränkung, wenn die die Firmenkultur nicht stimmt und es Probleme beim Verhalten des Unternehmens in der Öffentlichkeit gibt, können diese auch nicht durch Social Media-Aktivitäten übertüncht werden.
    Gerade Social Media-Aktivitäten fordern von den Unternehmen eine besondere Wahrhaftigkeit und gelebte Unternehmenswerte. Nur so kann die Kommunikation transparent und authentisch werden.
    Social Media von und in Unternehmen richtig verstanden, kann zugleich eine Chance sein, die Unternehmenskultur zu überprüfen. Eine authentische Kommunikation und Darstellung via Social Media-Aktivitäten ist ja schließlich nichts anderes als ein Spiegelbild.

  4. Zuerst: Danke für die Kritik!
    Dies sind natürlich Prozesse, die bei jeder Beratungsentscheidung anstehen: Die Wahl eines Partners, der auch zu einem passt. Ich glaube das bräuchte schon wieder einen neuen Blogbeitrag (oder besser: Ein Buch) um das Thema aufzurollen. Nur soviel: Wenn eine Agentur Social Media im Portfolio hat, schaue man doch einfach mal was die einzelnen Mitarbeiter online so machen. Twittert die Agentur? Und wenn ja, wie? Hat sie eine Facebook-Präsenz, welche Kampagnen wurden bisher durchgesetzt? Erst dann würde ich als Unternehmen überhaupt Unternehmen zum Pitch einladen. ABER, und der Gedanke ist mir beim Schreiben dieser Zeilen gekommen: Wie sollen die Unternehmen, die Hilfe in genau diesem Bereich brauchen, wissen ob die Agentur die eigenen Social Media Initiativen auch vorbildlich behandelt?
    Ein neues Dilemma, auf das wir da gestoßen sind. Man muss sich, als Unternehmen, wohl am besten auf Empfehlungen verlassen. Diese lassen sich ja wiederrum durchs Social Web eruieren. Ein neverending circle.
    Bei der Feststellung, dass Social Media Wahrhaftigkeit fordert, kann ich Sie nur unterstützen – das schreckt viele Firmen ab. Aber auch die Frage „Wer interessiert sich schon für unseren Bereich?“ habe ich schon öfters gehört – je größer und abstrakter die Gebilde (man denke an große Rückversicherungskonglomerate) werden, desto schwieriger ist es Produkte zu finden, die mit Passion versehen werden können. Meiner Meinung nach kann man aber alles und jeden „passionieren“ und genau dies ist eine der Kernaufgaben einer Agentur: Zu erkennen, was die Menschen an dem Unternehmen interessiert, und dies in den Fokus der Öffentlichkeit zu schieben. .

  5. Hallo Herr Bauer,
    schön wäre es, wenn wir da ein Patentrezept hätten.
    Grundsätzlich ist es aber ja so: Das Thema „Digitale Kommunikation“ ist bei Faktor 3 fester Bestandteil jeder Präsentation, jeder Strategie und jedes Konzeptes. Und sehr schnell bekommt man dann mit, wo solche Ansätze/Ideen auf offene Ohren stoßen. Und dann ist es wie im Social Web: Man muss offen für die Rosinen sein – und diese dann aufgreifen und weiter führen.
    Was tun wir, wenn wir „Widerstand“ spüren? Einem Kunden etwas zu verkaufen, was er partout nicht haben möchte, ist sehr fraglich – daher können wir nur immer wieder argumentieren, Vorschläge unterbreiten (dort wo sie aus Kommunikationssicht auch sinnvoll und zielführend sind) und hoffen, dass wir irgendwann/irgendwo/irgendwie auf offenere Ohren stoßen. Grundsätzlich ist aber die Bereitschaft auf Unternehmensseite, sich mit dem Thema zu beschäftigen sehr groß – es fehlt manchmal an Umsetzungsmut.
    Unser Appel daher an alle Kunden: Sucht euch selber eure Rosinen und habt den Mut, diese Stück für Stück auszubauen – und verschafft euch so Erfolgserlebnisse.

  6. “Nur wenn Sie selbst Klasse besitzen, kann auch Ihre Öffentlichkeitsarbeit erstklassig sein.” – Cyril Northcote Parkinson (1909-93), brit. Historiker u. Publizist

  7. Hallo,
    sehr interessanter Artikel.Toller Blog! Hier finde ich immer was nützliches zum Lesen.Danke für die Infos.
    Gruß Hans

  8. Ganz praktisch: Qualität erkennt Qualität, dazu gehört sicher auch ein wenig Pädagogik.
    Ganz theoretisch: Die Annahme, dass die Innensicht des Unternehmens authentischer ist als die Außensicht der Agenturen gilt nicht immer. Der ganz strenge Systemtheoretiker sagt, auch Mitarbeiter sind für das Unternehmen Umwelt. Das System selbst besteht ausschließlich aus Kommunikationen.
    Ganz pragmatisch: Corporate Social Media sollte, wenn immer möglich, an Menschen gebunden sein, die dann auch in ihrer professionellen Rolle erkennbar sind. Die Zugehörigkeit zu Unternehmen bzw. Agentur ist dann sekundär, wenn der einzelne eben leidenschaftlich für ein bestimmtes Thema agiert. In der Realität mag die Trennung in Unternehmen und Agentur zwar noch eine Rolle spielen (Macht, Budget, Selbstwertgefühl), eigentlich lösen sich aber auch innerhalb der Unternehmen die Strukturen derart schnell auf, das die eigentlich Frage ist: Which Team gets the job done?

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