Aufklärungsarbeit in Schulen zum Thema Internet, Online-Sicherheit und Online-Identität wird von der Politik und von Eltern seit geraumer Zeit vehement gefordert. Zu groß sind die Risiken für Kinder und Jugendliche, wenn sie zu leichtfüßig im Internet unterwegs sind. Von Panikmache möchte ich nicht sprechen, aber der bewusste Umgang mit dem neuen Medium müssen Heranwachsende lernen, um verantwortungsvoll mit dem Medium Internet umzugehen.
Im Rahmen des „Klicksafe.days“ in Deutschland initiierte der Blogger & Internetbeauftrage eines regionalen Jugendbeirates Torben Friedrich (22) gemeinsam mit vielen Mitstreitern aus der Online-Szene die Schulaktion „SchülerVZ, ICQ & Co. / Das Internet vergisst nie…“ an der Kooperativen Gesamtschule Salzhemmendorf in Niedersachsen. Prominentester Mitstreiter war Robert Basic, der mich aufgrund eines Twitter-Aufrufs zwecks Mithilfe auf die Aktion aufmerksam gemacht hat. Die Aktion fand am 22.4. als Live-Experiment statt.
Das Gespräch führte Heike Bedrich, Talisman Kommunikation und Imagebildung.
1. Herr Friedrich, wie sieht die Entstehungsgeschichte hinter der Schulaktion “SchülerVZ, ICQ & Co. / das Internet vergisst nie…” aus?
Die Entstehungsgeschichte basiert auf persönlichen Erfahrungen mit dem Internet, der – noch kürzlich selbst als Schüler – gestellten Erwartung der Unterrichtsgestaltung im Umgang mit dem für Lehrer und Schulen noch neuem Medium und der Idee, den regionalen Jugendbeirat in das Gedächtnis der jungen Menschen zurück zu holen, sowie ihn mit einem Projekt, welches Jugendliche direkt ansprechen soll, wieder für mehr Personen interessanter zu gestalten.
2. Was motiviert Sie dazu, sich in diesem Bereich zu engagieren und wo sehen Sie die Problemfelder der derzeitigen Jugendarbeit?
Grundsätzlich engagiere ich mich in der Jugendarbeit, jedoch ist Jugendarbeit schon lange nicht mehr nur die klassische – ob gleich schwere und wichtige – Unterstützung in Sport-, Musik- oder Jugendvereinen, sondern auch der Umgang und die Aufklärung mit den für Jugendlichen relevanten Themen, die man halt gerade nicht im sogenannten ‚realen Leben‘ begleiten kann, sondern auch virtuell verfolgen muss, um hier zu helfen, zu fördern und zu unterstützen. Dies haben meiner Ansicht nach ein Gros der fördernden Vereine, Institutionen, Eltern und auch Schulen noch nicht im vollen Umfang erkannt und deshalb muss hier Aufklärungsarbeit an allen Fronten geleistet werden.
3. Welche Themen gehören Ihrer Meinung nach stärker in der Öffentlichkeit thematisiert?
Der Umgang mit Medien. Seien es die klassische Printmedien, die TV- oder Internetnutzung, diese Bereiche werden als zu selbstverständlich und selbsterklärend abgetan, ohne jedoch die Folgen der Nutzung zu thematisieren. Bei Print- und TV-Nutzung erfährt man zwar bereits im Unterricht auf Quellen zu achten, zu vergleichen und auch zu recherchieren, es handelt sich aber bei allen klassischen Medien um eine Einbahnstraße. Medien werden konsumiert, verarbeitet und genutzt. Sie sollen zwar hinterfragt und beleuchtet werden, im Endeffekt bin ich aber ein stiller Nutzer dieser Quellen. Das Internet ist jedoch im Vergleich zu den klassischen Medien eine viel befahrene Autobahn in beide Richtungen. Man ist nicht mehr der stille Konsument sondern ein Teil der Quelle. Man gibt persönliche Daten über sich Preis, Bilder, Texte & Videos, die jedem mit der richtigen Recherchekenntnis, selbst nach der „Löschung“, weiter zugänglich sind und macht sich keine Gedanken darüber, welche Folgen dies für einen selbst haben kann.
4. Wie erklären Sie Sich die geringe Resonanz auf die Veranstaltung, trotz guter Vorbereitung und prominenter Unterstützung, zum Beispiel durch Robert Basic, der sich bereits frühzeitig für dieses Projekt engagiert hat?
Selbst wenn mir Jimmy Wales oder Larry Page Ihre Zusage erteilt hätten, glaube ich nicht, dass dies im Bewusstsein der Zielgruppe mehr Bereitschaft eingebracht hätte. Es gibt bisher keine deutsche Internet-Ikone, die von sich behaupten kann, in der Allgemeinheit so populär zu sein, dass sie als Publikumsmagnet in dieser Zielgruppe zieht. Doch das war ja auch nicht die Intention, mit der Herr Basic gekommen ist. Er kam nach eigener Aussage eher selbst als Vater und äußerte sich so, dass er es wichtig finden würde, solche Projekte weiter auszubauen und populärer zu machen.
Ich glaube übrigens auch nicht, dass es an der falschen Vorbereitung lag, wir haben nur gegen eine der ältesten Windmühlen in diesem Segment angekämpft, die es zu überwinden gab. Unser Termin wurde für Schüler nicht in die Schulzeit gelegt und welcher Schüler hat a) die Möglichkeit länger (auf ländlichen Gebieten) zu bleiben ohne die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und b) die Lust nach der Schulzeit sich weiter in der Schule aufzuhalten. Auch einem Großteil der Lehrer werfe ich kein Desinteresse vor, sondern denke eher, dass es am ungünstigen Zeitpunkt lag. Ohne die Einbindung solcher Projekte in die reguläre Schulzeit, sehe ich keine Chance, mehr Schülerinnen und Schüler zu erreichen, sowie für Lehrer und Lehrerinnen eine Unterstützung anzubieten.
5. Ist es sinnvoll, das Thema Medienkompetenz in den Unterricht zu packen oder glauben Sie, dass sich Jugendliche in diesem Themengebiet einfach nicht reinreden lassen wollen, weil sie meinen es besser zu wissen. Wie kann man Lehrer und Schüler in diesem Zusammenhang näher zusammen bringen?
Wollen Sie sich in Ihre „Hobbies“ reinreden lassen von jemandem, der anscheinend weniger Ahnung hat als Sie selbst? Solange Lehrer aber auch Eltern nicht den Schritt ins Internet wagen, sich objektiv mit der Gesamtsituation beschäftigen und von den bereits vorhandenen Portalen und Plattformen Gebrauch machen, sehe ich keine Möglichkeit dem Schüler zu vermitteln, dass man auf die Erfahrung und Kompetenz der Älteren aufbauen kann. In den Köpfen der Schüler ist die Internetnutzung ein Zeitvertreib, der sich in angeblich sicheren Räumen wie im Privatleben abspielt. Warum also hier Ratschläge von jemanden annehmen, für den Google primär ein Suchformular, SchülerVZ unbekannt oder ein digitaler Steckbrief ist und die automatische kostenpflichtige Internetsperre die einzige Option ist, dass Verhalten des Kindes zu kontrollieren. Erst wenn der ausgediente Spruch: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“ aus den Köpfen der Erzieher weicht und in ein „Vertrauen ist gut, Aufklärung ist besser!“ umgestaltet wird, sehe ich eine Chance, dass Jugendliche auch das Vertrauen haben, sich Rat bei Ihren Erziehungsberechtigten zu holen.
6. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus? Wird es mit der Schulaktion weiter gehen?
Erfreulich ist, dass am Veranstaltungstag der Direktor der Kooperativen Gesamtschule, sowie der Systemadministrator auf uns zugekommen sind und uns gegenüber äußerten, dass das Projekt in den Klassenverbänden stattfinden sollte und zwar während der Schulzeit.
Somit bekommen wir die Chance weiter auf die Jugendlichen eingehen zu können, um von und mit Ihnen zu lernen, wie man das Internet besser nutzen und mitgestalten kann. Nun müssen wir uns jedoch Gedanken machen, wie wir an die Eltern und Lehrer herankommen, denn auch diese Zielgruppe muss drastisch aufholen und lernen, was das Internet in den Augen Ihrer Kinder darstellt, sie müssen die Angst verlieren, dass das Internet in der Hand von Pädophilen und Gewalt liegt, sie müssen den Mehrwert dieses Mediums sehen und verstehen, dass all Ihre eigenen Kindheitserlebnisse, das mit Pfeil und Bogen vollzogene Cowboy & Indianer spielen, der gemeine Eintrag der ehemaligen Klassenkameraden im Freundschaftsbuch, bis hin zum ersten Liebesbrief, heute virtuell passieren kann und halt CounterStrike, schülerVZ und ICQ heisst. Es geht nicht um die Frage, ob dies ein Werteverlust, eine negative Veränderung der Gesellschaft oder schlecht für die Entwicklung des eigenen Kindes ist, denn das empfanden schon meine Urgroßeltern gegenüber meinen Großeltern und diese gegenüber meinen Eltern in jeder Beziehung der Veränderung. Es geht darum diesen Kommunikationsaustausch und Prozess zu verstehen der sich hinter dem Internet verbirgt, dass all die vorher privaten Kleinigkeiten heute einen Millionenpublikum bei falscher Nutzung zugänglich ist.
>>Blogsprache, das Blog von Torben Friedrich.Auf Twitter wurde die Aktion unter dem Hashtag #scool dokumentiert.
>> Weitere Interviews im PR Blogger
Ich würde mir wünschen das die Lehrer im Informatik Unterricht mehr über das Thema Internet gefährdungen informieren würden…. Ich hoffe das durch solche Aktionen in Zukunft mehr in diesem Bereich passiert.
Auf meinen Lesungen in den Klassenstufen 5 und 6 werde ich immer öfter auf das Bloggen angesprochen, z.B. wie man ein Blog anlegt, etc. Ich gebe dann bereitwillig Auskunft, auch über den Umgang mit social networks und die Gefahren, die davon auch ausgehen können. Gleichzeitig rede ich aber auch darüber, wie viel Spaß networking machen kann.
Ich bedaure immer, dass die Diskussion darüber meist den Zeitrahmen sprengt, denn mehr als zwei Schulstunden stehen für Lesung plus Fragen nicht zur Verfügung und Lehrer würgen die Diskussion auch gerne mal als „nicht zum Thema gehörig“ ab. Wer mehr wissen will, löchert mich dann in der Pause, und ich habe den Eindruck, dass die Schüler mich für glaubwürdig halten, eben weil ich weiß, wovon ich rede, und das nicht nur mal irgendwo gelesen habe 😉