Inwiefern die Social Media Release für die PR-Branche von Bedeutung ist, darauf werden wir am Freitagvormittag auf dem nächsten Social Web Breakfast in Hamburg mit Bastian Scherbeck diskutieren. Vorab hat der Social Media Projektmanager der achtung! kommunikation für den PR Blogger einige Fragen beantwortet:
1. Warum versenden Sie eigentlich noch Pressemitteilungen, wenn es doch so etwas wie eine Social Media Release gibt?
Die Social Media Release ist (noch) nicht als Ersatz für die herkömmliche Pressemitteilung zu sehen, sondern als ein Tool zur Ansprache weiterer, neuer Öffentlichkeiten – insbesondere der Online-Multiplikatoren, also Blogger, Pod-/Vodcaster und Co. Sie wird im Unterschied zur Pressemitteilung nicht versandt, sondern einzig über den RSS-Feed verbreitet. Da es jedoch immer noch Redaktionen und Journalisten gibt, die mit RSS nicht vertraut sind und sich an das Format der klassischen Pressemitteilung gewöhnt haben bzw. auf den Fließtext einer klassischen PM angewiesen sind, nutzen wir beide Möglichkeiten.
2. Was versteht man unter einem Social Media Newsroom genau?
Der Social Media Newsroom ist die Weiterentwicklung des klassischen Online-Pressebereichs. Das Konzept kommt ursprünglich von Todd Defren (Shift Communications, Boston/San Francisco). Der Social Media Newsroom nutzt konsequent die kommunikativen Möglichkeiten des Web 2.0. Das heisst:
a. Der Social Media Newsroom basiert auf der Weblog Publishing Software WordPress. Pressemitteilungen bzw. Social Media Releases werden damit zu Postings: Sie haben eine permanente URL und auf sie kann direkt und dauerhaft verlinkt werden. Außerdem sind sie für jeden kommentierbar. Hinzu kommt der SEO-Effekt bei den Suchmaschinen bzw. wenn wir über Deutschland reden g
oogle und die Indexierung durch Blogsuchmaschinen (Technorati und co.).
b. Der Social Media Newsroom öffnet sich dem Dialog mit allen Usern. Es geht hier nicht mehr darum, nur die Presse anzusprechen: Wir sprechen mit dem Social Media Newsroom alle interessierten Nutzer und potenzielle Multiplikatoren an. Hier gibt es keine „Anmeldung nur für Journalisten“ und auch keine Mails mit Sperrfrist.
Wer Interesse an der im Newsroom behandelten Thematik hat, wird umfassend informiert. Und wenn das nicht ausreicht: Die Ansprechpartner im Unternehmen sind mit Hilfe des Social Media Newsrooms auf verschiedenen Wegen erreichbar: Die Nutzer können die Social Media Releases / Pressemitteilungen kommentieren, sie können die Ansprechpartner per Skype oder Instant Messenger kontaktieren und sie können natürlich auch anrufen bzw. E-Mailen. Weitere Möglichkeiten sind denkbar – die Entwicklung des Newsrooms ist längst noch nicht abgeschlossen. Je nach Relevanz der Web 2.0 Tools für den Kunden können weitere dialogische Kanäle wie z. B. ein Corporate Twitter eingebunden werden.
c. Der Social Media Newsroom lagert seine Inhalte auf Web 2.0 Portale aus. Konkret: Content wird so weit möglich nicht mehr auf den eigenen Servern gehostet. Filme finden sich im Corporate-Channel auf YouTube, Bilder im flickr-Account des Unternehmens, Präsentationen bei slideshare.net, PDFs bei scribd.com usw. Das hat diverse Vorteile: Zum einen ist der Content, wenn richtig verschlagwortet, sehr viel sichtbarer: das hohe Google-Ranking der genannten Portale wirkt bei einer Suche auf den Content. Zum anderen wird natürlich von den diversen Web 2.0 Portalen jeweils auf den Newsroom verlinkt: Der Newsroom bekommt diverse Einstiegsportale.
3. In der Regel erhalten Redakteure zahlreiche Pressemitteilungen und werden durch die Informationsmenge regelmäßig überfordert. Blogger lehnen Pressemitteilungen oftmals ab. Wie sollte die Ansprache der Journalisten und Blogger konkret erfolgen?
Genau an dem Punkt setzen wir mit dem Social Media Newsroom an. Mit den Möglichkeiten des Newsrooms bekommen Journalisten und Blogger die absolute Hoheit über den Informationsfluss zurück: Wer einen RSS-Feed abonniert, kann das Abo auch jederzeit selbst wieder beenden – und muss nicht darum bitten in einen Presse-Verteiler aufgenommen bzw. aus diesem wieder ausgetragen zu werden. Das ist nicht nur für Blogger, Journalisten und Kunden reizvoll, sondern auch für die Unternehmen: Diese bekommen ein ehrliches Feedback: Wieviele User haben an meinem Content wirklich Interesse?
Doch es ist ja nicht nur die Vielzahl der Pressemitteilungen, die einen Empfänger in der Regel überfordert – sondern auch die Form: Wenn ich täglich 150 Pressemitteilungen per E-Mail erhalte, dann sind das schnell mal 150 Din A 4 Seiten Text. Den für Blogger und Journalisten wirklich relevanten Inhalt müssen diese oftmals erst suchen. Die Social Media Release, die neue Form der Pressemitteilung, wirkt dem entgegen: Sie bricht die Pressemitteilungen auf den relevanten Inhalt herunter und präsentiert diesen in Form von bullet-points. Außerdem liefert Sie dem User u.a. Hintergrundinformationen zum Thema in Form von Verlinkungen und der Nutzung von Social Bookmarking Services wie Mister Wong.
Insbesondere bei der Bloggeransprache liegt der Fokus weniger auf „Public“ als vielmehr auf den „Relations“: Hier muss die Ansprache persönlich sein – und immer auf der tatsächlichen Kenntnis des Blogs basieren. Auf welchem Kanal die Ansprache dann erfolgt, entscheidet sich von Fall zu Fall – da richten wir uns ganz nach den Präferenzen des Bloggers.
4. Social Bookmarking und die aktive Verlinkung gehört zu einem Social Media Newsroom dazu. Werden die Links wirklich genutzt? Welche Erfahrungen gibt es hierbei bislang?
Insbesondere der Multimedia Content auf den diversen Web 2.0 Portalen wird von den Usern gut angenommen. Das Social Bookmarking erfüllt im Zusammenhang mit dem Newsroom ja mehrere Funktionen: Zum einen stellen wir den Usern detaillierte Hintergrundinformationen bereit (sowohl zur allgemeinen Thematik des Newsrooms als auch zu einzelnen Pressemitteilungen/Social Media Releases) und zum anderen generieren wir über die Links zum Newsroom auf Mister Wong deutlich wahrnehmbaren Traffic.
5. Wer setzt hierzulande auf Social Media Newsrooms oder eine Social Media Release? Gibt es einige Best Practice-Beispiele?
In Deutschland steckt die Nutzung des Tools tatsächlich noch in den Kinderschuhen. Wir haben für unseren Kunden Volvic gerade einen Social Media Newsroom umgesetzt, für weitere Kunden von uns arbeiten wir gerade an der Umsetzung. International gibt es einige immer wieder gern genannte Beispiele: So der Newsroom von Electrolux und der Newsroom von General Motors Europe. Abschließend zu erwähnen: Unser eigener Newsroom.
6. Viele Journalisten nähern sich den Web 2.0-Themen eher zögerlich. Inwieweit glauben Sie, dennoch Journalisten mit einer Social Media Release erreichen zu können oder verzichten Sie lieber ganz auf die klassischen Gatekeeper?
Natürlich verzichten wir nicht auf die klassischen Gatekeeper. Das wäre in vielen Branchen und insbesondere in Deutschland auch töricht: Die klassischen Medienkanäle haben weiterhin hohe Reichweiten. Die Skepsis von Journalisten bei Web 2.0 Themen ist u.a. ein Generationenproblem – und wird sich deswegen teilweise von selbst erledigen. Hinzu kommt: Der praktische Nutzen bei der Anwendung solcher Tools spricht für sich: Kein Verteilerspam mehr, keine E-Mails mit mehreren Megabyte großen Fotos im Anhang, problemlose Kontaktierung der Ansprechpartner im Unternehmen auf diversen Kanälen: Wir sind sicher, dass Journalisten in Zeiten der Informationsökonomie in Zukunft immer stärker auf solche Tools zurückgreifen werden.
7. Welche weiteren PR-Trends erwarten Sie für die Zukunft?
Der Einfluss der im Internet verfügbaren Informationen auf diverse Lebensbereiche wird weiter stark zunehmen – und damit auch die PR deutlich verändern: Wer in Zukunft erfolgreich Kommunikationsmanagement betreiben will, muss die sich ständig wandelnde, vielfältige Klaviatur der Kommunikation im Netz beherrschen – und einschätzen können ob und wann sich der Einsatz eines neuen Tools lohnt. Besonders wichtig: Er muss Kommunikation ernst nehmen. Und Kommunikation bedeutet Dialog.
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Klaus Eck
@ Bastian:
„Die Skepsis von Journalisten bei Web 2.0 Themen ist u.a. ein Generationenproblem – und wird sich deswegen teilweise von selbst erledigen.“
Und wie habt ihr das bei den Kollegen von Volvic hinbekommen? Ist das schon die neue Generation, die Skype und Co. im Werkzeugkasten hat?
@uknaus
Reden wir jetzt von den Journalisten, die sich beim Volvic Newsroom bedienen? Oder von den Volvic Mitarbeitern? 🙂
@ Bastian:
Von den Volvic-Mitarbeitern. Wenn die Journalisten/Blogger die Ansprechpartner bei Volvic per Skype, Instant Messenger oder Twitter kontaktieren, müssen die Volvic-Kollegen ja schon auf den Web 2.0-Zug aufgesprungen sein.
Bringt ja nix, wenn nur die eine Seite so weit ist 😉
„Die Skepsis von Journalisten bei Web 2.0 Themen ist u.a. ein Generationenproblem – und wird sich deswegen teilweise von selbst erledigen.“
… finde den Satz so richtig wie er ist auch ziemlich krass. Außerdem glaube ich, dass sich die Handhabung von RSS in Zukunft maßgeblich vereinfachen wird. Ich meine, das was einige Browser heute von uns Usern in dieser Hinsicht erwarten ist doch absolut hirnrissig. Ich gehe davon aus, dass es in baldiger Zukunft viel einfacher sein wird RSS zu nutzen. Dieser Umstand + Überzeugungsarbeit durch uns + die Aha! Erlebnisse der Journalisten wird imho dazu führen, dass sich das „Problem“ zum Großteil gar nicht erst von selber lösen wird müssen.