Die Youtube-Debatte der US-Präsidentschaftskandidaten der Demokraten könnte einen Wendepunkt in der Geschichte der politischen Auseinandersetzung darstellen, heißt es in einer Interpretation des US-Wahlkampfs auf Spiegel Online. Auf einmal sei das "Forum der alten Römer" wieder zurück und der fragende Bürger in der US-Politik dank des Internets wieder gefragt.
Doch in der CNN-Youtube-Debatte war es gar nicht so sehr revolutionär, dass die Wähler ihre Frage per Videobeitrag zur Verfügung gestellt haben und das die Kandidaten direkt vor den TV-Kameras sich um Antworten bemühten, sondern dass man die fragenden Bürger diesmal per Videoeinspielung sehen und hören konnte. Zurecht wird hierbei jedoch von einigen US-Bloggern wie Jeff Jarvis kritisiert, dass es keine wirkliche Partizipation der Bürger gegeben habe. Zwar konnten diese ihre Videos auf Youtube einstellen. Die Auswahl der Fragen erfolgte dann jedoch wieder über CNN selbst. Jarvis glaubt, dass die Bürger bessere Fragen hätten auswählen können. Auf das Fernsehen und dessen Moderator hätte er lieber ganz verzichtet.
Trotz der Kritik an der fehlenden Konsequenz in der Partizipation der US-Bürger an dieser Youtube Debatte sehe ich in dieser Form der politischen Auseinandersetzung einen ersten Fortschritt. Immerhin lässt sich die politische Klasse überhaupt auf das innovative Format ein. In den USA ist das Netz der Ort, an dem die politische Debatte erbittert geführt und vielleicht sogar entschieden wird. So nutzen alle US-Präsidentschaftskandidaten längst entweder Blogs, MySpace- und Facebook-Accounts oder eigene Bereiche auf Youtube für ihren Vorwahlkampf. Die Web2.0-ifzierung des Wahlkampfs wirkt sich auch auf die Youtube-Debatte aus. Sucht man in der Blogsuchmaschine Technorati nach "YouTube" und "Debate", erhält man rund 24.000 Blogeinträge.
Demgegenüber findet die politische Debatte in Deutschland noch immer in politischen Talkshows statt. Spiegel-Redakteur Christian Stöcker glaubt nicht, dass wir Deutschen eine vergleichbare politische Debatte via Internet zustande bringen und klagt über die Selbstreferentialität der deutschen Blogger:
"Das politische Netz hierzulande ist in einem erbärmlichen Zustand, die paar politisch orientierten Weblogs, die es gibt, haben kaum Leser, eine Debattenkultur existiert so gut wie nicht. Deutschlands Blogger sind immer noch zu einem großen Teil damit beschäftigt, entweder über den eigenen Alltag oder über das Bloggen selbst zu bloggen. Und die deutsche Politik betrachtet das Netz vor allem als etwas, das es zu kontrollieren, reglementieren und überwachen gilt – und ist ansonsten weitgehend frei von Kenntnissen über das Medium der Zukunft" (Spiegel Online)
Wenn Blogger über ihre eigenen Befindlichkeiten bloggen und dabei alles
andere außer Acht lassen, kann der Informationsgehalt und die
Unterhaltsamkeit für meisten nichtbloggenden Leser sehr schnell verloren gehen. Das führt bei vielen zur Frustration oder langweilt nur noch. Doch gleichzeitig erleben Blogger immer wieder, wenn sie über andere Blogger schreiben, dass sie dann zu einer Gemeinschaft namens Blogosphäre gehören und davon profitieren. Die Zitierten reagieren direkt auf den eigenen Beitrag und verweisen darauf via Backlink. Der Lohn für die Selbstbetrachtung ist manchmal hoch und schlägt sich unmittelbar in den eigenen Logfiles nieder, so dass wir Blogger durch diese Art der Traffic-Steigerung immer wieder zur Selbstreferentialität verführt werden.
Bis zum nächsten deutschen Wahlkampft haben wir noch ein wenig Zeit, Stöcker das Gegenteil zu beweisen und neue politische Diskurse online zu inszenieren. Ich bin mir sicher, dass wir trotz einer enormen zeitlichen Verzögerung auch in Deutschland ähnliche politische Entwicklungen erleben werden. Zurzeit findet das Thema Politik in der Tat vergleichsweise wenig Ressonanz in der Öffentlichkeit. Das ist jedoch nicht nur im Web so, sondern meiner Ansicht nach hierzulande insgesamt ein gesellschaftliches Phänomen. Darüber hinaus empfiehlt es sich wirklich, den Politiker an jeder Stelle deutlich zu verstehen zu gegeben, dass das Internet fundamental für die gesellschaftliche Dynamik und Entwicklung ist.
>> Spiegel: YOUTUBE-DEBATTE. Wie das Netz die US-Politik revolutioniert
>> Spiegel: US-PRÄSIDENTSCHAFTSDEBATTE.
Clinton und die sieben Zwerge
>> PR Blogger: US-Wahlkampf III: CNN-Youtube Debatte
>> Telepolis: Das Format ist der Verlierer: Die Debatte von US-Präsidentschaftsanwärtern auf You-Tube
Klaus Eck
In dem Artikel wurden ja auch noch die schwachen Zugriffszahlen der deutschen (politischen) Blogs als Argumentation herangezogen. Allerdings wurde nicht beachtet, dass die grösseren politischen Blogs in Deutschland täglich mehr Zugriffe haben als die Auftritte der grossen NGOs und Parteien.
Vielleicht fehlt Blogs einfach auch noch die mediale Aufmerksamkeit in TV und Rundfunk. Gestern Abend war ich daher positiv überrascht, als ich gehört habe, dass das Heute Journal über die Youtube-Debatte berichtet hat. Sogar das Musikvideo über Obama wurde vorgestellt und die Sängerin interviewt. Somit werden immer mehr Menschen über die vielerlei Möglichkeiten des Web 2.0 informiert, die bislang Blogs und Youtube nicht kennen. Und vielleicht hilft dieser Beitrag auch, Blogs & Co. hierzulande ernster zu nehmen.
Zur YouTube-CNN-Fragerunde
Die Youtube(CNN!)-Debate ist sicher eines der spannendsten Themen dieser Woche. Jeff Jarvis kritisiert, dass CNN die Fragen ausgewählt hat und findet, der Sender hätte sich sowieso raushalten sollen. Klaus Eck dagegen fands gut: Er sieht gar e…
Zumal das Märchen über die wenigen politischen Blogs und ihre wenigen Leser nun mal dieses ist: ein Märchen. Sicher gibt es bis auf wenige Ausnahmen (wie das von Markus) kaum ausschließlich und durchgängig politische Blogs – aber allein die Debatte um „Stasi 2.0“ und die Menge an Blogs, die sich gegen die Vorratsdatenspeicherung engagiert haben, spricht eine andere Sprache.
Viele Blogs beziehen immer wieder politisch Stellung und begründen ihre Meinungen auch.
Was es weniger gibt, sind sicher Blogs, die sich mit Wut und Engagement und Polemik in die Mischung aus politischem Watch-Blog und Kampagnen begeben, wie es in den USA etliche tun. Aber deshalb sei die Blogosphäre unpolitisch? Quark!
Die YouTube-CNN-Fragerunde und der Wandel der politischen Sprache
Nochmal zur YouTube-CNN-Fragerunde: Henry Jenkinks hat dazu einen großartigen Beitrag verfasst. Wie Klaus Eck, scheint er einen Wandel der politischen Kultur in diesem Format zu sehen. Allerdings begründet er es wesentlich detaillierter.
Sein Artikel…
Wer ist hier unpolitisch?
http://europe4ronpaul.blogspot.com/