Ein Leben ist nicht genug, meinen viele Onliner und probieren das Second Life aus. In den Medien ist das zweite Leben längst präsent, wenn auch nur auf zahlreichen Covern am Kiosk. Es gibt kaum noch eine Zeitschrift, die sich
nicht um das bunte virtuelle Lebens sorgt und – je nach Standpunkt – verteufelt oder verherrlicht. So kann auch die Zeitschrift Capital nicht auf einen Second Life-Titel verzichten, auf dem der Avatar von Philip Rosdale, Linden Lab-CEO, zu sehen ist.
Schlagzeilen wie "Was Manager am digitalen Doppelleben fasziniert", täuschen jedoch darüber hinweg, dass bislang nur wenige wirklich die Zeit gefunden haben, das Second Life selbst zu erkunden. Es regiert das Halbwissen und die Begeisterung an der Theorie, die gerne auf Veranstaltungen und in persönlichen Gesprächen weitergereicht werden. In der Praxis kennen nur die wenigsten Manager ein Second Life. Sie sind in der Regel schon froh, wenn sie Zeit für das First Life haben. Deshalb bin ich selbst eher selten im "Otherland", aber schätze dessen spielerischen Umgang mit der Wirklichkeit durchaus.
Dennoch drängen immer mehr Firmen in das neue Metaversum und erhoffen sich von der 3-D-Welt neue Erkenntnisse für ihr Markenuniversum. Ob die Wunschträume schnell erfüllt werden, weiß niemand so ganz genau zu berichten. Andere sind sich jedoch sicher, dass das Second Life mit heißer Luft gefüllt ist. So meinte der Volkswagen-Marketingleiter Jochen Sengpiehl laut iBusiness auf dem zweiten Deutschen Mediatag in München: "Die Menschen sollten ihre Energie in der realen Welt einsetzen, statt sie in der virtuellen Welt zu vergeuden." Letzlich sei Second Life gefährlich und überflüssig.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Second Life in der Praxis gemacht? Was ist für Sie tatsächlich der Spaß oder sogar reale Mehrwert daran?
>> Capital: Wunderkind aus der Lindenstraße
>> Diskutieren Sie mit Capital-Redakteur Mark C. Schneider über den Megatrend Second Life.
>> via Second-Life-Experte Markus Breuer
Klaus Eck
Danke, Klaus, für die nette Titulierung. Ich fühle mich aber kaum als Second-Life-Experte. Bei einem derart neuartigen und „anderen“ Medium wie Second Life, ist es schwer die Erwartungen an Expertentum zu erfüllen. Schließlich kann heute kaum jemand wissen, was wir in den kommenden Jahren alles damit tun werden.
Danke auch für das putzige Zitat von Jochen Sengpiehl. Wenn er es denn wirklich so gesagt hat, was ich mir bei einem so klugen Mann kaum vorstellen kann. Hätte er es gesagt, wäre es schon Ausdruck einer ordentlichen Portion Chuzpe – für den Marketingleiter einer deutschen Automobil-Marke. „Überflüssig“ und das Pendant „notwendig“ sind semantisch betrachtet so interessante Worte. Nein, ich will auch nicht behaupten, dass Second Life und die Idee virtueller Welten NOTWENDIG für das Überleben der Menschheit oder mein persönliches Glück wäre. Das gilt aber für viele Dinge, die heute große Bedeutung für unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft haben. Schauen wir uns einmal „Lifestyle“-Magazine an, oder Soap Operas oder … sogenannte SUVs und ähnlich modische Formen des Automobils. Wer möchte mir ernsthaft erzählen, dass man 1,5 Tonnen und mehr „geländegängigen“ Stahl, Glas, Aluminium und Plastik benötigt, damit Mutti die Kleine zum Ballet-Unterricht bringen kann? Nein, ich bin kein Feind der „Mobilität“, wie ein Automann mir jetzt vielleicht vorwerfen mag. Nur Mobilität läßt sich anders sicherstellen. NOTWENDIG sind solche Auswüchse der automobilen Modellpalletten aber höchstens als Statussymbol oder – freundlicher gesagt – als Ausdruck eines persönlichen Lifestyles.
Seitdem die Menschheit die Höhlen verlassen hat, dreht sich nun mal ein immer größerer Teil des Alltags um die Befriedigung der Bedürfnisse in den höchsten Ebenen der Maslow’schen Bedürfnispyramide. Im langjährigen Vergleich scheinen mir virtuelle Welten da noch eine der harmloseren Formen dieses Trends zu sein.
Dann wäre da noch das Wort „gefährlich“. Auch ein interessantes und sehr auslegungsfähiges Wort. Eine Gegenüberstellung der Zahlen der Menschen, die jährlich durch Automobile getötet oder schwer verletzt werden mit den Opfern virtueller Welten erschiene mir dann doch zu unfair. 😉
Sehr interessante Aussage von Herrn Sengpiehl. Die steht dann doch im Widerspruch zu einem Zitat von VW in einem Artikel „Berliner Zeitung“ von gestern (online unter http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/nachrichten/internet-spiel-second-life-wirtschaft/94213.asp ): „Beim VW-Konzern in Wolfsburg heißt es noch, ‚unsere Spezialisten verfolgen das mit großem Interesse.‘ “
Irgendwer in diesem Konzern (vielleicht nur eifriger Händler?) ist auch schon einen Schritt weiter: Es gibt eine VW-Niederlassung in Second Life. Das Bild und die nette Diskussion kann sich jeder hier im Blog von Bernd Schmitz anschauen: http://www.bernd-schmitz.net/blog/?p=220
@ Markus Breuer, „Seitdem die Menschheit die Höhlen verlassen hat“
Es wäre erst noch zu beweisen, dass dem so ist. Ich vermute, dass wir immer noch in der Höhle sind, nur ist sie anders dekoriert. Und mit SL schaffen wir uns eine weitere, diesmal eben virtuelle.
also ich halte es mit dem vw-marketingleiter obwohl ich die gefahr jetzt nicht wirklich erkennen kann. ich finde den SPIEGEL artikel vor ein paar Wochen (ebenfalls Cover) sehr gut und die beobachtungen der verfasserin, die in die haut eines avatars schlüpfte, decken sich mit dem, was ich dort als „ed voyager“ erlebt habe. ich finde das skype-gespräch, das pesönliche eMail oder den Blog-Eintrag bzw. das Kommentar bei anderen Bloggern, v.a. aber das bier mit einem freund in der bar um die ecke immer noch fruchtbringender und für mich persönlich mehr bereichernd, als das gespräch mit masken. klar wird SL jetzt rauf und runter geschrieben. ich frage mich dennoch, wie viel virtrualität wir eigentlich noch vertragen (können) oder wollen. ich denke, dass echtheit und authentizität wichtig ist und bleibt und umso stärker nachgefragt wird, je mehr wir uns in virtuellen welten verlieren. in anlehnung an georg franck fände ich es durchaus angebracht, über eine „ökonomie der authentizität“ nachzudenken.
Jochen Sengpiehl hatte sich am Vorabend der Veranstaltung mir gegenüber schon in diesem Sinne geäußert. Andererseits sah er durchaus den Beitrag, den in-game advertising für den VW Gesamtumsatz hat (er stellte dabei eine sehr große Zahl in den Raum). Wüsste VW auch nur einen Bruchteil der „in der virtuellen Welt vergeudeten“ Energie für ihre Marke zu aktivieren, dann würde Sengpiehl sicher auch anders über Second Life und seine Einwohner denken.
eigentlich hätte ich mir von VW eine größere Affinität zu SL erwartet. Immerhin wissen sie doch ganz gut, wie schnell aus realen Arbeitsplätzen virtuelle werden.
Second life ist in aller Munde. Die Presse greift das Thema gerne auf und was machen viele Leute: Sie probieren es auch. Legen sich einen Account zu und fliegen a bißl durch die Gegend (hab ich übrigens auch gemacht). Schnell wurde ich ernüchert. Die steigenden Nutzerzahlen beruhen m.E. auf eben diese Leute, die es einmal ausprobieren, weil Sie das Thema an sich interessant finden.
Ich fand es ziemlich langweilig. Für jemanden, der immer schon gerne nach Feierabend gechattet hat, ist es ne nette Alternative die ein paar mehr Sinne anspricht und mehr Kreativität fordert als vorher -mehr nicht.
sehr schön dazu ist gerade das aktuelle Editorial der aktuellen Ausgabe der CT. Ein Redakteur versucht den Hype nachzuvollziehen, installiert sich Second Live und gelangt in eine leblose langweilige Welt, in der kaum User online sind. Resume: kann ja sein, dass 4 Mio Leute registriert sind, wie viele sich davon auch ein zweites Mal eingeloggt haben steht wohl auf einem anderen Blatt. Aber die Idee ist ja so faszinierend…
Ja mei, das Second Life. Ich bin ein paarmal drin gewesen, zuletzt letzte Woche und muss auch sagen, dass mich der Inhalt nicht begeistert. Ich halte Second Life für eine Jahrmarkt der Eitelkeiten, vor kurzem habe ich SL den „Long Tail der Bunte“ genannt, das trifft es eventuell ganz gut: http://www.storyblogger.de/?p=359