Grönland vom Eis befreien

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Einmal – ja einmal noch – sollten wir uns an das denkwürdige Spiegel-Interview zum Thema PR mit erinnern. Und ein Kommentar in "eigener" Sache soll hierzu folgen. Schließlich geht das alle an, die sich um das Thema Kommunikation kümmern – online und offline. Wie man  merkt, hat es einige Tage gedauert, bis ich die neuesten Schlagzeilen von Herrn Kocks in Spiegel Online verdaut habe.
Schlimm genug, dass die Kommunikationsbranche händeringend nach guten Leuten sucht und es nicht schafft, sich als attraktives Berufsfeld zu präsentieren. Nein, es gibt auch immer wieder ein paar Schlaumeier, die meinen, sie müssen sich affektiert in Szene setzten – und alle PRler sitzen gleich mit drin.

Erst jetzt wird das volle Ausmaß des Schadens dieser oder ähnlicher Berichterstattung sichbar. Schaden an unserem Berufsbild, unserem Ansehen und unserer Attraktivität als Arbeitgeber.
Gut, mit dem Nachwuchsproblem stehen wir nicht allein, das trifft auch andere Branchen und zum Teil profitieren wir dann auch schon wieder von diesem Mangel, denn wir bieten schließlich die passenden PR-Programme dazu an, wie unlängst in Brand eins schön zu lesen.

Doch was unser Berufsbild angeht, sind gerade wir PR-Menschen ja besonders empfindlich. Erstens, kennt keiner unseren Beruf (erst nach 15 Jahren kann ich behaupten, dass meine Eltern wissen, was ich mache – so ungefähr. Ja, lieber PR-Nachwuchs, so lange dauert das. Der einzige Trost ist, dass es den Kollegen, die sich mit Web 2.0 beschäftigen nochmals doppelt so schwer fällt.). Schließlich hadern wir ohnehin immer mit unserem Selbstverständnis („die Unternehmensberater verdienen mehr, die Werber sind einfach cooler“) und so ducken wir uns in unserem Mauerblümchen-Dasein. Und dann kommt da mal ein Maulheld daher und spricht laut auf, macht sich wichtig. Denn ist es niemand geringerer als der Herr Kocks, der uns dann gleich den Nachwuchs scharenweise zur Tür raustreibt, indem er Dinge behauptet, die wir gar nicht hören wollen.

Nun spricht er in seinem viel diskutierten Interview die Doppelmoral ja selbst an, die er zweifelsfrei hat. Ein guter Selbstdarsteller, der sich sehr gut in Szene setzten kann, gleichzeitig demonstriert, was polternde PR denn so kann. Denn wir haben´s doch alle gelesen oder?
Schön zum Beispiel und vielleicht auch treffend, der Vergleich zwischen Autohändlern und Politikern (also auch andere Berufe können sich durch dieses Interview verletzt fühlen).
Aber man kann zum Wahrheitsgehalt dieser vollmundigen Worte stehen wie man will, einigem – liebe junge Kollegen, die ihr vielleicht doch eine Karriere in der Kommunikation anstrebt – soll hier definitiv widersprochen werden:

1. Man muss ganz sicher nicht Homer oder die Bibel komplett gelesen haben, um ein guter PR-Berater zu werden. Habt Vertrauen, es geht auch ohne.

2. Fiktionale Glaubwürdigkeit ist eine Erfindung von Herrn Kocks. Man kann getrost die tatsächliche Glaubwürdigkeit anstreben.

3.  Kunden müssen nicht in Rollenkonzept gedrückt werden, sondern unsere Aufgabe ist es, dass sie die Rolle, die sie tatsächlich haben, auch gut erfüllen können.

Der beste Satz in diesem Interview, für den ich Herrn Kocks so dankbar bin, denn er wird für immer in meiner Annekdotensammlung Aufnahme finden, ist seine Antwort auf die Frage: Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, Ihr Können für die richtig gute Sache einzusetzen?". Seine bestechende Antwort: "Aber was sollte heute die richtig gute Sache sein: die Befreiung Grönlands vom ewigen Eis?" In Zeiten Treibhauseffekt und Klimawandel genau die richtige Haltung.

>> Spiegel Online: PR-QUERKOPF KOCKS: "Lügner reden immer nur von Notlügen"
>> Petra Sammer – Völlig gaga! Wo sind die Vorbilder der PR?
>> Indiskretion Ehrensache: Klaus Kocks und das Problem mit der PR
>> Die Zeit: "Völlig gaga"

 

Petra Sammer, Ketchum

11 Replies to “Grönland vom Eis befreien”

  1. Was für ein frustrierter Zyniker! Wenn das Ansehen der PR nicht schon so beschädigt wäre, müsste man ja als PR-Profi bzw. als Branche Schadenersatz einfordern.
    Und dass die Spiegel-Eier dem Kocks so hinterher hecheln, lässt sich auch nicht durch ernsthafte journalistische Orientierung erklären, sondern am ehesten dadurch, dass sie sich die Gelegenheit billiger „Rache“ an der PR nicht entgehen lassen wollen.

  2. Herr Kocks spricht gelassen aus, was ganze Industrienationen in die Politikverdrossenheit treibt: Uns sagt eh keiner die Wahrheit, und die Unwahrheit wird dann auch noch von Profis hübsch verpackt. Für diejenigen unter uns die schon etwas länger dabei sind ist diese Verdrossenheit nichts wirklich Neues (siehe hierzu auch DER SPIEGEL, 31/2006, „Public Relations: Die Meister der Verdrehung“ – PR ist eine wachsende Milliardenindustrie, die vor allem unsere Wahrnehmung der Welt manipuliert. Die Profis der Branche helfen inzwischen sogar, Kriege zu inszenieren.).
    Es ist auch nichts Neues, dass gerade Journalisten dieses Mythos gerne unterstützen. Aber unter uns: Es gibt noch PR-Leute, die sich einen Rest Ethik durch das Berufsleben gerettet haben. Und es gibt durchaus Kunden, die das wertschätzen. Und es gibt eine Unmenge Publikationen, die die Anzeigenabteilung mit der Redaktion schon aufs Engste vernetzt haben. Sind deshalb alle Redaktionen käuflich? Nein. Genausowenig wie PR-Berater.
    Dann schließen wir hier mal mit einem Zitat von Oscar Wilde:
    „Ich bin durchaus nicht zynisch, ich habe nur meine Erfahrungen, was allerdings ungefähr auf dasselbe herauskommt.“.
    In diesem Sinne,
    einen schönen Tag mit viel guter PR,
    Dennis Wolpert

  3. Halt! Lassen wir die Kirche im Dorf. Es ist schon etwas einfach, Prof. Kocks jetzt auch noch den Mangel an qualifiziertem PR-Nachwuchs in die Schuhe zu schieben. Wenn unsere Branche wirklich so unattraktiv erscheint, dann ist das keine monokausale Angelegenheit. Es geht u.a. ums liebe Geld: Wer Young Professionals an sich binden will, muss ihnen auch etwas bieten. Reputation und Attraktivität resultieren nicht zuletzt aus Gehältern und Karriere-Chancen, denn:
    „Mit Personal in der Werbung assoziiert man häufig Attribute wie jung und flippig, schnelllebig, niedriges Gehaltsniveau und ungeregelte Arbeitszeit. Als weitere Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität werden höhere Einstiegsgehälter und bessere Weiterbildungsmöglichkeiten genannt.“
    Das sagte schon der GWA-Herbstmonitor 2006, siehe http://www.gwa.de/branchenattraktion.2535.0.html -sk-

  4. Lernen mit Professor Kocks

    Ja, ich bekenne: Ich mag Prof. Dr. Klaus Kocks, denn mit ihm kann man ziemlich viel lgen lernen. Warum? Weil er so schn ehrlich ist. Oder lgt er doch? Immerhin ist Klaus Kocks PR-Berater, aber die, so sagt er sinngem, l…

  5. Ohne jetzt selbst auch nur die geringste Ahnung von PR zu haben, finde ich zumindest die selbst-PR des Herrn Kocks richtig gelungen.
    Wie rückt man sich denn am besten ins Licht der Öffentlichkeit?
    In dem man das sagt, was sich alle sowieso schon denken!
    Und was denken alle? Wir werden sowohl von Politikern, als auch von der Werbung und „den Medien“ nur belogen und betrogen.
    Da passt doch so ein Interview perfekt ins Bild.
    Aber es geht auch anderen Branchen so. Da kämpft man jahrelang, um der Branche ein passables Ansehen zu verleihen und dann kommt irgendein Volidiot und macht alles kaputt.
    Aber so ist das Leben, machen wir das Beste daraus.
    Gerhard Zirkel

  6. Der PR-Trojaner

    Eine Replik auf Petra Sammer und Klaus Kocks – Ich muss zugeben, ich habe sowohl das Spiegel online- als auch das Zeit-Interview mit Klaus Kocks mit einem gewissen Vergnügen gelesen. Klar macht Kocks mit seinen Bekenntnissen PR für sich selbst.

  7. Er ist doch sehr konsequent: Er redet von klaren Rollen, die man aussuchen und dann ausfüllen müsse, und dann macht er es genau so. Seine Rolle ist eben die des PRlers, der zumindest so ehrlich ist zu sagen, dass er lügt. Das könnte man fast schon sympathisch finden. – Und er spielt gut mit den Nachrichtenfaktoren, denn ein langweiliges Interview hätten Zeit und Spiegel auch nicht veröffentlichen wollen.
    Fraglich ist, ob wir PRler brauchen, die den Unternehmen einen schönen Schein verpassen, oder doch eher verantwortungsbewusstere Unternehmen, die sich dann in der Kommunikation darauf konzentrieren können, sich verständlich zu machen?!

  8. Die böse PR oder Blogger haben von Philosophie keineAhnung

    Klaus Kocks, ehemals Kommunikationschef von VW sieht sich der Blogosphäre ausgesetzt. Auf einem Blog der Studenten des Fachs Kommunikations-Management an der Fachhochschule Osnabrück, PREthik wurde sein Name im Zusammenhang mit Drogen erwähnt. Dahin…

  9. Der Text von Petra Sammer ist völlig daneben und penetriert mich dermaßen, dass ich mich genötigt fühle, am heiligen Sonntag morgen zu posten (es gäbe weitaus Sinnvolleres zu tun). Wo fange ich an?
    1. Ich finde Klaus Kocks großartig, was mich allerdings deshalb nicht weiter belastet, da ich voraussetze, dass jede(r) weiß, dass meine Meinung meine Meinung ist und keinen Anspruch erhebt auf Konstrukte wie Wahrheit und Objektivität, die es nie gegeben hat und nie geben wird.
    2. Kocks hat völlig recht mit seiner Aussage, es sei seit langer nicht mehr kommunizierbar, dass PRler, die für Ford arbeiten, den Leuten erzählen, Ford baue die besten Autos, während sie drei Jahre später (und einem Arbeitsplatzwechsel) gleiches über die Konkurrenz behaupten. Diese Aussage ist lediglich insofern unvollständig, als dass man hinzufügen müßte, dass die Leute längst wissen, dass weder Ford noch Opel die besten Autos bauen. Im Zweifelsfalle bauen immer diejenigen die besten Autos, die das höchste Gehalt zahlen.
    3. Homer und Bibel sind super, fehlt lediglich noch die Bild. Hier lernt man täglich (leider, aber es ist nunmal so) wie Heads gemacht werden.
    4. Wer hat denn die Geschichte erfunden, es gäbe ein Nachwuchsproblem innerhalb der PR? Kann durch nichts belegt werden, ich behaupte das Gegenteil.
    5. Auch Begriffe wie Glaubwürdigkeit und Authentizität sind medial vermittelte, konstruierte, wünschenswerte Wirklichkeiten und damit immer fiktional.
    6. Die Tatsache, dass andere Branchen mehr verdienen, sollte keine Neiddebatte auslösen.
    7. Die Meinung, dass Werber „cooler“ sind, ist natürlich zunächst ein Klischee, stimmt aber schon allein deswegen, weil dadurch dass jeder weiß, dass Werbung Werbung ist, habe ich gigantische kreative Möglichkeiten. Hier kann ich auch Schwächen zeigen und behaupten, es seinen Stärken usw.usf. („Wir können alles- Außer hochdeutsch!“
    Selbstironie ist in der Werbung kein Fremdwort mehr- im Gegenteil: Sie hat gelernt, damit Erfolg zu haben. PRler haben das Problem, dass sie Schmarotzer sind. Würde Journalismus keine Nachwuchs- und Budgetsorgen haben, es gäbe sie nicht.
    Und das wissen PRler natürlich.
    Ein klein wenig mehr Selbstironie und Ehrlichkeit täte der Branche gut. Sie kann dabei nur gewinnen. Aber sie hat die Hosen gestrichen voll: davor, dass man die „Ehrlichkeit“ für Zynismus hält. Und das ist durchaus berechtigt und zeigt sehr deutlich wie wenig (oder erfolglos?) PR in den vergangenen Jahren für PR gemacht wurde.

  10. Ich kenne klaus kocks noch aus seiner zeit in bochum. er promovierte bei müller-michaels über brecht. wenn ich mich recht erinnere.
    brecht war auch mein spezialgebiet. es gibt sehr viele unterschiedliche sorten von menschen, die sich intensiv mit brecht beschäftigen. wir haben einmal im keller des bochumer uni-betons zwei stunden über eine zeile von brecht diskutiert. sehr ernsthaft. ich bin mir sicher, dass jeder mensch nach seiner begegnung mit brecht ein anderer ist.
    klaus kocks fand ich damals ebenfalls ernsthaft. heute kommt aus seinem mund zynisches wie aus dem abfalleimer.
    auch klaus kocks ist verändert, wohl nicht durch brecht. es muss etwas anderes gewesen sein. geld wahrscheinlich.
    er war auch nicht so braun damals, ich meine im gesicht.
    wer betont heute noch, dass er mitglied im vw-vorstand war? wer geht heute noch ins sonnen-studio? wer lädt so einen schleimigen menschen in seine sendung ein?

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