Die ARD-Intendanten können beinhart sein, wenn es um die Gebührenerhöhung geht. Sie knicken wohl aber rasch ein, wenn das Leitmedium "Bild", wie am vergangenen Samstag geschehen, sich über eine Sex-Szene erregte, die am darauffolgenden Sonntag im „Tatort“ gezeigt werden sollte. Die monierte Szene wurde noch am Sonntag wenige Stunden vor Ausstrahlung herausgeschnitten.
Damit sich die Bild-Leser darüber ein Bild machen konnten, wurden die umstrittenen Bilder in Farbe abgedruckt. Und am Dienstag dieser Woche feierte das Blatt unter der Überschrift "ARD zensiert Tatort ‑ Nach Bild-Bericht wurden diese Szenen nicht gezeigt" seinen Sieg über die ARD und bediente die Leserschaft aufs Neue mit den monierten Szenen.
Der Bundesverband der Film und Fernsehregisseure (BVR) will erfahren
haben, dass sich die ARD dem Druck bayerischer Landespolitiker nach dem
Bild-Bericht gebeugt habe. Diese sollen sich an ARD-Vorsitzenden und
BR-Thomas Gruber gewandt haben. Nach Informationen des BVR hatte der
Tatort wie üblich zuvor ohne Beanstandung sämtliche Sender-Instanzen
durchlaufen, von der Jugendschutzbeauftragten des Saarländischen
Rundfunks bis hin zu der für das ARD-Gesamtprogramm zuständigen
Jugendschutzkommission. Der ORF strahlte am selben Abend übrigens die
Originalfassung in Österreich ohne Schnitte aus.
Beim Regieverand moniert, dass es zynisch von Bild sei, die
Standbilder zur Auflagensteigerung gleich zweimal zu veröffentlicht und
"sich auf heuchlerische Weise zur Moralhüterin der Nation"
aufzuspielen. Noch ungeheuerlicher sei es aber, "daß Bild offenbar die
Macht besitzt, den Vorsitzenden der ARD aufzuscheuchen und dazu zu
zwingen, einen Fernsehfilm zu zensieren".
Roland Keller