Immer mehr Menschen kaufen online ein und wollen sich dabei selbst informieren. In 2012 bestellten laut Statistischem Bundesamt 42,3 Millionen Menschen in Deutschland Produkte und Services im Internet. Die Werbung spielt als Kaufanreiz dabei eine immer geringere Rolle. Wichtiger werden hingegen Kaufempfehlungen durch die sozialen Netzwerke, in denen wir uns bewegen. Marketeers erhoffen sich zudem vom Content Marketing einen alternativen Weg zum Kunden.
Leider missverstehen viele Unternehmen die Dynamik des Social Commerce und versuchen direkt in den Social Networks Gewinne zu erzielen, indem sie dort werblich ihre Waren anbieten. Als hätte sich nichts verändert, versuchen viele ihre alten Erfahrungen auf die neue Welt zu übertragen und setzen in Social Media auf eine Push-Kommunikation, die niemand mehr will. Facebook hat zwar viele Millionen Mitglieder allein in Deutschland, die als Kunden ansprechbar sind, allerdings legen diese keinen großen Wert auf die direkte Ansprache durch Unternehmen. Die Social Media-Nutzer wollen untereinander bleiben und miteinander kommunizieren. Push-Kampagnen funktionieren nicht mehr unbedingt.
Onliner abonnieren heutzutage nur 5 bis 7 Newsletter und überlegen sich ganz genau, welche Informationen sie regelmäßig in ihre E-Mail-Box lassen. Wer hierbei nicht mit relevantem Content überzeugt, verliert sehr schnell den Zugang zu seinen Stakeholdern. Diese ignorieren die E-Mails und Newsletter oder kennzeichnen die Absender sogar als Spammer. Seit einigen Monaten hat Gmail es den Unternehmen (indirekt) weiter erschwert, werbliche E-Mails zu versenden. Mit wenig Aufwand kann ich meine E-Mails dort in einen Werbe-Ordner legen und künftig ebenfalls dorthin schicken. Dieses Schicksal kann ein Newsletter-Versender nur durch überzeugende Inhalte vermeiden.
Social Commerce Beispiel: Eventbrite
Es gibt natürlich auch Beispiele, bei denen die Leadgenerierung und Social Media sehr gut zusammenpassen, weil hierbei auf die Empfehlungsmechanismen und Content (Events) aufgesetzt wird.
So hat Eventbrite frühzeitig auf Facebook gesetzt. Das Unternehmen ermöglicht es, Veranstaltungen über soziale Netzwerke zu promoten und zu verkaufen. Von der Social Media-Integration auf der eigenen Website hat Eventbrite enorm profitiert. Facebook Nutzer können dank der Social Plugins heute sehen, welche Events ihre Kontakte mögen oder gar besuchen. Darüber hinaus können sie sehr leicht direkt bei Eventbrite ihre Tickets buchen.
Wenn eine mit Eventbrite organisierte Veranstaltung in Netzwerken geteilt wird, löst das nach Angaben des Ticketverkäufers durchschnittlich 15 Besuche auf der Veranstaltungswebsite aus und generiert 2,60 Euro zusätzlichen Umsatz. Letztlich lassen sich in Social Media die Ticketverkäufe erheblich durch Mundpropaganda steigern. Dabei ist Twitter besonders erfolgreich: Tweets generieren in der Regel 37 Besucher und sogar einen zusätzlichen Umsatz von 3,60 Euro.
Eine Woche vor einer Veranstaltung werden in den Social Networks viele Hinweise darauf gepostet. Von diesem Empfehlungsmarketing können zahlreiche Unternehmen, die eine Veranstaltung planen profitieren. Es zeigt aber auch deutlich, welches Potential im Social Selling Kundenempfehlungen haben können. Je leichter es Unternehmen ihren Stakeholdern machen, direkt zu reagieren, sofort zu kaufen, desto leichter tun sich die Kunden damit. Bei Eventbrite gibt es im Kaufprozess keinen Medienbruch, insofern ist es wenig verwunderlich, dass das Ticketing-Unternehmen in den vergangenen Jahren enorme Umsatzsteigerungen erlebte und in diesem Jahr mehr als 2 Milliarden US-Dollar Umsatz macht.
Content Marketing als Leadgenerator
Eine solche Social Media Integration passt jedoch nicht immer. Manche Unternehmen müssen beim Social Selling Umwege gehen und ihre Käufer erst einmal zu sich locken. An die Stelle des Linkbaitings tritt das Content Baiting, bei dem die Stakeholder durch attraktiven Content auf die Social Media Kanäle oder Website gelockt werden. Agressives Pushmarketing funktioniert nicht mehr. Darauf bin ich bereits ausführlich in meinem Social Selling-Artikel „Geht das?“ eingegangen.
Social Media erlaubt es mir als Unternehmen, sehr viel über meine Kunden zu erfahren. Mit jeder Kontaktaufnahme an einem digitalen Touchpoint kenne ich die Kundenbedürfnisse besser, weiß ich, welche Inhalte meine Kunden wirklich interessieren. Wie oft werden einzelne Beiträge geteilt? Wie viel interagieren Kunden mit einem Content? Wie entwickelt sich der Traffic auf den Webseiten? Wie viele Informationen erhalte ich von den Kunden bei einem exklusiven Download?
Content Marketing kann dazu genutzt werden, den Kundenkontakt zu intensivieren. Dafür muss der Content jedoch adäquat sein und darf keinesfalls werblich sein. Die internen Unternehmensprozesse müssen zudem dazu passen, sodass aus dem Content-Einsatz eine konzertierte Aktion in Echtzeit werden kann.
Unternehmen als Medien
Wenn die Marken sich als Content-Produzenten verstehen und dem Content Marketing im Vergleich zur Werbung viel Gewicht geben, können sie davon unmittelbar profitieren. Allerdings müssen sie sich hierbei gleichzeitig von kampagnenorientierer Werbung verabschieden. Content Marketing funktioniert anders. Auf freiwilliger Basis. Es muss für den Onliner (und Offliner) einen klaren Nutzen haben, ansonsten dringen die Botschaften durch die Informationsflut gar nicht mehr durch. Es gibt eine unglaubliche Quantität an Content.
Viele Käufer informieren sich vor einem Kauf im Internet und haben die Wahl. Je kundenzentrierter die Informationen eines Unternehmens online sind, desto erfolgsversprechender dürften diese sein. Jedoch schauen Kunden sich die Informationsquellen genau an. Den Unternehmen vertrauen sie grundsätzlich nicht. Deshalb kommt es im Content Marketing auch darauf an, erst einmal sich dieses Kundenvertrauen und die Glaubwürdigkeit zu erarbeiten. Wer regelmäßig relevante Informationen bereit stellt, die von den Lesern in Social Media geteilt wird, wird sehr schnell in den Augen seiner Kunden relevant. Eine solche Reputation entsteht langsam und wirkt dann aber nachhaltig.
Der Aufwand lohnt sich für Unternehmen, die auf Markenbotschafter, gute Content Ideen und eine abteilungsübergreifende Content-Strategie setzen.
Am 4. November werde ich noch mehr zum Thema Social Selling erzählen. Ich bin als Referent beim LEAD digital Experts Talk dabei zum Thema „Social CRM: The secret Sauce of E-Commerce“. Mein Vortragsthema lautet „Social Selling: Von der Kunst echte Kundenbeziehungen zu managen“.
>> Futurebiz: Social Commerce & Eventbrite – Mehr Traffic und Umsatz durch soziale Netzwerke
>> Eventbrite Studie downloaden
Bildquelle: Shutterstock
In Ihrem Artikel zum Social Selling sprechen Sie einen sehr wichtigen Aspekt im Wandel des Kaufverhaltens an:
„Zwar gehe ich hin und wieder nach wie vor in den Showroom namens Buchhandel, die meisten Bücher kaufe ich jedoch via Amazon online. Inzwischen nimmt auch die Zahl der digitalen Bücher zu, die ich auf meinem Kindle gerne lese.“
Damit sind Sie nicht der einzige. Vielmehr sind solche individuellen „User Journeys“ gelebte Wirklichkeit statt Marketing-Theorie. Marketo hat eine Studie zu conversionstarken Zeiträumen wie Weihnachten durchgeführt mit einigen interessanten Ergebnissen (vgl. http://onlinemarketing.de/news/jahre-weihnachtszeit-ist-conversion-zeit). Eines davon: Über 60% der Befragten wollen kanalunabhängig shoppen, ganz wie von Ihnen beschrieben. Also im Laden das Produkt ansehen (offline), Preise auf Amazon vergleichen (online/mobile) und sich dann zum Kauf entscheiden.
Ich würde es so auf den Punkt bringen, dass dem heutigen E-Commerce eine ganz klare soziale Komponente zukommt. Dabei wird klassische Werbung samt Kampagnen nicht ganz an Bedeutung verlieren, das „Soziale“ aber auch nicht die absolute Oberhand gewinnen. Wer digitale Kommunikations- und Vermarktungsstrategien plant, muss unterschiedliche Komponenten
berücksichtigen, um nachhaltig erfolgreich zu sein:
– Vertrauen: Mit fachlicher Expertise seine Kunden uns Stakeholder überzeugen, dass man seinen Bereich beherrscht und das nötige Fachwissen hat,
– Verlässlichkeit: Mit starkem Kundenservice zeigen, dass man auf Support-Fälle und Beratungsanfragen schnell und nachhaltig reagiert,
– Partnerschaftlichkeit: Sie beschreiben es mit dem Begriff „Markenbotschafter“ und dass Leute gefordert sind, die nicht aggressiv verkaufen, sondern zu denen man einen Bezug aufbaut
– Kontinuierliche Datenanalyse vor und nach der
Umsetzung: Kunden wollen nicht nur ein persönliches Kauferlebnis, sie wollen Preise vergleichen, Sonderaktionen nutzen. Und einen fließenden Übergang der einzelnen Kanäle von offline über online über mobile etc. Touchpointanalysensollten also zum Standardrepertoire gehören, um immer darüber informiert zu sein, welchen Weg die User gehen. Das hilft nicht nur bei der Planung im Vorfeld, sondern auch im laufenden Prozess, einzelne Kommunikationskanale stärker oder schwächer zu gewichten.
Der Mix aus Datenanalyse/Monitoring der Touchpoints und einer vertrauensvollen Kundenbindung macht’s im (Content) Marketing aus meiner
Sicht. Ich würde Social CRM, wenn ich eine der Headlines Ihres Vortrages
aufgreife, also definieren als „Authentische Beziehungen UND technokratische Datenpflege“. Das eine schließt das andere nicht aus.