Die Nase hat eine Standleitung ins Gehirn. Und sie schläft nie. Mit jedem Atemzug werden die in der Luft schwebenden Duftmoleküle aufgenommen und analysiert. Ist eine potenzielle Gefahr zu erkennen, schlägt unser Oberstübchen augenblicklich Alarm. Angenehme Düfte hingegen können zu Stimmungsmachern und Umsatzbeschleunigern werden.
Wir riechen über Rezeptoren in der Nase, 350 an der Zahl. Im Vergleich zu vielen Tieren ist diese Ausstattung spärlich, doch sie scheint unserem Gehirn fürs Überleben zu reichen. „Wenn ich einen Duft rieche, speichere ich mit der Duftkombination gleichzeitig meine momentane emotionale Situation ab, dazu Bilder, Töne und so weiter – all das wird als Paket abgespeichert“, sagt der Geruchsforscher Hanns Hatt. Wie sich solches Wissen umsatzförderlich umsetzen lässt?
Ein Meister darin ist der Körperpflegehersteller Axe. Im Rahmen einer globalen Untersuchung kamen, wie Martin Lindstrom in seinem Buch „Brandwashed“ erzählt, die Axe-Verantwortlichen von Unilever zu folgendem Schluss: Egal, wo auf der Welt, die ultimative Männerfantasie ist wohl die, nicht nur von einer reizvollen Frau begehrt zu werden, sondern von vielen.
So entstanden die Szenarien, die sich durch die Axe-Werbung ziehen: Ein suboptimal ausgestatteter Jüngling zieht dank des betörenden Duftes, den er verströmt, jede Menge bildhübscher Frauen wie magisch an. Schon bald glaubte die Zielgruppe so sehr an die Wirkung, dass sie nur noch exzessiv eingesprüht in die Öffentlichkeit ging. In manchen Schulklassen wurde die Marke sogar verboten, weil alles nach diesem vermeintlichen Sexuallockstoff roch.
Und wie betören Sie uns mit Duft?
Eine entsprechende Beduftung darf niemals ablenken, sondern soll unterstützen. Sie sollte deshalb knapp unter der Wahrnehmungsschwelle bleiben. Übrigens ist der Bereich des männlichen Gehirns, der Gerüche wahrnimmt, um 40 Prozent kleiner als der bei Frauen. Deshalb werden Duftkonzepte wohl besser von Frauen gemacht. Denn Penetranz kann die Sinne sehr schnell überfordern.
Duftvorlieben oder -abneigungen sind sehr individuell, und sie hängen stark mit persönlichen (frühkindlichen) Erinnerungen zusammen. Künstliche Düfte in überhöhter Dosierung können zu körperlichem Unwohlsein und Kopfschmerzen führen. Andererseits können unaufdringliche Naturbeduftungen Wohlbefinden, Konzentration und Kommunikation fördern.
Sie können harmonisieren, entspannen, vitalisieren, gute Laune verbreiten, das Wiedererkennen erleichtern, Erinnerungen heraufbeschwören und, ja, auch die Kauflust steigern. Duftkonzepte können ein Event thematisch unterstützen und für bleibende Erlebnisse sorgen. So zählen in 4D-Kinos über das 3D-Sehen hinaus zur vierten Dimension neben Effekten wie Wind, Schnee, Regen und Getier an den Beinen eben auch Gerüche.
Experten für Duftkommunikation
Experten für Duftkommunikation sorgen dafür, dass eine Duftkomposition perfekt zur Marke passt und auch mit der Kultur eines Landes harmoniert, in dem der Duft eingesetzt wird. Zum Beispiel säubern Reinigungsmittel subjektiv besser, wenn sie duften und schäumen. Bei uns riechen sie eher zitronig und mild, in vielen Ländern des Südens wird hingegen ein chlorartiger, beißender Geruch favorisiert.
Bei einem Test mit beduftetem und unbeduftetem Toilettenpapier zogen 65 Prozente der Probanden die geruchsveredelten Rollen vor. Dabei war nur fünf Prozent von ihnen der Unterschied bewusst.
Leider lässt unser modernes Leben den Riechsinn verkümmern. Er braucht also Training. Kleine Duftexkursionen durch den abendlichen Park, einen Kräutergarten, einen Bauernhof oder eine Gartenschau können ein olfaktorisches Erlebnis sein und den Geruchssinn schärfen. Und wer in den Zoo oder auf eine Safari geht, lernt auch wieder, wie wilde Tiere riechen.
Einsatzgebiete für Duftmarketing
Bei der Luftveredelung sind drei Aspekte relevant: die Luft reinigen, schlechte Gerüche neutralisieren, hauchzart beduften. Im Großen geht es dabei um Geschäftsräume, Arbeitsräume und öffentliche Bereiche. Veranstalter, Messeaussteller, Sportanlagen und Fitnessclubs, Geschäfte, auch Hotels, Restaurants, Arztpraxen, Museen und Ausstellungen, der öffentliche Nah- und Fernverkehr sowie Airlines können hier dankbare Abnehmer sein.
Und im Kleinen? Da geht es um Duftanzeigen, Mailings, Flyer und Prospekte mit Duftkomponenten, beduftete Produkte, Verpackungen, Kartons, Einkaufstüten, Werbegeschenke und Geschenkpapier. Hier wird der gewünschte Duft meist durch Mikroverkapselung aufgebracht, so dass er erst bei Berührung freigesetzt wird.
Wenn sich der Duft nur durch eine haptische Interaktion, also zum Beispiel durch Reiben erschließt, kommt zusätzlich eine spielerische Komponente hinzu, die das Erlebnis intensiviert. Der Einsatz mehrerer Sinne verstärkt zudem die Kauflust.
Die Olfaktorik und das Digitale
Man glaubt es kaum, aber auch das Riechen ist längst digital. So weist eine Smartphone-App namens „NOSE“ den Nutzer auf unangenehmen Körpergeruch hin. Das Schnupperurteil variiert zwischen „okay“, „es wird Zeit“ sowie „dringend“. Forscher arbeiten an winzigen elektronischen Nasen, die Substanzen besser erschnüffeln als ein trainierter Hund.
In Mobiltelefone eingebaut entdecken solche „Nasen“ Gaslecks, Sprengstoffe und gefährliche Substanzen in Lebensmitteln. Bei Schadstoffen in der Luft schlagen sie rechtzeitig Alarm. Und in der Atemluft eines Menschen können sie Hinweise auf Lungenkrebs finden. So wird das riechende Handy womöglich zum Lebensretter.
Und was ist mit dem Internet der duftenden Dinge? Mit oNotes kein Problem. Sobald die Duft-Daten übermittelt sind, generieren zylindrische Boxen innerhalb von Sekunden eine Duftwolke, die über Kapseln gespeist wird. Das Gerät wird oPhone (o für olfaktorisch) genannt. Damit lassen sich aus 32 Basisaromen 300.000 verschiedene Düfte kreieren.
So kann man sich von einem passenden Odeur begleiten lassen, während man ein Buch liest, Musik hört oder einen Film sieht. Man kann auch ein Foto machen, dies mit einem Duft markieren und dann versenden. So reist Duft um die ganze Welt. Für eine ganze Reihe von Industriezweigen dürfte diese Entwicklung von großem Interesse sein.
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