Spitzenleistungen kann man nicht einfordern. Man kann sie nur ermöglichen. Sie haben immer zwei Komponenten: das Können und das Wollen. Daher arbeiten Möglichmacher vor allem an der Schaffung optimaler Rahmenbedingungen. Sie betrachten sich als Potenzialentwickler und nicht als Exekutierer der Unternehmensstrategie. So werden sie zu Inkubatoren für den Erfolg.
Möglichmacher, im englischen Enabler genannt, sehen sich als Dienstleister für ihre Mitarbeiter-Kunden. Sie haben verstanden, dass eine der Hauptaufgaben einer Führungskraft darin besteht, das Zusammenarbeiten zu ermöglichen. Ihre Zielsetzung ist es, ein anspornendes Leistungsumfeld zu schaffen, damit sich die Leute voll entfalten können. Und sie wissen: Mitarbeiter bringen – genauso wie Spitzensportler – nur unter optimalen Bedingungen ihre Höchstleistung ein.
Von daher werden sie die jeweils individuellen Arbeitsmotive und Talente ihrer Leute ermitteln sowie zwischenmenschliche und organisatorische Motivationshemmer identifizieren und eliminieren. Fragen wie diese sind dabei hilfreich: „Was genau kann ich jetzt (sofort) tun, um hierbei zu unterstützen? … Okay, danke. Und was noch?“ Das Nachhaken ist überaus wichtig, denn oft werden erst im zweiten Anlauf die wahren Anforderungen, Anliegen und Wünsche genannt.
Über Edelsachbearbeiter und Mikromanagement
Viele Obere meinen allerdings immer noch, sie müssten alles selbst wissen, alles selbst können und ihren Leuten sagen, wie die Dinge zu laufen haben. „Edelsachbearbeiter“ werden sie gerne genannt. Mikromanagement ist ihr Markenzeichen. Denn ihr Selbstbild verbietet es ihnen, die Zügel aus der Hand zu geben.
Sie können sich schlecht auf andere Sichtweisen einlassen. Selbst die genialsten Ideen werden sie niedermachen, wo es nur geht. Und in Wahrheit? In Wahrheit hat ihr Ego vor allem Sorge um Machtverlust – und Graus vor der inneren Leere. Oder Angst vor dem Zeigen von Schwäche. So wird munter angewiesen – statt involviert und delegiert. Denn Macher sind ungeduldig. Und sie wollen selber machen.
Keine Funktion im Unternehmen ist ineffizienter als das Management
„Wer Kompetenzen einschränkt, verringert den Anreiz für Mitarbeiter, zu träumen, zu fantasieren und sich einzubringen“, sagt der Ökonom und Managementvordenker Gary Hamel. Sehr drastisch formuliert er auch dies: „Keine Funktion in Ihrem Unternehmen ist ineffizienter als das Management.“
Denn die vielen Genehmigungsschritte verlangsamen jede zeitnahe Reaktion. Mehr noch: „Je bedeutsamer eine Entscheidung ist, desto kleiner wird die Zahl der Personen, die sie anzweifeln können.“ Und, ganz abgesehen von den „Kosten der Tyrannei“, so Hamel, sei das Resultat dies: „Nur zu oft erweisen sich aus der Höhe des Olymps gefällte Entscheidungen in der Praxis als völlig unbrauchbar.“
Höchstleistungen können nur in Möglichkeitsräumen entstehen
Möglichmacher hingegen verlagern einen Großteil der Entscheidungen dorthin, wo die kompetentesten Leute sitzen. Möglichmacher müssen nur wissen, wie das aussieht und was es bedeutet, wenn jemand auf den einzelnen Professionalitätsstufen seinen Job richtig gut macht. Sie müssen aber nicht jeden Job selbst gut können.
Sicherlich lässt sich nicht absolut jede Entscheidung an ein Mitarbeiterkollektiv übertragen. Die meisten allerdings schon. Möglichmacher wissen genau: Wer mitunternehmerisch handelnde Mitarbeiter will, muss diese zu unternehmerischem Denken befähigen. Möglichmacher schaffen die dazu notwendigen Rahmenbedingungen.
Sie stellen die erforderlichen Ressourcen bereit, sie übertragen die für die Aufgabenstellung notwendige Entscheidungsgewalt, und sie übertragen Ergebnisverantwortung. Denn sie wissen: Höchstleistungen können nur in Möglichkeitsräumen entstehen. Und Kreativität braucht Spielwiesen. Unter Druck werden höchstens Allerweltslösungen erzeugt. Und die will wirklich niemand mehr kaufen.
Anke Schiller, ein Beispiel von vielen
Eine Möglichmacherin, die sich auf Neuland wagte, ist Anke Schiller, Customer-Care-Leiterin bei der Direct Line Versicherung. „Wir erkannten, dass wir mit all den in Callcentern üblichen Kennzahlen an den Bedürfnissen der Kunden vorbeimanagen.“ So räumte sie diese Instrumente beiseite und sagte:
„Liebe Mitarbeiter, es gibt nur ein einziges Ziel, und das ist, dass der Kunde bei uns bleibt.“ Alles Weitere überließ sie den Mitarbeitern. Sie sagte den Teams: „Ihr müsst das miteinander diskutieren und selbst organisieren.“ Die Kundenbindung stieg, so berichtet sie weiter, in zwei Jahren um mehr als zehn Prozent und liegt jetzt bei über neunzig Prozent.
Für die neue Mitarbeitergeneration unumgänglich
Möglichmacher lassen ihre Leute also machen, wo es nur geht. Selbst, wenn diese Herangehensweise in der Startphase ein wenig mehr Zeit in Anspruch nimmt, zahlt sich das Ganze am Ende doch aus: Die Mitarbeitenden erleben sich als wertgeschätzte Mitglieder ihrer Organisation. Sie erkennen den Sinn ihrer Arbeit. Sie werden zu verantwortungsvollem Handeln motiviert. Engagement und Loyalität wachsen.
Außerdem werden viel mehr passende Ideen produziert. Und die Ergebnisse werden am Ende die besseren sein. Gerade dort, wo Mitarbeiter intensiv in die Strategiearbeit involviert und an den Erfolgen auch finanziell beteiligt werden, werden sie alles tun, damit „ihr Baby“ wächst und gedeiht. Bei jungen Talenten unter den Digital Natives gibt es zu diesem Vorgehen im Übrigen gar keine andere Wahl.
Bildquelle: Shutterstock