Worauf sollen Unternehmen in Zukunft setzen? Kostensparende Onlineberatung und -bestellung? Oder doch auf den Verkauf vor Ort im direkten Kundenkontakt? So einfach ist das Multi Channel Marketing nicht.
Ein mittlerweile fast schon altes Phänomen: Der Kunde informiert sich online und taucht dann offline im Geschäft auf. Weil er das Produkt in die Hand nehmen und einen persönlichen Ansprechpartner haben möchte. Er sucht persönlichen Kontakt zum Vertrauensaufbau. Der sogenannte ROPO-Effekt – „Research online, Purchase offline“. Oder doch „Research offline, Purchase online“? Auch offline informieren und online kaufen, ist keine Seltenheit mehr. Fast 94 Prozent haben sich bereits offline informiert und online gekauft.
Die entscheidende Frage: Wo kauft der Kunde am Ende?
Die Frage nach dem Kaufort ist u.a. davon abhängig, ob Preis oder der persönliche Kontakt im Mittelpunkt steht. In der Regel findet sich in der Masse der Onlineangebote immer eine preiswertere Variante. Das wissen Unternehmen und versuchen, im Preiskampf des Onlinemarkts, eine stärkere Rolle einzunehmen. Die meisten Mobilfunkanbieter unterbieten ihren Offline-Preis im Internet selbst. Wie das möglich ist? Durch geringere Kosten: Keine Ladenmiete, weniger Personalkosten, u.v.m. Aber geht es dem Kunden tatsächlich nur um den Preis?
Kommt der Kunde nach anfänglicher Onlinerecherche ins Geschäft und entscheidet sich dann aufgrund des Preisvorteils doch für den Onlinekauf, so hat er bis zur Kaufentscheidung mindestens zwei Kanalwechsel vorgenommen. Stellt er online zwischendurch eine Frage via Mail, Facebook, etc., dann sind es bereits vier. Das sollten Unternehmen einkalkulieren. Vielleicht sollten sie sogar bewusst damit arbeiten.
Multi Channel Marketing: Kanalwechsel bewusst einsetzen
Kanalwechsel sind doch schlecht und sollten nur im äußersten Notfall im Marketing vorgenommen werden? Schließlich ist Überforderung und weitere Verärgerung der Kunden vorprogrammiert. Das predigen wir zumindest in unseren Beratungen rauf und runter. Und aus Unternehmenssicht stimmt das auch. Anders ist es, wenn der Kunde sich für den Kanalwechsel entscheidet. Das optimale Kauferlebnis bestimmt der Kunde und damit auch den Kanal von Marketing, Kommunikation und Kauf. Es gilt also das Kundenverhalten in die Kommunikation und den Kaufprozess zu integrieren (Customer Journey). Sozusagen die integrierte Kommunikation mit integriertem Sale.
Die Gefahr, dass der Kunde aus dem Informations- und Kaufprozess ausscheidet, steigt mit jedem Kanalwechsel. Für Unternehmen gilt es also das Rundum-Paket zu liefern, bei dem der Kunde möglichst wenig Zeit auf Gedanken zum Ausstieg aus dem Informations- und Kaufprozess verwendet. Nicht durch Zwang, sondern durch Einflussnahme und Steuerung. Unternehmen müssen es dem Kunden so schwer wie möglich machen.
Zu häufig ist der Bruch zwischen off- und online vorhanden, statt die Wechselwirkungen zu nutzen. In vielen Unternehmen herrscht intern ein Kampf zwischen Online und Offline-Verkäufen. Statt Synergien zu nutzen, bekommt der Kunde das Gefühl, dass Unternehmen einen internen Konkurrenzkampf austragen. Das Gefühl von Disharmonie und Misstrauen kommt auf. Das ist Gift für den Kaufprozess.
Vertrauen als Schlüsselfaktor
Vertrauen durch Persönlichkeit ist wichtig. Ein Grundsatz, den gute Social Media-Strategien von Beginn an integrieren. Wenn es nicht bereits hier schon stockt, dann allerdings bei der Weiterentwicklung der Persönlichkeitsansatzes.
Warum begleitet mich bei einer Onlinebestellung nicht ein Mitarbeiter? Von der Frage zum Zubehör und anschließendem Rückversand zum Umtausch mit dem nächstgrößeren Modell? Warum kommuniziere ich als Kunde mit anonymen Mitarbeitern in Telefonhotlines, die mir andere Auskünfte geben als das Team der Facebook-Seite?
Statt mit mir soziale Beziehungen im Kaufprozess aufzubauen, die eine hohe und nachhaltige Kundenloylität mit Zukunftsperspektive bieten, werde ich herumgereicht. Das Unternehmen bleibt für sich. Und ich bleibe mit dem Produkt. Das Unternehmen ist reines Mittel zum Zweck. Der Kundenkontakt beginnt jedes Mal wieder bei Null.
Soziale Beziehung erlauben Kanalwechsel
Die Lösung wäre der Aufbau sozialer Beziehungen und das Einbringen von Vertrauen und Persönlichkeit während der gesamten Customer Journey und zwar fortlaufend.
Eine Branche, die das Ganze zumindest im Offlineansatz verstanden hat: Finanzen & Versicherungen. Der Aufbau persönlicher Beziehungen, um möglichst eine Beratungsleistung in allen Lebenslagen aus einer Hand zu ermöglichen, ist hier ein zentraler Erfolgsfaktor.
In Zukunft Vorteile nutzen
In Workshops stelle ich immer wieder fest, dass insbesondere im Vertrieb die Vorteile der kanalübergreifenden Kommunikation erkannt werden. Kundenkontakte per WhatsApp oder Facebook werden regelmäßiger. Vertragsabschlüsse erfolgen i.d.R. noch immer persönlich. Im Wohnzimmer des Kunden oder am Schreibtisch von Agentur oder Makler. Warum ausgerechnet in dieser Branche? Ganz logisch: Wem im Großen Misstrauen entgegengebracht wird, der versucht Vertrauen im Kleinen zu schaffen.
Versicherungen und Banken werden also notgedrungen zu Multi-Channel-Händlern, um vom persönlichen Kontakt zu profitieren. Und so wundert es auch nicht, dass die Hypovereinsbank mit der Online-Filiale den Kontakt zu einem festen Berater, auch über klassische Filialöffnungszeiten hinaus, ermöglicht.
Beratung zwischen Facebook, Skype und Telefon ist genauso möglich, wie persönliche vor Ort-Beratung aus einer Hand. Wechselwirkungen zwischen on- und offline sollen optimal genutzt werden. Der Kanalwechsel im Laufe der Customer Journey sogar forciert und möglichst reibungslos gestaltet werden.
In Kombination mit dem sich immer stärker entwickelnden Customer Relationship Management entsteht hier eine echte Waffe im Kampf um Kundenloyalität und Rundumbetreuung. Unternehmen, die mit dem ROPO-Effekt flexibel umgehen sichern sich Wettbewerbsvorteile.
Es bleibt also zu hoffen, dass in Zukunft mehr Unternehmen ROPO und persönlichen, dauerhaften und kanalübergreifenden Kontakt miteinander vereinbaren – zum Vorteil von Kunde und Unternehmen. Damit es langfristig kuschelig wird.
Kuscheln mit dem Kunden. Wie können Unternehmen langfristige Bindungen zu Ihnen aufbauen?
Bildquellen: Hypovereinsbank – Online-Filiale, A man walking through the water with the waves parted, Shutterstock, funny young man with computer, Shutterstock
Danke für diesen interessanten Einblick! Multi-Channel-Marketing beginnt bei der internen Integration mehrerer „Kundenkontakt“-Disziplinen: Marketing (hier ist online und offline nach wie vor häufig personell und budgetär getrennt), Sales und Support. Solange hier Parallelwelten existieren bleibt Multi-Channel-Marketing (Excellence) graue Theorie.
Nur ne kurze Frage: Kundenkontakt per WhatsApp, wie kann das gehen. Verbietet WhatsApp nicht kommerzielle Konten oder habe ich etwas nicht mitbekommen. Wie wollten das immer mal für den Servicedialog als weiteren Kanal.
Wir erleben das vor allem in der Versicherungsbranche immer wieder, wenn vor allem jüngere Kunden Kontakt mit Beratern suchen. Diese schicken dann Anfragen oder Schadenbilder per WhatsApp, statt per Mail oder Facebook.
Dass eine Nutzung zu Werbezwecken hier ausgeschlossen ist versteht sich von selbst und steht ja auch so in den Nutzungsbedingungen. Wie wollen Sie allerdings verhindern, dass ein Kunde den persönlichen Berater anschreibt?
Das ist auch in der Tat nichts für die Massenkommunikation, sondern für die persönliche 1:1-Betreuung. Aber darum geht es ja in dem Artikel oben im Kern. Ein Plädoyer für langfristige und nachhaltige Kundenbeziehungen durch persönlichen Kontakt, über die vom Kunden bevorzugten Kanäle und verschiedenen Customer Journey-Schritte hinweg.
In der Tat fällt mir in bestehenden Strukturen und Arbeitsweisen von Nahverkehrsunternehmen auf Anhieb kein sinnvoller Einsatz von WhatsApp ein. Ihnen?
An sich schon, wir haben inhaltlich viele Spontanfragen, die an sich stark über twitter kommen. Da aber twitter nicht die rasende Verbreitung in Deutschland hat, wäre das natürlich ein schönen kanal um direkt Hilfe in Störungsfällen anzubieten. Wir haben nicht das persönliche Beraterprofil. Da ist Vertrieb ja in der Versicherungsbranche etwas anders aufgebaut.
Ich würde im Bereich Service-Dialog statt Messenger eher Dialogmöglichkeiten empfehlen, die dort greifen, wo Fragen und Kontaktbedarf entstehen, nämlich auf der Webseite. Hier ist der Onsite-Chat sehr verbreitet.
Ja das schauen wir uns gerade an.
Viel Erfolg! Erfolgskritisch sind hier Ressourcen und Prozesse, denn der Chat sollte stets erreichbar sein und Anfragen zeitnah bearbeitet werden können.
Das haben wir ja für die anderen Kanäle auch aufgebaut. Das mit dem stets erreichbar, sehe ich anderes. Wir nehmen wahr, Kunden tolerieren Zeiten der Nichterreichbarkeit, wenn sie sauber kommuniziert sind.
Schauen Sie hier einen andere Möglichkeit an, Calltracker.
Bellmetric.de zeigen es ihn „the Missing link“
Sehr interessanter Artikel, die Versicherungsbranche ist auf neue Technologien angewiesen, dadurch senkt man die Kosten und das kann man weiter an die Kunden geben. Auch die Kommunikation geht schneller von statten.