Jens Issel Jens Issel ist Digital Strategist für den EMEA-Raum bei der Text100 GmbH. In dieser Position entwickelt er gemeinsam mit Unternehmen Kommunikationsstrategien für das Social Web und hilft ihnen bei der Konzeption und Realisierung von Social Media-Projekten. Sein Ansatz: “Social Media ist ein gesellschaftlicher Wandel durch Dialog und damit kommunikativ eines der wichtigsten Zukunftsprojekte für Organisationen.” Er fand als ausgebildeter PR-Berater über die politische Kommunikation seinen Weg zu den Onlinemedien. Durch seine vorherige Tätigkeit als Consultant bei der Eck Consulting Group und als Referent für Social Media- und Onlinekommunikation in der Energiebranche, kennt Jens Issel die Branche aus Unternehmens- und Beratersicht. Er schreibt im PR-Blogger u. a. über die Rolle der Mitarbeiter in den neuen Medien.

Selbstkritisch: Der Social Media-Branche fehlt der freie Blick

2 Minuten Lesedauer

Social Media ist der große Wurf. Das Allheilmittel, dem alle hinterherjagen. Unternehmen, die in den sozialen Onlinemedien nicht aktiv werden, prophezeien wir den Untergang. Es ist das große Ding. Selten wurde unsere Gesellschaft durch veränderte kommunikative Möglichkeiten in so kurzer Zeit so gravierend verändert. Und doch ist es am Ende nur ein Baustein von vielen.

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Social Media ist omnipräsent

Es sind Zeiten, in denen sich Social Media-Experten kaum entscheiden können, wie sie ihre Woche gestalten sollen. Am Wochenende noch auf dem Barcamp für Community Manager, stellt sich jetzt die Frage, welche Veranstaltungen diese Woche noch Sinn machen. Heute Abend ein Netzwerktreffen. Morgen Abend einen Vortrag. Zwischendurch werden noch die Tickets für die Onlinekonferenzen des nächsten halben Jahres gebucht. Selten hat ein Thema eine solche Veranstaltungsdichte hervorgerufen wie die digitalen Medien.

Da steckt Potenzial!

Steht das Thema nicht zu Recht ganz oben? Immerhin nutzen es immer mehr Menschen. Die Unternehmen scheinen Kunden hier tatsächlich zu erreichen. Hinzu kommt das Entwicklungspotenzial.

Ich sage Ihnen: Da geht noch einiges.

Sie fragen mich: was denn?

Ich sage Ihnen: CRM, personalisierte Ansprache, Dialogmöglichkeiten, gesteigerte Loyalität durch Transparenz und Authentizität, Employer Branding, Enterprise 2.0, u.v.m.

Fragen Sie aber nach konkreten nächsten Schritten, wird es meist dünn. Ich habe eine Vorstellung. Aber es fehlt an konkreten Beispielen. Entwicklung ist da. Aber sie hängt an der Technik und wenigen Personen, die das Fachwissen und den Mut haben, es umzusetzen. Frei nach dem Silicon Valley-Effekt: Es gibt Tausende. Einer wird sich schon durchsetzen.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Das Wissen und die Kompetenzen haben wir. Aber es fehlt häufig an richtig guten Vorzeigebeispielen.

Es fehlt an mutigen Unternehmen, die konsequent neue Wege mit uns gehen – die den Benchmark als erste setzen wollen. Zu häufig stoße ich mit meinem Verlangen auf Traditionalisten, statt auf Avantgardisten.

Willkommen in der Selbstreproduktion

shutterstock_143231788Währenddessen reproduziert sich die Branche um Onlinekommunikation und -marketing selbst. Was vor einiger Zeit noch Content-Marketing oder Content-Strategie war, heißt heute Content Creation. Spitzfindige werden jetzt feststellen: Da gibt es schon Unterschiede. In der Zusammenarbeit mit Unternehmen gilt am Ende des Tages jedoch:

  • Positionierung und Ziele definieren
  • Themenkorridore definieren
  • Content-Ideen entwickeln
  • Content erstellen

Verstehen Sie mich nicht falsch: Das ist kein einfacher Prozess. Er ist aufwendig und hat viele Facetten. Aber die Themen werden nicht besser, indem wir ihnen immer wieder neue Namen geben. Wir können das Rad nicht neu erfinden. Es wird am Ende noch immer rund sein – sonst wäre es kein Rad.

Wir verlieren den Blick für das große Ganze

Wir sind, objektiv betrachtet, nur ein Baustein des großen Ganzen. Wir sind neu, wir sind fancy, wir sind innovativ. Trotzdem werden wir PR, Marketing, Kundenservice & Co. auch in Zukunft nicht gänzlich ersetzen. Wir nähern uns an und ergänzen uns. Vielleicht sind wir sogar das Bindeglied. Wir leben voneinander. Aber wir ersetzen sie nicht.

Stattdessen machen wir alles Bisherige noch komplexer. Wir haben neue Schnittstellen zu den Kunden. Wir brauchen neue Kommunikationsformen mit den Stakeholdern. Eine Entwicklung, die wir begleiten, aber nicht steuern. Der Kunde steuert mit seinen Bedürfnissen. Am Ende wird auch der Social Media-Experte nicht der Mittelpunkt des Systems sein. Er wird neben PR-, Marketing-, HR- und Kundenservice-Spezialisten seinen Platz finden.

Der Vorteil des Social Media-Experten: Er braucht die Schnittmengen mit den unterschiedlichen Unternehmensbereichen. Schafft er diese, dann ist er vermutlich besser vernetzt als viele der Kollegen.

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Was Unternehmen tatsächlich brauchen

Tatsächlich muss jemand den Überblick behalten. Einer, der den crossmedialen Ansatz vorantreibt, der die Bausteine integriert und strategisch zusammensetzt. Einer, der den Corporate-Gedanken mit der Individualisierung vereinbart.

Zu selten gibt es in Organisationen den Generalisten, den zentralen Ansprechpartner, der koordiniert und das letzte Wort hat. In welchem Unternehmen wird die externe Darstellung der unterschiedlichen Bereiche zwischen Kundenservice, Kommunikation, Marketing, Produktentwicklung und Co. schon optimal koordiniert? Selten! Häufig arbeiten die Bereiche nebeneinander. Sie verschenken die gesteigerte Schlagkraft, die durch das Bespielen der unterschiedlichen Kanäle erreicht werden könnte.

Für Unternehmen gilt: Es braucht den Kommunikations- und Marketingmanager, der sich nicht nur so nennt, sondern das Management auch als solches begreift. Social Media-Experten mit Weitblick bieten gute Perspektiven – brauchen aber Pioniergeist.

Für Social Media-Experten gilt: Die Branche muss aufpassen, nicht in ihrer Selbstbeweihräucherung zu ersticken. Immer häufiger langweiligen wir uns gegenseitig, statt freies Denken zu ermöglichen und Zukunft zu gestalten.

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Ein geschätzter Kollege malte zuletzt das Bild der dicken Fische im Teich, die sich nur noch gegenseitig anglotzen und nicht mal merken, dass ihnen niemand mehr zusieht. Also Obacht.

 

Bildquellen: Summer. Someone’s hand constructs equilibrium on a grass, deamles for sale; Clear the confusion leadership solutions with a businessman,  Lightspring; Sunrise at sea on a tall ship classic sailboat. Close up of the, cdrin; Pearlscale Goldfish, Lim Tiaw Leong, Shutterstock

Jens Issel Jens Issel ist Digital Strategist für den EMEA-Raum bei der Text100 GmbH. In dieser Position entwickelt er gemeinsam mit Unternehmen Kommunikationsstrategien für das Social Web und hilft ihnen bei der Konzeption und Realisierung von Social Media-Projekten. Sein Ansatz: “Social Media ist ein gesellschaftlicher Wandel durch Dialog und damit kommunikativ eines der wichtigsten Zukunftsprojekte für Organisationen.” Er fand als ausgebildeter PR-Berater über die politische Kommunikation seinen Weg zu den Onlinemedien. Durch seine vorherige Tätigkeit als Consultant bei der Eck Consulting Group und als Referent für Social Media- und Onlinekommunikation in der Energiebranche, kennt Jens Issel die Branche aus Unternehmens- und Beratersicht. Er schreibt im PR-Blogger u. a. über die Rolle der Mitarbeiter in den neuen Medien.

4 Replies to “Selbstkritisch: Der Social Media-Branche fehlt der freie Blick”

  1. Danke für diese erfrischende Analyse! — In der Tat: „Der Kunde“ steuert. Genauer: Unternehmensziele steuern. Am Ende des Tages zählen Verkäufe, nicht „Fans“ oder „Shares“. Unternehmen brauchen daher funktionale Kommunikationsarchitekturen, die sich am konkreten Bedarf orientieren, nicht Flickenteppiche aus Einzeldisziplinen.

  2. Wenn ich die Botschaft richtig verstanden habe, dann soll der SoMe-Manager zum Generalisten der Firmen-Kommunikation werden: Integrieren, Inhalte abstimmen, Schnittstellen und CI im Blick haben usw. Da habe ich meine Zweifel. Denn dafür braucht man auch eine Machtposition, die SocialMedians in dt. Firmenhierarchien (noch) nicht haben. Als Generalist musst du den einzelnen Kommunikatoren der Firma auch mal reingrätschen, Inhalte umschreiben (lassen), neu priorisieren usw. Und dafür braucht es ein Standing, das eher der klassische Presse-oder Marketing-Leiter hat. Da hilft der Nimbus der Innovation und Netzwerkstärke uns SocialMedians nicht weiter. Zumindest noch nicht im Jahr 2014 – in der Zukunft kann sich das ja noch verschieben.

    1. Wie geschrieben: Wir sind nicht wie selbstverständlich der Mittelpunkt. Und ich halte es auch nicht für das Allheilmittel. Im Gegenteil: Social Media ist ein Baustein von vielen.
      Aber wenn wir uns darüber unterhalten, dass Social Media (in seiner ganzen Vielfältigkeit) immer mehr zum Standard der Unternehmenskommunikation gehört, dann hat der Social Media Manager grds. sicherlich gute Voraussetzungen, um eine entscheidende Rolle zu spielen. Hohe Vernetzung, intern wie extern, flexibel, idealerweise crossmedia- & multi channel-erprobt.
      Aber keine Frage, beim Standing sind noch einige Meter zu gehen. Idealerweise mit Avantgardisten.

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