Unternehmen sollten sich im Klaren darüber sein, dass in der Social Media Welt von Blogs, Wikis, Wikileaks, Youtube, Twitter und Social Bookmarking vieles vormals Unsichtbare auf brutale Art und Weise ins Sichtfeld gerückt werden kann. Unsere Geschäftsbeziehungen werden immer transparenter und sind immer mehr auf Vertrauen angewiesen. Heute wissen Wettbewerber und Kunden, wen wir auf Facebook oder Xing als Kontakt hinzugefügt haben und können daraus ihre jeweiligen Schlüsse ziehen. Es ist nicht immer leicht, dabei transparent und glaubwürdig gleichermaßen zu sein.
Sie sollten sich darauf einstellen, dass der klassische Gatekeeper nicht mehr ganz so wichtig für Ihre Kommunikation ist. Journalisten suchen vielleicht noch ein Gespräch und berücksichtigen Ihre Meinung. Diesen Journalisten werden Sie in Zukunft mitunter vermissen lernen, weil die alten Spielregeln in der Kommunikation überschaubarer waren. Stattdessen müssen Sie heute damit rechnen, dass jeder noch so kleine Fehler in den Suchmaschinen gefunden werden kann und dann an Ihrer Online-Reputation kratzt, weil Influencer (Twitterer, Blogger, Networker) sich mit Ihrer Marke auseinandersetzen. Zunächst sind die Suchtreffer vielleicht noch verborgen auf den hinteren Plätzen, doch durch eine kleine fleißige Recherche kommt so manches negative Issue an den Tag und erhält in einem neuen passenden Kontext enorme Aufmerksamkeit.
Diese brutale Transparenz ist in der Welt und wird irgendwann die meisten Entscheider dazu bringen, ihr bisheriges Verhalten zu überdenken und zu ändern. Schließlich können sie es sich um ihrer Karriere willen nicht mehr leisten, die digitalen Umweltbedingungen zu ignorieren. Wer das tut, macht wie beispielsweise Nestle schlechte Erfahrungen mit einem NGO.
Unzufriedene Kunden und Mitarbeiter teilen ihren Unmut via Blog oder Twitter mit und andere können das sofort lesen und verlinken. Letztlich entsteht durch die digitale Mundpropaganda eine neue Art von sozialer Kontrolle, die sehr viel Ähnlickeit mit dörflichen Strukturen hat. Nur wer Corporate Social Responsibitly (CSR) künftig wirklich ernst nimmt, kann genügend Vertrauen gegenüber seinen Kunden aufbauen, um langfristig mit seiner Marke erfolgreich zu sein.
Glaubwürdigkeit gewinnt in der Unternehmenskommunikation immer mehr an Bedeutung. Dabei sollte sich niemand der Illusion hingegeben, dass es leicht ist, eine Online-Reputation schnell aufzubauen. Niemanden gelingt es innerhalb von wenigen Wochen Vertrauen entstehen zu lassen. Dazu bedarf es vieler kleiner und großer Maßnahmen, damit dieses erfolgreich umgesetzt werden kann.
Unternehmen sollten ihre wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aktivitäten online möglichst transparent darstellen, um glaubwürdig zu bleiben. Je zeitnaher dieses geschieht, desto leichter lässt sich für das Unternehmen die Akzeptanz und das Vertrauen in der Öffentlichkeit, bei Geschäftspartnern, Anlegern und Arbeitnehmern schaffen. Nachhaltigkeitsberichte sind hierzu ein wichtiges Instrument, doch erst durch eine aktuelle Aufbereitung der Inhalte können die darin enthaltenen Themen wirklich der Öffentlichkeit nahegebracht werden. Denn nur wenige Menschen machen sich die Mühe, die umfangreichen Berichte durchzulesen. Kleine Informationshäppchen könnten letzlich mehr zum positiven Unternehmensimage beitragen. Zudem erlauben Sie ein direktes Feedback auf die Nachhaltigkeitsaktivitäten in Blogs, auf Facebook oder Twitter und unterstreichen dadurch vielleicht sogar deren Glaubwürdigkeit. Lassen Sie sich auf diese dosierte Transparenz ein, seien Sie transparent und glaubwürdig!
Die Sportartikelanbieter Adidas, Puma und Nike zeigen, wie eine Branche sich auf die Transparenz einstellen kann. Aufgrund des Drucks ihrer Kritiker vor allem aus dem NGO-Bereich haben sie in den vergangenen Jahren ihre Unternehmensstrategien angepasst und die Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferen verbessert und sich von Billiglohnarbeitern und nähenden Kindern getrennt. Stattdessen haben sie sich der amerikanischen Fair Labor Association angeschlossen, die die Einhaltung von Arbeitsbedingungen weltweit kontrolliert. Es gibt bei den Unternehmen Stabsstellen, die sich speziell um die Zulieferer kümmern und deren Namen veröffentlichen. Transparent werden sogar die dortigen Zustände gemacht, sodass auch Fälle von Nichteinhaltung der Umwelt- und Sozialstandards offengelegt werden.
In einem älteren Nachhaltigkeitsbericht heißt es bei Puma:
"PUMAs Ziel ist es, seinen Kunden hochwertige Produkte anzubieten, welche keine den Menschen oder die Umwelt gefährdenden
Schadstoffe beinhalten. Die Produkte werden vor der Produktionsaufnahme durch unabhängige Institute auf ihre Qualität und
ökologische Verträglichkeit getestet. Mit Hilfe unserer produktionsbezogenen Umwelt- und Sozialstandards, sowie der
Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten sorgen wir bei unseren Zulieferern, Produzenten und Kunden für die nötige
Transparenz, die die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bildet."
Der Herzogenauracher Sportartikler Puma hat Mitte April sein Nachhaltigkeitsprogramm bis 2015 vorgestellt. Demnach will Puma in den nächsten fünf Jahren unternehmensweit und bei direkten Zulieferern insgesamt 25% an CO2, Energie, Wasser und Abfall einsparen und die Produktion umweltfreundlicher gestalten. Nachhaltigkeitsexperten sollen die Ergebnisse überprüfen und das Unternehmen hierbei beraten.
Aber auch Adidas verfolgt einen partnerschaftlichen Ansatz mit seinen wichtigsten Zulieferern.
"Diese Herangehensweise fördert (resultiert in) größere Kooperationen, Transparenz und Unterstützung", so heißt es im Nachhaltigkeitsrückblick des Unternehmens für 2009. "Wir bestehen nicht einfach auf höhere Standards, sondern helfen unseren Zulieferern durch Beratung, Trainingsmaterial und technische Unterstützung dabei, leistungsfähiger zu werden. Ein weiterer wichtiger Faktor ist sicherzustellen, dass Best-Practice-Beispiele unter den verschiedenen Zulieferern ausgetauscht werden. Zu weiteren Themen, die immer wieder diskutiert werden, gehören Energie- und Ressourcenmanagent, umweltfreundliche Strategien sowie soziales Engagement."
All das soll ins Reputationskapital einzahlen und tut es auch. Unternehmen können nur langfristig Kommunikation aufhäufen, doch bereits mit wenigen Fehlern und auch nur wenigen 140-Zeichen-Sätzen wieder in Frage stellen. Ein Twitter-Beitrag ist zuwenig für den Vertrauensgewinn, kann die Glaubwürdigkeit und alle CSR-Aktivitäten aber sehr schnell untergraben. Das ist inzwischen vielen Unternehmen durchaus bewusst. Deshalb reagieren Corporate Twitter mitunter sehr schnell auf die Kritik an ihrer Marke oder auf eigenes Fehlverhalten. Deshalb musste Vodafone UK Anfang Februar 2010 sofort auf den versehentlich über den eigenen Twitteraccount geschickten homophoben Kommentar reagieren, der auf Deutsch bedeutet: "VodafoneUK hat genug von dreckigen Homos und hat es auf Biber (ugs. für Vagina) abgesehen". Damit die mehr als 9.000 Leser des Twitteraccounts von Vodafone UK daraufhin nicht der Unternehmensmarke entsetzt das Vertrauen entziehen, musste das Telekommunikationsunternehmen schnell reagieren und tat dieses auch, indem nicht nur der eine Tweet gelöscht wurde, sondern sich das Vodafone UK bei allen Lesern offensiv entschuldigte. Dieses Verhalten ist in der Öffentlichkeit gewürdigt worden und führte dazu, dass noch mehr Twitterer neugierig Follower von VodofoneUK wurden. Letztlich hat der negative Vorfall sogar die Reputation des Unternehmens gestärkt, weil dieses transparent und glaubwürdig darauf reagiert hat. Durch das geschickte Krisenmanagement profitierte die Marke sogar vom Fehlverhalten eines Mitarbeiters.
Letztlich zählt alles, was Sie tun, auf Ihre Online-Reputation ein. Ignorieren können Sie vielleicht einzelne Issues, solange diese der Öffentlichkeit verborgen sind, aber sobald einzelne Influencer das kritische Thema aufgreifen, müssen Sie selbst ebenfalls darauf reagieren. Ansonsten überlassen Sie das Bild Ihrer Marke der digitalen Öffentlichkeit und werden zum Spielball anderer. Denken Sie daran, Sie sitzen im Glashaus und müssen mit den Reaktionen Ihrer Kunden rechnen. Aus diesem Grunde sollten Sie ein aktives Online Reputation Management betreiben und genau überlegen, wie sie mittel- bis langfristig mit Ihrer Marke wahrgenommen werden wollen.
Jeff Jarvis spricht in seinem Buch "Was würde Google tun" von einer totalen Transparenz, der sich Unternehmen aussetzen sollten. Darin überschätzt der Journalist und Buchautor aber die Bereitschaft der Unternehmen, sich einer radikalen Transparenz auszusetzen. Nur wenige möchten sich selbst ins Glashaus setzen und ständig unter Beobachtung sein. Viel lieber bleiben viele Manager unsichtbar und bei ihren alten Gewohnheiten. Das ist geht jedoch im Zeitalter der Transparenz dank Google nicht mehr. Wir können uns als Kommunikatoren, Journalisten und Marketiers nicht mehr wegducken. Wir müssen die neue digitale Öffentlichkeit letztlich aushalten lernen.
Mir gefallen die Corporate Blogs von Cirquent, Sevenload und Daimler, weil die Unternehmen sich dadurch ein wenig geöffnet haben. Sehr gut und schnell hat Daimler in seinem Blog auf die öffentliche Aufregung um Bluttest bei Einstellungsgesprächen reagiert. Selbst viele kritische Stimmen wurden zugelassen. Aber auch Westaflex, 1 & 1, Bayer und Otto experimentieren viel auf Facebook, Twitter und in Blogs. Es sind oftmals erste Gehversuche, die deutlich machen, wie die Unternehmen von mehr Transparenz profitieren können. Auf die Online-Reputation zahlen all diese kleinen Experimente bereits heute ein.
>> Erfolgreiche Informationsvermittlung: Glaubwürdigkeit in der Internet-PR
>> Transparenz.net
Klaus Eck
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