Allein die Berührung eines Objekts erhöht die Bereitschaft, es auch zu kaufen. Und je mehr die Fingerspitzen zu tasten haben, desto wertvoller wirkt das Produkt. Die Haptik zu optimieren und dem Tastsinn etwas zu tun zu geben, kann also sehr umsatzförderlich sein.
Ein Hauptgrund für den immensen Erfolg des iPhones? Es war das erste Telefon, das wir streicheln konnten. Es macht unsere Fingerspitzen zu kleinen Schöpfern. Die intuitive Bedienung verschafft uns schnelle Erfolgserlebnisse und schenkt uns den Zustand des Flow, was unser Hirn in einen Glücksrausch versetzt. Und jede Art von Rausch macht uns süchtig.
Die streichelnden Bewegungen erzeugen Intimität und Verbundenheit. So sind alle Voraussetzungen dafür geschaffen, sich in das Gerät „verlieben“ zu können. Die Apple-Stores sind zudem konsequent darauf ausgelegt, dass Besucher die Geräte in die Hand nehmen, herumspielen, ausgiebig erforschen und ausprobieren, um sich so mit ihnen vertraut machen zu können. Und Vertrautheit erzeugt Vertrauen.
Was Studien herausgefunden haben
Der Neurowissenschaftler Jürgen Gallinat aus Berlin hat mithilfe von Tomographen (MRT) bewiesen: Apple-Geräte aktivieren Bereiche im Hirn, die für „Menschen mögen“ zuständig sind. Zu ihnen lässt sich also eine Beziehung aufbauen. Andere Handys hingegen wurden nur in der zerebralen Region für Objekterkennung verortet.
So ist es kein Wunder, dass die Managemententscheidung, bei Tasten zu bleiben, dem eckigen, kantigen Blackberry beinahe den Todesstoß gab. Für unser Hirn macht es eben einen Riesenunterschied, ob wir wo in die Tasten hauen oder etwas zum Streicheln bekommen. Selbst knallharte Businessleute spielen ganz gerne rum.
Darüber hinaus hat eine Untersuchung ergeben, „dass es einen Unterschied macht, ob ich per Touchscreen oder per Mausklick einkaufe“ sagt Haptik-Experte Olaf Hartmann vom Multisense Institut. „Die Wertschätzung gegenüber einem Produkt steigt über 40 Prozent mit dem Touchscreen. Dieser ist stärker interaktiv, der Kunde kann das Produkt mit Gesten bewegen, vergrößern oder verkleinern.
Durch die Berührung des Produkts auf dem Bildschirm entsteht eine psychologische Inbesitznahme, die normalerweise so stark nur beim realen Berühren zu beobachten ist.“ Die Konsequenz für Anbieter und Betreiber im Markt? Möglichst viele Aktivitäten auf das Smartphone zu verlagern. „Mobile first“ erhält damit eine zusätzliche Dimension.
Haptik hat viele Dimensionen
Die haptische Wahrnehmung umfasst folgende Elemente:
- die Textur eines Materials (rau, glatt, metallisch usw.)
- die Form eines Objekts (rund, eckig, spitz usw.)
- den Aggregatszustand (fest, flüssig, dampfig usw.)
- das Temperaturempfinden (kalt, lauwarm, heiß usw.)
- das Gewichtsempfinden (leicht, schwer usw.)
Zum Beispiel vermittelt Schweres den Eindruck von Güte. So werden die Fernbedienungen von Bang & Olufsen mit zusätzlichen Gewichten bestückt, um die Qualitätsanmutung zu erhöhen. Beim haptischen Design geht es darum, den Dingen eine einzigartige und unverwechselbare Form zu geben, die man auch in meterlangen Supermarktregalen sofort wiedererkennt.
Zudem können vorhandene Strukturen, wie etwa die Textur von Holz oder Leder, in einem Prospekt originalgetreu wiedergegeben werden. Schließlich geht es darum, Strukturen zu erschaffen, die den Tastsinn erfreuen. So hat ein Bäcker seine Theke mit einem beheizbaren Stein bestückt. Darauf wird die Übergabe der gekauften Ware zelebriert.
Beispiele gibt es genug
Der Kreuzfahrtenanbieter Aida hat mal ein Mailing an seine Stammkunden in zwei Varianten geschickt, um den Mehrwert der Haptik zu testen. Eine Variante enthielt nur schriftliche Unterlagen mit der Botschaft: „Kommen Sie bald wieder an Bord.“
Die andere Variante enthielt zusätzlich ein flauschiges, weiß-gelb gestreiftes Aida-Minihandtuch, so wie es die Schiffsgäste vom Sonnendeck kennen. Es duftete zudem nach Sonnenmilch. „Im Vergleich zum Standard-Mailing erzeugte das multisensorische Mailing 41 Prozent mehr Response in Form von Reisebuchungen“, erläutert Olaf Hartmann.
Die Kinderhilfe Organtransplantation (KiO), eine gemeinnützige Organisation, die organtransplantierte Kinder und deren Familien unterstützt, appellierte mit einer besonderen Aktion an die Großherzigkeit ausgewählter Empfänger. Diese erhielten ein aufmerksamkeitsstarkes Adventsmailing, dessen wärmeresistente Verpackung an die Transportbox eines Transplantats erinnerte.
Diese enthielt etwas ganz Außergewöhnliches, nämlich das „einzige Organ, das niemand braucht“: Ein Herz aus echtem Eis, das sofort zu schmelzen begann, wenn der Empfänger es in seine Hände nahm. Ein Spendenzuwachs von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr war das Ergebnis.
Die Haptik und das Digitale
Sobald die kraftstrotzenden Industrieroboter eine Art Haut bekommen, mit der sie zu fühlen in der Lage sind, können wir sie aus ihren Käfigen entlassen und mobilisieren. Denn ein Roboter darf keinen Menschen verletzen. Das ist ein eisernes Gesetz.
Google arbeitet zusammen mit Levi’s an einer intelligenten Jeans, die in der Lage ist, Handys und Tabletcomputer zu steuern. Anrufe können beispielsweise per Wischgeste, etwa durch Streichen über die Hosentasche, entgegengenommen werden, ohne das Smartphone aus der Tasche holen zu müssen. „Das erreichen wir, indem wir leitfähige Fäden in den Stoff einarbeiten“, erklärt Projektleiter Emre Karagozler.
Die kleinen Fäden sind dabei mit Chips verbunden, welche wiederum die Größe eines Knopfes haben. Die smarten Hosen und das mit der neuen Technologie bestückte Material kann wie normale Stoffe behandelt, gewaschen und gedehnt werden. Man kann sich gut vorstellen, dass eine solche Technologe für die verschiedensten Zwecke einsetzbar ist. Weitere Beispiele zum Thema in Touch.Point.Sieg.
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