Doris Schuppe Doris Schuppe aka DoSchu macht als freie Kommunikationsberaterin Unternehmen und Mitarbeiter fit in Social Media und Mobile Internet. Auf Mallorca gründete sie den ersten Coworking Space im Feriengebiet Santanyí für Coworkation, Networking und Training.

Lisa Dust: Warum wir nicht mehr mit Kunden sprechen

3 Minuten Lesedauer

Analytics, Tracking, Social Media Monitoring, Prediction – Datenanalysen stehen im Marketing hoch im Kurs. Marktforscherin Lisa Dust empfiehlt, über die Daten hinaus die Menschen im Blick zu behalten, mit denen wir als Unternehmen in den Dialog treten wollen. Klar untermauern wir am liebsten unsere Marketing-Entscheidungen mit Daten. Aber diese sind nur auf den ersten Blick objektiv. Wie Lisa Dust das meint, erklärt sie uns im Interview.

Als selbstständige Research- und Analyseexpertin spürt Lisa Dust relevante und spannende Inhalte für Marketing und Kommunikation auf. Sie versteht sich als Übersetzerin zwischen der Datenquelle und einer Story, die sie visuell und textlich aufbereitet. Bis Ende letztes Jahr arbeitete die Volkswirtin und PR-Referentin als Market Intelligence Specialist bei Samsung Electronics, davor war sie als freie Mitarbeiterin des NDR und Analystin bei Faktenkontor tätig.
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Schön, dass Sie Zeit für ein kurzes Interview haben, Frau Dust. Was genau verfälscht unsere objektiven Datenerhebungen im Internet?

Verfälschen will ich es gar nicht unbedingt nennen. Zuallererst sind Tracking oder Monitoring ja wertvolle Ergänzungen zu konventioneller Marktforschung. Bedenklich finde ich es allerdings, wenn sich eine „measure only“-Mentalität in den Marketing-Abteilungen der Unternehmen ausbreitet. Bei meinen Gesprächen auf der letzten dmexco hatte ich den Eindruck, dass in vielen – gerade jüngeren – Unternehmen ein fast blinder Glaube daran besteht, dass man seine Kunden und das, was sie bewegt, durch Messungen komplett verstehen kann.

Und natürlich tragen Ad-Blocker dazu bei, dass Messungen erschwert werden. Laut einer Studie von GreenAdz haben 41% der Online-Nutzer bereits Ad-Blocker installiert. Cookie-Verweigerer und die Nutzung ein und desselben PCs durch verschiedene Personen, zum Beispiel in einer Familie, tragen zusätzlich zu Verzerrungen von Messergebnissen bei. Das sollte man natürlich beachten.

Das Hauptproblem für ein mangelndes Verständnis des Kunden sehe ich allerdings eher darin, dass vergessen wird, dass da tatsächlich ein Mensch am Rechner sitzt.

Gewinnen wir mit Social Media Monitoring nicht jede Menge verwertbare Insights über unsere bestehenden und avisierten Kunden oder Interessenten?

Auf jeden Fall! Aber es ist eben nicht alles messbar. Welche Einstellung jemand zu einer Marke oder einem Produkt hat, kann man nicht an Klicks ablesen. Dazu muss man ihn schon fragen.

Fragen klingt gut, jedoch: Da alles online erhebbar sei, gibt es nur noch wenige Marketeers, die dafür Budgets zur Verfügung haben. Was können wir tun?

Es klingt banal, aber man muss den User also den Konsumenten wieder mehr ins Zentrum rücken. Es hilft ungemein, einfach einmal ein paar Personen zuzuhören, die über das Produkt oder eine Kampagnenidee sprechen, beispielsweise in Form einer moderierten Gruppendiskussion.

Auch eine kurze Online-Umfrage können wir heute sehr kostengünstig umsetzen. Etwas abstrakter ist die Erarbeitung ganz konkreter Kundentypen, so genannte Personas. Dann sehen wir bei der Produkt- oder Kampagnen-Entwicklung wieder einen Mensch mit Wünschen, Ideen und Bedürfnissen, und nicht nur jemanden, der klicken soll.

Man braucht jedoch erfahrene Marktforscher, die sich mit diesen Methoden gut auskennen und Marketeers entsprechend unterstützen. Selbst bei einem Online-Fragebogen lauern einige Fallstricke, die die Ergebnisse dann schnell unbrauchbar machen. Deshalb empfehle ich immer, solche Marktforschungen von Profis begleiten zu lassen.

Haben Sie einen Tipp für Gründer und Startups, die ihre Ideen auf Marktfähigkeit überprüfen wollen?

Eine einfache Grundregel: Immer mit den möglichen Kunden oder Nutzern sprechen, sie befragen und das Produkt oder Konzept testen lassen. Das muss man nicht gleich mit einem großen Marktforschungsinstitut lösen, wenn das Budget schmal ist.

Auch eine Gruppendiskussion muss nicht zwingend in einem Studio mit tollem Catering stattfinden: Man lädt ein paar Bekannte ein – möglichst aus der anvisierten Zielgruppe, stellt eine Kanne Kaffee und ein paar Kekse hin und hört zu. Auf eine professionelle Moderation und Auswertung durch Marktforscher würde ich dabei allerdings nicht verzichten.

Man kann sich auch einfach mal in die Innenstadt stellen und ein paar Leute ansprechen. Vielen ist das allerdings schon unangenehm oder sie sind nicht in der Lage, die Idee kurz und prägnant vorzustellen. Da frage ich mich dann schon: Wie überzeugt ist man eigentlich von seiner Idee, wenn man das nicht hinbekommt?

Guter Punkt! In der Vorgründungsphase habe ich meine Ideen jeweils auf Treffen des Social Media Club München in Gesprächen getestet. Das war sehr hilfreich.

Ansonsten kann man sich zum Beispiel als App-Entwickler auch einfach mal eine halbe Stunde in einen Elektronik-Markt stellen und lauschen, was die Kunden dort so beim Ausprobieren der neuesten Handys sagen. Da bekommt man seine Usability-Forschung quasi umsonst.

Was ich auch toll fand: Neulich lief hier ein Mädel durch das Bürogebäude und bat mich, auf ihrem Tablet eine kurze Umfrage zum Thema Steuer-Software für Selbstständige zu beantworten. Es ging um das Start-Up eines Bekannten. Das war in drei Minuten durch und zur Belohnung gab es einen Schokoriegel. So einfach kann das sein.

Oh, und wenn das Unternehmen gewachsen ist?

Da gilt das Credo „Mit den Kunden sprechen“ weiterhin, über die Geschäftsidee und den Start des Unternehmens hinaus. Man sollte Idee und Kommunikation regelmäßig mit Hilfe der Marktforschung überprüfen und optimieren.

Das Ganze hat auch einen prima Nebeneffekt: Die erhobenen Daten und Insights aus der Marktforschung lassen sich – sofern sie keine Geschäftsgeheimnisse preisgeben – sehr gut für Content nutzen.

Diese Zweitverwertung der Erkenntnisse sollten wir immer mit beachten, wenn wir über Budgets sprechen. Daraus können wir Inhalte für die Kommunikation auf Facebook gewinnen. Oder wir erkennen Themen für die Blogbeiträge, Magazine, Webinare und Newsletter des Unternehmens.

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Mir fiel die Tage ein prima Beispiel auf, wie aus Marktforschungs-Daten brillanter Content wird. Es passt nicht hundertprozentig zu den skizzierten Befragungen, aber es ist so cool umgesetzt: Aus den Mietkosten-Daten der Nutzer auf der immobilienscout24-Plattform entstand ein sehr anschauliches Beispiel, wie aus Marktdaten brillanter Content wird: Die Miet-Map München zeigt auf dem U- und S-Bahnplan Münchens zu jeder Haltestelle, was es im Durchschnitt kostet, eine 70qm Wohnung zu mieten.

In Daten stecken so viele Geschichten!

Herzlichen Dank für das Gespräch und die vielen Anregungen, Frau Dust.

 

Bildquellen: Lisa Dust,  ImmobilienScout24

Doris Schuppe Doris Schuppe aka DoSchu macht als freie Kommunikationsberaterin Unternehmen und Mitarbeiter fit in Social Media und Mobile Internet. Auf Mallorca gründete sie den ersten Coworking Space im Feriengebiet Santanyí für Coworkation, Networking und Training.

2 Replies to “Lisa Dust: Warum wir nicht mehr mit Kunden sprechen”

  1. Social Media machen es heute sehr einfach, den persönlichen Kontakt durch ein paar Zeilen zu ersetzen. Ich teile die Meinung von Lisa Dust, dass der persönliche Kontakt durch nichts zu ersetzen ist. Schreiben kann man viel, jedoch sieht man keine Mimik, hat keine Klangfarbe der Stimme, etc. Die Tipps, wie man sich persönliches Feedback einholen kann, finde ichsuper. Danke für dieses Interview!

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