Katharina Kulawinski Als Gastautorin im PR-Blogger tätig.

Deutsche Werber verschlafen Newsjacking-Chancen wie #thedress

4 Minuten Lesedauer

Kreative Reaktionen auf aktuelle Internet-Phänomene sind eine gute Gelegenheit für Kreative sich bei der Zielgruppe ins Gespräch zu bringen. Zuletzt spaltet das Phänomen #thedress die Internet-Gemeinde, worauf Werbetreibende in den USA schnell reagieren. In Deutschland steckt das Real-time Marketing (auch Newsjacking genannt) noch in den Kinderschuhen. Warum hierzulande Unternehmen Internet Memes oft verschlafen und welche Gründe für eine Reaktion in Echtzeit sprechen, beschreibt der folgende Artikel.

Seit dieses Bild am 26. Februar auf dem Tumblr-Blog Swiked aufgetaucht ist, ist #thedress (auch #dressgate genannt) DER neue Internet-Hype. Das Bild bewegt die Gemüter, denn die einen sehen auf dem Bild ein schwarz-blaues Kleid und andere wiederum ein weiß-goldenes.

#thedress

Die Diskussion um das Kleid verbreitet sich wie ein Lauffeuer im Netz. Ich selbst halte das Thema anfänglich für einen Scherzbeitrag, da für mich das Kleid auf dem Bild eindeutig schwarz-blau ist.

Bekannte Persönlichkeiten wie Taylor Swift, Ellen DeGeneres oder Kim Kardashion tragen zur Verbreitung des Themas bei. Auch deutsche Medien wie die Süddeutsche Zeitung oder die Bild berichten über das Phänomen. Spiegel Online klärt schließlich auf, warum die Farben so unterschiedlich wahrgenommen werden.

Schnell nutzen insbesondere U.S. amerikanische Marken die Viralität, um Aufmerksamkeit für ihre Produkte zu schaffen. Vom Textilhandel über Konsumgüter hin zu Airlines finden viele Unternehmen einen Anknüpfungspunkt. Adweek hat hierzu eine Sammlung aufgestellt.

Ganz anders bei deutschen Unternehmen bzw. hierzulande. Einzig der deutsche Automobilhersteller Audi postet zeitnah etwas zu dieser Thematik sowie Ferrerro Rocher sogar deutschsprachig. Ansonsten tut sich bei uns nicht viel (Stand Freitag 27.02.).

Warum sind wir in Deutschland beim Real-time Marketing so langsam?

Wie kommt es, dass die deutsche Werbebranche im Vergleich zu anderen Ländern kaum auf Internet-Hypes reagiert? Können wir nicht oder wollen wir nicht teilnehmen? Sind wir vielleicht nicht kreativ genug? Aus meiner Sicht ist es weder die bewusste Entscheidung gegen die Teilnahme, noch das fehlende kreative Potential, das uns hindert. Es ist vielmehr die Geschwindigkeit: Beim Real-time Marketing oder Newsjacking sind wir in Deutschland zu langsam. Meiner Meinung nach hat das folgende Gründe.

1. Risikoaverse Mentalität der Deutschen

Viele deutsche Unternehmen scheuen immer noch den Umgang mit sozialen Netzwerken. Dies ist sicherlich u.a. in der risikoaversen Mentalität der Deutschen begründet. Die Angst vor negativen Kommentaren oder gar Shitstorms ist manchmal so groß, dass die Kommentarfunktion auf den eigenen Kanälen wie Blogs oder Webseiten komplett ausgeschaltet wird. Aus der Beratungspraxis kann ich bestätigen, dass der Bedarf an Content Guidelines, die den idealen Umgang mit Kritik erläutern, hoch ist. Erst wenn es einen mit Zahlen belegten Beispiel-Case gibt, sind Unternehmen bereit, einem Trend zu folgen. Bis diese Zahlen vorliegen und sich ein Phänomen ausreichend bestätigt, vergeht Zeit und der Zug für positives Word-of-Mouth ist meist schon abgefahren.

2. Organisatorische Strukturen und Ressourcen fehlen

Viel zu oft fehlt es den Unternehmen an geeigneten organisatorischen Strukturen, um eine schnelle und effiziente Umsetzung von Social Media Engagement zu ermöglichen. Teilweise müssen Posts bis zur Geschäftsführung weitergegeben und von dieser abgesegnet werden. Solche Prozesse verschlingen Zeit und verhindern eine zeitgemäße Zielgruppen-Kommunikation. Auch an Ressourcen mangelt es, sodass für Social Media häufig keine neuen Mitarbeiter eingestellt werden. Vielmehr wird der zusätzliche Aufwand auf bereits ausgelastete Angestellte verteilt oder gar gleich dem Praktikanten in die Hände gegeben. Dass sich der wirtschaftliche Nutzen solcher Aktivitäten dann nicht offenbart, ist nicht verwunderlich. Genau für solche Fragestellungen werden unsere Beratungstätigkeiten bei der Eck Consulting Group in Anspruch genommen.

3. Twitter wird als Kommunikationsmedium unterschätzt

Obwohl die Twitter-Nutzung in Deutschland weiterhin ansteigt, sind viele Unternehmen noch nicht auf diesem Kanal aktiv. Dies hat einerseits zur Folge, dass sie aktuelle Themen erst spät oder gar nicht bemerken. Denn Internet-Hypes verbreiten sich schnell auf diesem Medium. Insbesondere durch die Hashtags bekommt jedes Internet-Phänomen auf Twitter gleich einen Namen und macht die hierzu geteilten Inhalte sowie das Verbreitungsausmaß schnell auffindbar. Andererseits sind gerade auf Twitter die sogenannten Influencer aktiv. Diese Meinungsführer mit hohen Follower-Zahlen haben durchaus die Macht mittels eines positiven Tweets das öffentliche Bild einer Marke zu verändern. Da dies vielen Unternehmen hierzulande noch nicht bewusst ist, fehlt die Motivation auf Internet-Hypes einzugehen und direkt Newsjacking zu betreiben.

Warum sollte eine Marke einem Internet-Hype folgen?

Neben der Chance, Influencer auf Twitter für sich zu gewinnen, gibt es meiner Meinung nach drei wesentliche Gründe, warum es für ein Unternehmen sinnvoll sein kann, einem Internet-Hype zu folgen.

1. Markenawareness schaffen

Humoristische Anspielungen auf ein aktuelles Geschehen bzw. einen Hype sind gute Aufhänger für die Marketingkommunikation. Die bereits bestehende und vor allem potenzielle Zielgruppe wird auf das Produkt bzw. die Dienstleistung aufmerksam und verbreitet im Optimalfall die kreative Reaktion der Marke im sozialen Netzwerk. Idealerweise beginnt hier die Customer Journey, die schließlich zum Produktkauf führt. Die Verkaufszahlen des Kleides selbst, das beim Hype #thedress virale Verbreitung erfuhr, haben sich allein am Freitag um 347% erhöht, berichtet Fortune.

2. Verstaubtes Image modernisieren

Über Internet-Trends Anknüpfungspunkte mit der Marke zu schaffen, kann sich außerdem sehr positiv auf das Image auswirken. Insbesondere für Unternehmen, die als nicht sehr modern wahrgenommen werden, bietet sich hier die Möglichkeit der frischen, innovativen und zeitgemäßen Darstellung.

3. Datengenerierung über die Zielgruppe

Oft haben Unternehmen nur ein eingeschränktes Wissen darüber, welche Themen bei Ihrer Zielgruppe gut ankommen. Customer Journey Mapping, Zielgruppenanalysen oder die Definition von Kanalarchitekturen geben Aufschluss über solche Fragestellungen. Allerdings sind eigene Erfahrungswerte besonders aussagekräftig. Damit sich in der Praxis beweisen kann, was gut ankommt und was nicht, muss tatsächlich gehandelt werden. Unternehmensreaktionen auf Internet-Hypes generieren Daten über die Präferenzen der Zielgruppe. Das gesammelte Feedback bildet dann die Grundlage dafür, ob solche Hypes zukünftig in der Online-Kommunikation eine Rolle spielen.

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Fazit: Mehr Mut zum Experimentieren!

Ich persönlich bin der Ansicht, dass sich die deutsche Werbebranche mehr trauen sollte und appelliere an mehr Experimentierfreude. Die Sorgen vor einem Imageschaden sind meist viel zu hoch. Natürlich muss man auch nicht jeden Hype mitmachen, sondern eine passende Auswahl zur strategischen Ausrichtung der Online-Kommunikation treffen. Wenn man sich aber doch dazu entscheidet, sollte man schnell sein und das Social Media Monitoring im Anschluss nicht vergessen, damit man fundierte Rückschlüsse daraus ziehen kann.

Wie stehen sie zum Thema Real-time Marketing und Newsjacking in Deutschland? Ist da Ihrer Ansicht nach Optimierungspotential? Sollten wir oder sollten wir eben nicht an Internet-Hypes teilnehmen? Ich freue mich Ihre Meinung zu diesem Thema zu hören.

Bildquellen: Shutterstock; Tumblr Swiked

>> Mehr zum Thema Newsjacking auf Medium: Klaus Eck: Newsjacking im Content-Marketing

Katharina Kulawinski Als Gastautorin im PR-Blogger tätig.

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Klaus Eck
3 Minuten Lesedauer

5 Replies to “Deutsche Werber verschlafen Newsjacking-Chancen wie #thedress”

  1. „Risikoaverse Mentalität“ bringt es auf den Punkt – Den eigenen Content in fremde Nachrichtenströme zu „injizieren“ widerspricht aber auch dem „Ehren-Kodex“ vieler Marketers, die lieber Geld für Werbung ausgeben als sich vermeintlich unfairer Praktiken zu bedienen. Diese Vorbehalte erweisen sich jedoch schnell als unbegründet, wenn man sich vor Augen hält, dass Newsjacking lediglich vorhandene Möglichkeiten der Informationsmärkte nutzt und zudem ein Grundprinzip moderner PR darstellt. – Damit befassen wir uns näher in unserem Artikel: http://www.mynewsdesk.com/de/mynewsdesk/blog_posts/gastbeitrag-lean-content-marketing-31989

  2. Also, als Osthaus Museum Hagen hatten wir jedenfalls Spaß auf Facebook mit folgendem Posting:

    „Blau oder Gold, das ist die Frage … Das halbe Internet rätselt über ‪#‎dressgate‬ und ‪#‎thedress‬ , aber wir wissen: ist beides schön, zumindest bei Christian Rohlfs …“

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