Jens Issel Jens Issel ist Digital Strategist für den EMEA-Raum bei der Text100 GmbH. In dieser Position entwickelt er gemeinsam mit Unternehmen Kommunikationsstrategien für das Social Web und hilft ihnen bei der Konzeption und Realisierung von Social Media-Projekten. Sein Ansatz: “Social Media ist ein gesellschaftlicher Wandel durch Dialog und damit kommunikativ eines der wichtigsten Zukunftsprojekte für Organisationen.” Er fand als ausgebildeter PR-Berater über die politische Kommunikation seinen Weg zu den Onlinemedien. Durch seine vorherige Tätigkeit als Consultant bei der Eck Consulting Group und als Referent für Social Media- und Onlinekommunikation in der Energiebranche, kennt Jens Issel die Branche aus Unternehmens- und Beratersicht. Er schreibt im PR-Blogger u. a. über die Rolle der Mitarbeiter in den neuen Medien.

Selektive Wahrnehmung in der Kundenansprache einplanen

3 Minuten Lesedauer

Wie viele Informations- und Kommunikationskanäle nutzen Sie? Sie lesen den PR-Blogger. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie auf Facebook, Twitter, Xing, YouTube & Co. aktiv sind, ist groß. Die Informationsmenge damit noch viel größer. Wie schaffen wir das eigentlich alles? Und was bedeutet das für Unternehmen?

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Fakt ist: Auch Facebook hat erkannt, dass wir die Informationsflut nicht mehr bewältigen können. Das ist eine Begründung für den Edge Rank. Facebook selektiert relevante Inhalte für uns vor. Ob wir wollen oder nicht (natürlich auch aus finanziellen Gründen).

Damit sind wir weit entfernt von unserer Elterngeneration, die lediglich mit einer Tageszeitung, zwei Radiosendern und drei TV-Programmen umgehen musste. Bereits hier wird der Graben zwischen Digital Native und traditionellen Mediennutzern deutlich. Aber so tief der Graben auch zu sein scheint, so ist die Ausgangssituation dieselbe.

Kognitive Überforderung

Die Gefahr der heutigen Zeit ist, dass sich der Mensch mit nutzlosen Daten überfrachtet, was dazu führt, dass diese sich nicht mehr nachhaltig verankern. Grund: eine beschränkte Aufnahmefähigkeit unseres Gehirns. Wir benötigen daher zur Bewältigung der Informationen eine kognitive Entlastung.

Die Lösung: Selektive Wahrnehmung

Mithilfe selektiver Wahrnehmung bestimmen wir, womit sich unser Gehirn tatsächlich beschäftigen soll. Klingt nach einem bewussten Vorgang. Ist es aber nicht.

Selten steuern wir bewusst, was relevant oder irrelevant ist. Die Folge kennt jeder: Abends sitzen wir zu Hause, sind nahezu „Braindead“. Wir haben uns am Tag mit Informationen und Kommunikation überfordert, was die Techniker Krankenkasse bereits dazu veranlasste, von einem Social Media Burnout zu sprechen.

 

Damit das nicht zur Regel wird, selektieren wir unterbewusst. Unser Gehirn versucht, nur bestimmte Informationen unseres Lebensumfelds wahrzunehmen.

Der Hintergrund selektiver Wahrnehmung

Auch wenn Facebook uns die Selektion abnehmen will, wendet unser Gehirn diesen erlernten Mechanismus an.

Wir nehmen vorrangig unsere Hobbies, unsere Interessen sowie die unseres sozialen Umfelds wahr. Wir sind offener für Informationen, die unser Denken und unsere Argumentationen stützen, statt sie in Frage zu stellen.

Damit wir nicht verzweifeln

Wir blenden Alternativen und potenzielle Überraschungen aus, um unser Leben nicht unnötig zu verkomplizieren.

Und alles, damit sich unser Weltbild bestätigt und wir nicht an der Vielfalt an Informationen verzweifeln, sondern uns ein subjektiv-konsistentes Weltbild aufbauen.

Wir nehmen dadurch Reizthemen, persönliche Themen, bekannte Themenfelder bewusster wahr.

Die Gefahr: „Schwimmen im eigenen Saft“ und subjektive Realitäten verbergen die tatsächliche Wirklichkeit. Der Blick über den Tellerrand erfordert einen täglichen Kampf, um aus bestehenden Strukturen auszubrechen und sich weiterentwickeln zu können.

Aber auch Kommunikation und Marketing müssen versuchen auf die richtige Seite der Selektion zu gelangen.

Was Unternehmen beachten müssen

Wir streben nach sozialen Kontakten und sozialer Orientierung. Menschen stehen im Vordergrund, Produkte und Marken spielen eine nachrangige Rolle – Unternehmen müssen sich meist ganz hinten anstellen.

Grundlegende Gedanken über die Kundenansprache sind deshalb umso notwendiger.

Tipps, wie Sie die selektive Wahrnehmung in der Kundenansprache einkalkulieren

1. Zielgruppen und Zielgruppenstrategie definieren

Wen wollen Sie erreichen? Je besser Sie Ihre Zielgruppe kennen, umso näher können Sie Kanal und Content an Ihren Kunden ausrichten und Aufmerksamkeit für Ihr Thema erlangen.

Sie erreichen leichter Kunden, die bereits affin für Ihr Produkt sind. Ihre Themen werden nicht so schnell ausselektiert.  Der Kosten-Nutzen-Faktor ist in der Regel höher.

Anschließend gilt es, die Zielgruppe auszuweiten. Beschäftigen Sie sich intensiv mit Nutzerverhalten, Leben und emotionalen Vorlieben Ihrer Nutzer. Nur so können Sie Inhalte produzieren, die trotz Selektion Aufmerksamkeit erregen.

2. Der Kanal         

Wählen sie Kommunikationskanäle, die Ihre Zielgruppen intensiv nutzen. Damit steigen Ihre Chancen, dass Ihre Kunden Sie in der selektiven Wahrnehmung registrieren.

3. Content und Contentstrategie

Nutzen Sie Content mit engem Bezug zur Zielgruppe. Durchbrechen Sie die Selektion mit verschiedenen Herangehensweisen:

  • Reizthemen: Was widerspricht der Komfortzone der User? Wichtig: Wie kommen sie zum Kommunikationsziel?
  • persönliche Themen: Was ist in der Zielgruppe bereits Thema? Wie können Sie es emotionalisieren und für sich nutzen?

Häufig wird Content nicht strategisch gespielt. Ein Thema wird platziert, aber beim Kunden nicht aufgebaut und weiter verankert. Die Empfehlung: Nutzen Sie Priming.

4. Priming

Priming ist das Setzen eines ersten Reizes, zur Beeinflussung des nachfolgenden Reizes. Ziel ist es, bereits gesetzte Gedächtnisinhalte zu reaktivieren (Hinweisreiz, Zielreiz).

Durch Priming können Kommunikation und Marketing Einfluss auf den Gedankengang und den Bewertungsverlauf eines Themas nehmen. Dabei können Bilder, Videos oder auch Texte kombiniert und strategisch eingesetzt werden, um bei den Kunden eine positive Bewertung des Themas zu erreichen.

Mit persönlichen Mehrfachkontakten dem Selektieren entgegentreten

Psychologen wenden dabei das Knotenmodell an. Dabei wird an bereits gesetzte und priorisierte Knoten im Gehirn der Kunden angeknüpft. Neue Knoten werden durch das Priming ergänzt, aufgebaut und erneut vernetzt. Nur Mehrfachkontakte bewirken die nachhaltige Bindung zwischen Unternehmen und Kunden.

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Zu häufig werden Kampagnen und Produktplatzierungen alleinstehend betrachtet. Aufgrund von selektiver Wahrnehmung kein vielversprechendes Modell. Intensive Beschäftigung mit der Zielgruppe und Mehrfachkontakte über Einzelkampagnen und Produktverkauf hinaus sind hingegen effektiv und langfristig. Sie führen dazu, dass Unternehmen mit ihren Themen auf der richtigen Seite der selektiven Wahrnehmung landen.

Bildquellen: Human dementia problems as memory loss due to age and, Shutterstock; Business excellence, corporate performance management, and, Shutterstock; Glass structure in a neuron like configuration, as a stylized, Shutterstock

Jens Issel Jens Issel ist Digital Strategist für den EMEA-Raum bei der Text100 GmbH. In dieser Position entwickelt er gemeinsam mit Unternehmen Kommunikationsstrategien für das Social Web und hilft ihnen bei der Konzeption und Realisierung von Social Media-Projekten. Sein Ansatz: “Social Media ist ein gesellschaftlicher Wandel durch Dialog und damit kommunikativ eines der wichtigsten Zukunftsprojekte für Organisationen.” Er fand als ausgebildeter PR-Berater über die politische Kommunikation seinen Weg zu den Onlinemedien. Durch seine vorherige Tätigkeit als Consultant bei der Eck Consulting Group und als Referent für Social Media- und Onlinekommunikation in der Energiebranche, kennt Jens Issel die Branche aus Unternehmens- und Beratersicht. Er schreibt im PR-Blogger u. a. über die Rolle der Mitarbeiter in den neuen Medien.

Ein Kommentar zu “Selektive Wahrnehmung in der Kundenansprache einplanen”

  1. Ein sehr schöner Artikel zu einem sehr wichtigen Thema! Man fragt sich oft, woher die vornehme Zurückhaltung in diesem Land kommt. Selbst in heiß umkämpften Märkten rückt man der Zielgruppe nur mit Widerwillen auf den Pelz. Dabei ist das Risiko einer offensiven Taktik recht überschaubar. Vorausgesetzt die Qualität und Dosierung von Content-getriebenen Maßnahmen stimmt. Marketing Automatisierung wird hier zukünftig eine wichtige Rolle spielen.

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