Sebastian Thielke Sebastian Thielke ist Consultant für Digital Transformation bei Beck et al. Services GmbH. Er ist als Gastautor im PR-Blogger tätig.

Wertesphären: Warum nutzen die Mitarbeiter Enterprise 2.0 nicht?

5 Minuten Lesedauer

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Ein Unternehmen zu einem Enterprise 2.0 umzuwandeln oder gar ein Social Business daraus zu machen, ist aufwendig. Es bedarf enorm viel Zeit, Mühe, Kommunikation und vor allem viel Verständnis. Wir wissen, dass es nicht zum erfolgreichen Wandel eines Unternehmens beiträgt, nur die technische Lösung zur Verfügung zu stellen.  Vielmehr trägt es dazu bei, dass man im sogenannten Tal der Tränen endet. Viel Aufwand betrieben und die versprochenen Verbesserungen treten nicht ein? Zu Beginn noch alle begeistert, aber mittlerweile sinkt das Interesse – selbst überzeugte Evangelisten zweifeln am Erfolg des Prozesses? Was läuft schief, warum nutzen die Mitarbeiter das Netzwerk nicht?

Die technische Umsetzung ist der kleinere Teil einer Geschichte, die zwar mit „es war einmal…“ beginnt, aber nie ein Ende finden wird. Diese Geschichte, die Geschichte des Wandels eines Unternehmens zu einem Enterprise 2.0 ist ein offener, dynamischer Prozess. Wie in vielen Geschichten erleben wir Höhen und Tiefen. Es wird Erfolge geben, aber auch Rückschläge. Derzeit ist scheinbar in vielen Unternehmen und Organisationen die Zeit der Trauer erreicht. Man weiß nicht, warum es sich nicht weiterentwickelt, warum das Interesse am System sinkt oder warum die Initiative an Fahrt verliert.

Mittel- bis langfristige Orientierung bei Zeit und Umsetzung

Vielen Initiatoren und Teams scheint hier die Geduld zu fehlen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass mit falschen Vorstellungen an den Prozess herangegangen wurde. Damit es hier noch einmal klar wird: Der Prozess und die Transformation zum Enterprise 2.0 und das Profitieren von Social Tools …

  • sind kein Projekt mit Anfang und Ende
  • sind ein Wandel, ein Adoptions- und Akzeptanzprozess, die ihre Zeit brauchen, weil sich die Mitarbeiter daran gewöhnen
  • sind neue Arbeitsweisen und Werkzeuge, die alte, erlernte Verhaltensweisen durchdringen, integrieren und überzeugen müssen
  • müssen die Wertesphären der Mitarbeiter in einem Unternehmen berücksichtigen

Diese vier Punkte sind kein Allheilmittel oder verhindern hundertprozentig das Tal der Tränen, aber sie sind ein Ansatz, um das Tal flacher zu gestalten oder gar zu umgehen. Allein unter Beachtung dieser vier Bedingungen sind die Perspektive und die Erwartungen an den Prozess ganz andere. Vor allem der letzte Aspekt, die Werte der Mitarbeiter, hat eine tragende Funktion: Er ist ausschlaggebend für die Adoption der Neuerung. Zwar sind neue Technologien spannend und sorgen für Neugier, aber Neugier muss immer wieder gefüttert werden, ansonsten verebbt sie in Redundanz. Es ist entscheidend, dass aus Neugier ein Verlagen wird und aus Verlangen ein Brauchen. Durch diese Kette sichert man den Erfolg des Wandlungsprozesses und der Adoption. Die Voraussetzung für Verlagen und Brauchen sind die Werte, die man durch Enterprise 2.0 schafft. Man muss alle drei Wertesphären der Nutzer ansprechen, damit sie das Neue akzeptieren und adoptieren.

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Die drei Wertesphären der Mitarbeiter

Doch wie gelangt man zu den Wertesphären der Mitarbeiter beziehungsweise was sind diese Wertesphären? Hier ist ausschlaggebend, Werte nicht zwangsweise mit ethischen, moralischen und philosophischen Aspekten gleichzusetzen. Vielmehr muss man sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, was es dem Mitarbeiter wert ist, die Software, das Tool und auch das Netzwerk zu nutzen. Es ist die klare Frage nach dem Nutzen. Doch wie stellt sich dieser Nutzen dar? Ein einfaches Modell kann hier zu Orientierung dienen. Der Mensch hat nach diesem Modell drei Sphären in denen Werte für sie/ihn existieren beziehungsweise auf sie/ihn bezogen sind.

Ich-Sphäre                                                                                                            

Diese Wertesphäre ist im Zusammenspiel aller drei Sphären die Stärkste und Wirksamste. Hier steht vor allem das Ego der einzelnen Person im Vordergrund. In dieser Sphäre bewegen sich all die Werte, von denen der Mitarbeiter als Person profitiert. Dementsprechend werden Neuerungen danach eingeschätzt, welchen Nutzen und Wert es für die einzelne Person, für das Ich, hat. In der Kommunikation, im Training und in der Vermittlung der Transformation und des Wandels müssen also persönliche Benefits als erste angesprochen werden. In diesem Zusammenhang kann man die Möglichkeiten sehr gut an sich selbst erkunden:

  • Kann ich durch das Werkzeug meine Arbeit schneller beenden?
  • Habe ich eine spürbare Zeitersparnis in meinen Arbeitsprozessen?
  • Macht es mir die Arbeit einfacher?
  • Kann ich Prozesse für mich effektiver gestalten?
  • Kann ich mich dadurch besser organisieren?
  • Lerne ich etwas von diesem System?
  • Erleichtert mir das Werkzeug meine Arbeit?
  • Wird Wissen für mich zugänglicher?
  • Welche Vorteile bietet das Tool gegenüber anderen Lösungen?
  • Habe ich die Chance, zu einem besseren Mitarbeiter zu werden?
  • Werde ich gehört, werde ich gesehen und werde ich akzeptiert?

Die Liste lässt sich sicher um viele Aspekte und Fragen erweitern. Hier ist es wichtig, zu erkennen, was egoistische Motivation und der persönliche Profit sein können Diese klar herauszustellen, zu vermitteln und aufzuzeigen, ist ein Schritt, die Adoption von Enterprise 2.0 voranzutreiben.

Wir-Sphäre

Die Gemeinschafts- oder auch Community-Sphäre ist die zweitstärkste Wertekraft in dieser Betrachtung. Da der Mensch von jeher ein soziales Wesen ist, wird er immer abwägen, was die Werte für die eigene unmittelbare Umgebung sind. Für den Mitarbeiter sind das in der Arbeitswelt die Kollegen im direkten Umfeld, das eigene Team oder die Abteilung. Hier müssen die Werte für das soziale Konstrukt Gemeinschaft klar erkennbar sein und entsprechend kommuniziert werden.

  • Funktionieren wir als Team durch die Anwendung besser?
  • Können wir effizienter miteinander arbeiten?
  • Können wir uns durch die Werkzeuge besser im Unternehmen aufstellen?
  • Unterstützt uns das System bei unseren Projekten?
  • Bietet es Vorteile in der Kommunikation und der Zusammenarbeit miteinander?
  • Werden unsere Leistungen für das Management sichtbarer?
  • Sparen wir Zeit bei Projekten?
  • Kommen wir schneller an unsere Ziele?
  • Können wir Probleme besser lösen?

Auch hier gibt es sicherlich weiterführende Aspekte, die die Werte einer Gemeinschaft nachfragen und darstellen können.

Uns-Sphäre

Diese Werte-Sphäre darf nicht außer Acht gelassen werden, weil sie das gesamte Unternehmen darstellt. Sie stellt einen Identifikationswert dar. Wie eine Marke kann das Unternehmen für den Mitarbeiter zu einem Wert für die Außenwirkung werden. Das „uns“ hat sich als Teil der Unternehmenskultur entwickelt. Natürlich ist es hier von vielen Faktoren abhängig, ob und wie ein solches Wertesystem existiert. Dennoch muss es in den Adoptionsbestrebungen berücksichtigt werden.

  • Machen die Neuerungen unser Unternehmen besser als andere?
  • Haben wir durch die neue Herangehensweise an Arbeit einen besseren Ruf?
  • Finden Kunden unser Unternehmen durch die Innovation attraktiver?
  • Sind wir der Konkurrenz am Markt um einige Schritte voraus?
  • Funktioniert das Unternehmen im Gesamten besser?
  • Kommunizieren wir miteinander?
  • Entwickelt sich unsere Kultur zu einer positiven Wahrnehmung?

Die Liste kann auch hier definitiv ausgebaut werden. Das Zusammenspiel von Außenwirkung und internem Handeln ist hier ein interessanter Ansatz für weitere Fragestellungen.

Kombination der Wertesphären

Es muss angemerkt werden, dass zwar die Identifikation der Sphären einzeln stattfinden sollte, die Vermittlung der Werte für Enterprise 2.0 und Social Business aber im Gesamtpaket erfolgen müssen. Der Mitarbeiter muss alle drei Wertebereiche wiedererkennen können. Sie müssen einfach, erfahrbar und vor allem eindeutig sein. Schwammige und verwischte Wertedefinitionen sind wenig hilfreich. Das gilt für alle Bereiche: Je abstrakter ein solcher Wert definiert wird, desto weniger wird er wahrgenommen.

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Konstruierte Werte

Adoption von Enterprise 2.0 und Social Business muss das ausschlaggebende Ziel im Transformationsprozess sein. Diese Adoption entsteht, wenn es die Neuerung schafft, Verlangen und Gebrauchtwerden aufzuzeigen. Der Mitarbeiter als Mensch ist in diesem Zusammenhang sowohl die stärkste wie auch die schwächste Instanz im Wandlungsprozess. Die Werte für den Einzelnen, die Gruppe und die Organisation müssen vorhanden sein. Als Orientierung soll ein kleiner Ausflug in die Soziologie dienen. Werte entstehen durch das Aushandeln und definieren von Realitäten. Herbert Blumer hat in seiner Definition und Betrachtung des symbolischen Interaktionismus drei ausschlaggebende Prämissen aufgestellt:

  • Menschen handeln gegenüber Dingen auf der Grundlage der Bedeutungen, die diese Dinge für sie besitzen.
  • Die Bedeutung der Dinge entsteht durch soziale Interaktion.
  • Die Bedeutungen werden durch einen interpretativen Prozess verändert, den die Person in ihrer Auseinandersetzung mit den ihr begegnenden Dingen benutzt

Berücksichtigt man diese drei Punkte, dann werden sowohl die Identifikation wie auch die Kommunikation der Werte erfolgreich sein. Dadurch lässt sich die Adoption der Systeme steigern und ein mögliches Tal der Tränen vermeiden. Es gibt zudem noch weitere Aspekte, die Einfluss auf die Akzeptanz haben. Ich finde jedoch, dass Werte ein fundamentaler Bestandteil für die erfolgreiche Umsetzung und Transformation zum Enterprise 2.0 und Social Business ist.

Finden Sie das Wertesphären-Modell nachvollziehbar oder vernachlässigt es wichtige Aspekte? Gibt es andere Punkte neben der Nutzenbedeutung, die Ihrer Meinung in vielen Ansätzen zu Enterprise 2.0 in der Adoption vernachlässigt werden?

Bildquelle: Shutterstock

Sebastian Thielke Sebastian Thielke ist Consultant für Digital Transformation bei Beck et al. Services GmbH. Er ist als Gastautor im PR-Blogger tätig.

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3 Replies to “Wertesphären: Warum nutzen die Mitarbeiter Enterprise 2.0 nicht?”

  1. Vielen Dank für den Beitrag. Das Wertesphärenmodell nimmt die Perspektive des einzelnen Mitarbeiters sehr gut auf. Für eine unternehmensweite Adoption von Enterprise 2.0 ist es notwendig, Business und Technik mit dem Blickwinkel der Mitarbeiter zu kombinieren. Schau dir mal unser Adoption Framework an, mit dem wir schon bei einer Reihe von Unternehmen in kürzester Zeit die Akzeptanz erhöhen konnten: http://www.netmedia.de/de/blog/leitfaden-fuer-die-unternehmenskommunikation-zu-mehr-beteiligung/

    1. Hallo Tim,
      mir ist der Mensch als Mittelpunkt sehr wichtig. Das kennst Du ja aus unseren kurzen aber sehr eindrucksvollen Gesprächen. Danke, dass Dir die Überlegungen zu den Modell gefallen. Ich finde Euer Modell sehr gut um die Adoption effektiv und vor allem ganzheitlich anzugehen. Vor allem gefällt mir, dass ihr die Technik als Timeline darstellt und sowohl Mensch wie auch Business als Heatmap angeht. Da kann ich wie immer nur sagen: Ich bin da core. Danke für Deinen Hinweis.

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