Jens Issel Jens Issel ist Digital Strategist für den EMEA-Raum bei der Text100 GmbH. In dieser Position entwickelt er gemeinsam mit Unternehmen Kommunikationsstrategien für das Social Web und hilft ihnen bei der Konzeption und Realisierung von Social Media-Projekten. Sein Ansatz: “Social Media ist ein gesellschaftlicher Wandel durch Dialog und damit kommunikativ eines der wichtigsten Zukunftsprojekte für Organisationen.” Er fand als ausgebildeter PR-Berater über die politische Kommunikation seinen Weg zu den Onlinemedien. Durch seine vorherige Tätigkeit als Consultant bei der Eck Consulting Group und als Referent für Social Media- und Onlinekommunikation in der Energiebranche, kennt Jens Issel die Branche aus Unternehmens- und Beratersicht. Er schreibt im PR-Blogger u. a. über die Rolle der Mitarbeiter in den neuen Medien.

48 Tage vor der Bundestagswahl herrscht Langeweile im Wahlkampf

4 Minuten Lesedauer

Noch 48 Tage bis zur Bundestagswahl: Irgendwie haben wir das Gefühl, dass dieser Wahlkampf nicht so richtig in Gang kommt. Sie auch? Dabei werden ausreichend Themen gespielt. NSA, Drohnenaffäre und mal wieder eine Plagiatsaffäre. Wir werfen einen Blick auf den Onlinewahlkampf der vergangenen 14 Tage, den wir auf Wahlkampfanalyse.de begleiten.

Die Facebookbilanz

CDUDie CDU veröffentlichte in den vergangenen zwei Wochen 22 Facebookposts. Das sind im Schnitt 1,57 Posts pro Tag. Angela Merkel, beziehungsweise das Team hinter der Seite, postete lediglich 11 Mal.

Wer gedacht hätte, dass die CDU der Bundeskanzlerin folgt und die politischen Mitbewerber unbeachtet lässt, um keine Aufmerksamkeit auf diese zu lenken irrt. Immerhin vier Mal wurden SPD, Grüne und Linke erwähnt.

SPDDie SPD hat in derselben Zeit eine höhere Schlagzahl vorgelegt. Mit 30 Posts in den vergangenen 14 Tagen kommen sie auf 2,14 Facebookposts pro Tag.

Auffällig: 14 der 30 Posts beschäftigen sich mit dem politischen Gegner, der für die SPD offenbar nur aus der CDU besteht. Hier sticht die Präsenz von Generalsekretärin Andrea Nahles deutlich hervor, was eher auf die Strategie schließen lässt, dass mit der Facebookseite die eigenen Mitglieder und Wahlkämpfer aktiviert werden sollen, als unentschiedene und Nichtwähler zu überzeugen.

Ebenfalls auffällig: Lediglich zwei Posts betreffen die Landesverbände. Offenbar setzt die SPD auf  ihren Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück und die Bundestagswahl als Zugpferd für die Landtagswahlen in Bayern und Hessen.

Die Facebookseite von Steinbrück, ebenfalls von ihm nicht selbst betrieben, kommt auf 15 Posts, von denen sich drei direkt mit dem politischen Mitkonkurrenten beschäftigen.

PS FB NotizenDass Peer Steinbrück keine große Affinität zum Social Web besitzt, ließ er vor längerer Zeit bereits wissen. Das Team hinter der Seite versucht den Kandidaten durch Zitate zumindest indirekt aufscheinen zu lassen. Was uns auffällt: Die handschriftlichen Aufzeichnungen, die als Bilder einbezogen werden. Unorthodox, aber ein guter Weg um auch den Transparenzgedanken mit einzubeziehen.

Beide Lager setzen weiterhin meist auf Einwegkommunikation. Dialog kommt nur zwischen den Usern selbst auf. Kanzlerin und Kanzlerkandidat nehmen nicht direkt an der Kommunikation teil, was für die direkte Ansprache der Wähler von Vorteil wäre: Personalisierung – Deutschland wählt Personen statt Parteien

Dass sich dies innerhalb der Parteistrukturen schwierig gestaltet und die Positionierung von Kommunikatorene eine große Rolle spielt haben wir ebenfalls verdeutlicht: Kommunikatoren: Die Komplexität der politischen Strukturen überwinden.

Die Fanzahlen (Stand 02.08.13)

CDU: 36.756 (Sprechen darüber: 5.878*)
SPD: 42.007 (Sprechen darüber: 6.249*)

Angela Merkel: 335.165 (Sprechen darüber: 15.585*)
Peer Steinbrück: 26.457 (Sprechen darüber: 3.890*)

Parteien auf FB

*Schnitt der letzten 13 Tage

Die Interaktion bewegt sich quantitativ bei beiden Parteien ungefähr auf selbem Niveau. Bei den Fanzahlen hat Merkel die Nase ganz deutlich vorne. Setzen wir diese allerdings in Zusammenhang zu den Interaktionsraten, so scheint Steinbrück zwar weitaus weniger Fans, jedoch qualitätiv hochwertigere Fans zu haben. Allerdings stellt sich sieben Wochen vor der Wahl die Frage, ob eine höhere Reichweite nicht von Vorteil ist.

Eine eingehende Analyse der Facebookaktivitäten hatten wir bereits vor zwei Wochen unter „CDU vs. SPD – Der Wahlkampf auf Facebook“ vorgenommen.

Die Inhalte der Onlinemedien

Im Rahmen der redaktionellen Berichterstattung der größten deutschen Onlinenachrichtenportale* standen folgende Top 10-Begriffe im Vorgergrund:

euro, nsa, merkel, papst, mursi, regierung, polizei, bayern, milliarden, snowden

Während die unterschiedlichsten Themengebiete vertreten sind, finden sich selbst unter den Top 30-Begriffen weder Kanzlerkandidat Steinbrück, noch die Parteien wieder.

Spiegel OnlineOffenbar schafft es die CDU einen Wahlkampf mit einem breiten Themenspektrum zu spielen, was die Konzentration auf eine Thema durch die Opposition erschwert und die Regierungsparteien wenig angreifbar macht.

Zudem kommt Merkel, die sehr präsent ist, durchaus auch in negativen Zusammenhängen vor, in denen sie jedoch sachlich und zurückhaltend bleibt, was die Wähler ihr jedoch offenbar als Stärke auslegen, wenn wir die allgemeinen Umfragewerte betrachten.

Konkret konnten wir das bei der Berichterstattung über die NSA-Affäre auf Spiegel Online betrachten, bei der Merkel in den ersten Wochen kaum eine Rolle spielte und die Umfragen bestätigten, dass hier keine negativen Auswirkungen für die Kanzlerin bestehen.

(*bild.de, faz.net, spiegel.de, sueddeutsche.de, welt.de und zeit.de)

Die Userdiskussionen – Die Wähler

Beim Blick auf die Politikforen und die Userdiskussionen, innerhalb der Onlinenachrichtenportale, finden sich dagegen folgende Top 10-Begriffe

deutschland, merkel, usa, geld, frau, politiker, spd, griechen, menschen, regierung

Während Merkel es auf Platz zwei schafft, findet sich Steinbrück auf Platz 36 wieder. Allerdings ist die SPD am siebthäufigsten genannt worden, während die CDU hier auf Platz 31 wiederzufinden ist. Die Tendenz ist klar. Die Onlinenutzer nehmen einerseits eher Merkel als die CDU wahr, andererseits eher die SPD als Steinbrück.

In Zeiten, in denen die Tendenz zur Personenwahl steigt also ein schweres Los für Steinbrück. Zumindest was die Onlineuser angeht.

7 Wochen vor der Wahl – Was die Parteien jetzt brauchen …

Eine klare Festlegung auf die Zielgruppen

Die grundsätzliche Frage, die sich für Parteien im Rahmen der Onlinekommunikation stellt ist: Wen wollen wir mit unseren Kanälen erreichen?

Klassischewerweise gibt es dabei zwei Hauptzielgruppen:

1. Stammwähler, Wechselwähler & Unentschiedene
2. Parteimitglieder & Wahlkämpfer

zielBeide Zielgruppen unterscheiden sich grundlegend in der Ansprache und in der Platzierung der Themen. Während bei der ersten Gruppe eher themenbezogen argumentiert und überzeugt werden muss, gilt es bei den Wahlkämpfern zu motivieren, zu pushen und ihnen die richtigen Argumente und Vorgehensweisen an die Hand zu geben, um die Menschen auf der Straße, an der Haustüre oder auch im Netz zu überzeugen. Hier wird also auf indirekte Effekte gezielt.

Bei der SPD ist eindeutig zu erkennen, dass mit der Facebookseite auf letztere Gruppe abgezielt wird, wie wir oben bereits angesprochen haben. Bei der CDU ist bisher keine eindeutige Zielgruppenfestlegung zu erkennen.

Auffällig ist, dass bei den Politikerfacebookseiten, von Merkel und Steinbrück, eher Inhalte gespielt werden, die auf die Stamm- und Wechselwähler zielen. Von Wahlkampfgetöse für die eigenen Mitglieder nehmen beide Abstand. Offenbar sollen die Personen die Nicht-Wahlkämpfer überzeugen.

Spätestens jetzt ist eine zielgruppenspezifische Kommunikation festzulegen und durchzuhalten.

Online-Advertising-Strategie

Die Parteien sollten spätestens jetzt beginnen sich mit dem Thema Online-Anzeigen zu beschäftigen. Eine ausführliche Analyse, was diese regional, aber auch überregional leisten können, hatten wir bereits unter „Onlinewerbung: Mehr Reichweite im Wahlkampf“ erläutert.

Bekannterweise entscheiden sich die meisten Wähler innerhalb der letzten sieben bis 14 Tage vor der Wahl. Dabei wird die reine Straßenplakatierung nicht ausreichen. Es gilt den Wähler an den unterschiedlichsten Stellen zu erreichen. Zum einen, um möglichst viele Wähler in der Breite aufmerksam zu machen, zum anderen, um die Wähler an mehreren Kontaktpunten zu erreichen und eine tiefere Verankerung von Personen und Themen zu ermöglichen.

Edelam Trust

Bei Unternehmen geht das Edelman Trust Barometer 2013 davon aus, dass diese ihre Botschaften mindestens drei bis fünf Mal beim Kunden platzieren müssen, damit diese glaubwürdig erscheinen. Ähnliches, wenn nicht sogar höhere Schlagzahlen dürften bei politischen Botschaften der Fall sein.

In den nächsten Wochen vor der Wahl werden wir im PR-Blogger die aktuellen Entwicklungen in einem 2-Wochen-Rhythmus betrachten.

Bildquellen: Angela Merkel – World Economic Forum Annual Meeting, CDU logo.svg, dbenzhuserSPD CROP.png, dbenzhuserEdelman Trust Barometer 2013

Jens Issel Jens Issel ist Digital Strategist für den EMEA-Raum bei der Text100 GmbH. In dieser Position entwickelt er gemeinsam mit Unternehmen Kommunikationsstrategien für das Social Web und hilft ihnen bei der Konzeption und Realisierung von Social Media-Projekten. Sein Ansatz: “Social Media ist ein gesellschaftlicher Wandel durch Dialog und damit kommunikativ eines der wichtigsten Zukunftsprojekte für Organisationen.” Er fand als ausgebildeter PR-Berater über die politische Kommunikation seinen Weg zu den Onlinemedien. Durch seine vorherige Tätigkeit als Consultant bei der Eck Consulting Group und als Referent für Social Media- und Onlinekommunikation in der Energiebranche, kennt Jens Issel die Branche aus Unternehmens- und Beratersicht. Er schreibt im PR-Blogger u. a. über die Rolle der Mitarbeiter in den neuen Medien.

2 Replies to “48 Tage vor der Bundestagswahl herrscht Langeweile im Wahlkampf”

  1. Und ich dachte schon, ihr würdet über Parteien berichten, die aktiver in den sozialen Medien unterwegs sind.. Aber gut, über CDU und SPD zu schreiben ist auch so spannend wie Wasser beim Kochen zuzusehen… Es gibt ja auch andere Parteien.. Zum Glück..

  2. Na dann lesen Sie mal das Programm der DNV und vergleichen Sie das mal…

    Die „DNV“ verfolgt das 1949 über Art.146 GG eingefügte Ziel des Verfassungsgesetzes „Grundgesetz“, dass sich Gesamtdeutschland eine neue Verfassung gibt, die von einer Nationalversammlung, also im Sinne des Bundesverfassungsgerichtes von einer vom ganzen deutschen Volk in einer Bundestagswahl als eine Versammlung ordentlich gewählter Volksvertreter, wo als Voraussetzung die einfache Mehrheit reicht, erlassen wird.

    Die „DNV“ sieht sich ganz im Geiste der aufklärerischen und humanistischen Demokratie, in der das Volk die ihm zustehenden Mitspracherechte mit und über die gewählten Volksvertreter erhält, es ferner die ihm zustehenden Abwehrrechte gegen den Staat als Grundrechte zugestanden wird und der Staat als Rechtsstaat seiner Verpflichtung zur Daseinsfürsorge in allen Lebensbereichen ihm gegenüber nachkommt.

    Wer sonst hat dieses Ziel im Sinne des Volkes???
    http://www.deutsche-nationalversammlung.de/cmsm/index.php

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